Hochfest der Geburt des Herrn, In der Heiligen Nacht

Predigtimpuls

Die Frohe Botschaft der Weihnacht

1. Lesung: Jes 9,1-6
2. Lesung: Tit 2,11-14
Evangelium: Lk 2,1-14

 Die Frohe Botschaft der Weihnacht

Weihnachten schafft Verbindungen
„Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr“: So lautet die Frohe Botschaft der Weihnacht, eine große Botschaft.
Jedoch wenn wir uns die Sache einmal nüchtern anschauen, müssen wir feststellen: In jener Nacht nahm niemand Notiz davon; die römischen Staatsgeschäfte des Kaisers Augustus gingen weiter wie bisher, und der Rest der Welt dachte nicht im Traum daran, dass der Name Bethlehem einmal weltbekannt werden sollte, und ein paar Hirten waren doch wohl als Nachrichtenübermittler höchst ungeeignet. Aufs Ganze gesehen sah es nicht danach aus, dass das Geschehen dieser Nacht große Weltgeschichte machen würde.
Und doch: Diese Geschichte hat unglaubliche Geschichte gemacht, hat Weltgeschichte gemacht. Heute wird diese Botschaft in der ganzen Welt verkündigt, und auch an Nichtchristen geht dieses Fest nicht spurlos vorüber, und wenn es nur der Tannenbaum ist, der in vielen Variationen überall auf der Welt zu sehen ist. Es gibt wohl kein Fest, das Menschen aus allen Sprachen, Kulturen und Völkern so miteinander verbindet wie das Weihnachtsfest: Weihnachten stiftet Verbindungen. Für viele Nichtchristen ist das Weihnachtsfest eine erste Begegnung mit der christlichen Botschaft, und für Christen selbst ist die Krippe mit der Weihnachtsgeschichte der Ort, wo ihr Glaube im wahrsten Sinne des Wortes so unendlich menschlich wird.

Die Sehnsucht des Menschen läuft nicht ins Leere
An Weihnachten werden tiefste Sehnsüchte des Menschen angesprochen, hier kommt etwas zur Sprache, das mehr denn je eine lebensrettende Botschaft ist: dass wir als Menschen angenommen, bejaht sind und gewollt sind. Genau darauf zielt das Glaubensbekenntnis, wenn wir darin immer wieder sagen: „und hat Fleisch angenommen“, hat unser Fleisch angenommen, mein Fleisch angenommen. Genau das ist doch die tiefste Sehnsucht eines jeden Menschen: dass er angenommen werde, bedingungslos, dass man ihn liebt um seiner selbst willen, und nicht weil er besondere Leistungen vorzuweisen hat, weil er eventuell Schlagzeilen gemacht hat, weil er groß herausgekommen ist. Und ob nicht diese oftmals gar nicht direkt bewusste Sehnsucht der Menschen es ist, die die Faszination des Weihnachtsfestes ausmacht, dass doch endlich einer komme, der mit uns umgeht, nicht wie alle Welt, und auch nicht wie wir selbst oft mit uns, wo dann nur Leistung, Standard, Wissen, Schönheit, Fitness zählen, sondern einfach so: weil es dich gibt, einmalig und unverwechselbar, darum liebe ich dich. Weihnachten sagt: Diese Sehnsucht des Menschen läuft nicht ins Leere. Das II. Vatikanische Konzil hat das an einer Stelle einmal so ausgedrückt: „Denn er, der Sohn Gottes, hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt. Mit Menschenhänden hat er gearbeitet, mit menschlichem Geist gedacht, mit einem menschlichen Willen hat er gehandelt, mit einem menschlichen Herzen hat er geliebt.“. Er ist nicht auf Distanz geblieben, beurteilend und verurteilend dem Menschen gegenüber, sondern er hat sich vereinigt, er hat sich eingelassen und gemeinsame Sache mit dem Menschen gemacht, und er macht immer wieder neu gemeinsame Sache mit dem Menschen: des Menschen Sache ist seit Weihnachten Gottes Sache.

