Weihetag der Lateranbasilika (H)

Predigtimpuls

Der Tempel Gottes

Lesung: Ez 47,1-2.8-9.12
Oder: 1Kor 3,9c-11.16-17
Evangelium: Joh 2,13-22

Erwartungshaltung

Wer sich heute auf das Sonntagsevangelium (Mk 12,38-44) gefreut hatte, wurde bei der Verkündigung des heutigen Festtagsevangeliums enttäuscht. An der Gegenüberstellung der Schriftgelehrten mit der armen Witwe, die nur zwei kleine Münzen in den Opferstock warf