Wiederherstellung der Rechte und Würde des Menschen
Seit Bethlehem gibt es keine unbedeutenden Lebensgeschichten mehr, ohne
Schlagzeilen, Geschichten am Rande, nein, jede Lebensgeschichte ist Gottesgeschichte geworden. Wir feiern, dass in der Menschwerdung Gottes jeder Mensch seine eigene Würde bekommen hat, wie es Papst Johannes Paul in seiner ersten Enzyklika „Erlöser des Menschen“ (Redemptor Hominis) ausgedrückt hat: „Das tiefe Staunen über den Wert und die Würde des Menschen nennt sich Evangelium, Frohe Botschaft“ (RH 10).
Gerade den Menschen, die sich an den Rand gedrängt fühlen, deren Würde nicht
respektiert wird, die nur als überflüssig betrachtet werden, weil sie weder als
Arbeitskräfte noch als Kaufkräfte in Frage kommen, gerade denen wird heute
gesagt: Eure Lebensgeschichte ist nicht eine Randgeschichte, sondern eine
Gottesgeschichte, einmalig, kostbar, mit nichts zu bezahlen und durch nichts zu
ersetzen. Wenn heute die Geschichte Gottes, der sich in der Menschwerdung seines Sohnes mit jedem Menschen vereinigt hat, erzählt wird, dann wird gerade eure Geschichte erzählt, die Randgeschichten der Welt, vielleicht nie einer Schlagzeile wert, sie sind Gottes Geschichten. Für Christen ist das immer wieder der Stachel der Heiligen Nacht, dass es nicht beim stimmungsvollen „Stille Nacht, Heilige Nacht“ bleibt, sondern dass die Botschaft von der Menschwerdung Gottes in der Respektierung, in der Wiederherstellung von Menschenwürde und Menschenrechten wieder Fleisch wird. Das Stroh der Krippe darf pieken; es ist der bleibende Stachel im Weihnachtsfest, sich dafür einzusetzen, dass alle Menschen gemäß ihrer Würde leben können. Viele von Ihnen, den Leserinnen und Lesern / Hörerinnen und Hörern, die in Übersee leben in Ländern, wo diese Würde in Gefahr ist, immer wieder zerstört und missachtet zu werden in Ungerechtigkeit, Armut, kriegerischen Auseinandersetzungen. Aber auch hier in Europa ist diese Würde immer wieder neu in Gefahr, gerade dann, wenn es um die Randzonen des Lebens geht am Beginn und am Ende menschlichen Lebens. Weihnachten: Jedes menschliche Leben hat seinen eigenen Wert und seine eigene Würde.

Wo Gott neu Mensch wird
Wenn wir heute die Geschichte von Bethlehem öffentlich verkünden, wenn sie
über die Medien in alle Welt geht, dann dürfen wir uns gesagt sein lassen: Alle unsere Lebensgeschichten mit ihrer verborgenen, ja manchmal so verstellten Sehnsucht, bedingungslos geliebt zu werden, angenommen, bejaht und geliebt, respektiert und gewürdigt zu werden, sie sind in dieser Geschichte drin. Und wo immer wir uns dafür einsetzen, dass Menschen das spüren und erfahren, dürfen wir uns gesagt sein lassen: Da wird Gott neu Mensch.
Was braucht die Welt mehr als Menschen, die es auch wirklich sind, die mithelfen, dass dieses Staunen über den Wert und die Würde des Menschen als die lebensrettende Nachricht alle Menschen erreiche, jene Nachricht, auf die die Menschen, jeder von uns, jeder Mensch in jedem noch so abgelegenen Winkel der Erde warten. Er hat Fleisch angenommen, er hat mich angenommen, er hat alle Menschen angenommen; die große Freude, die uns heute verkündet wird, die Frohe Botschaft: „Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; es ist der Messias, der Herr.“ Amen.

 

P. Hans Peters SVD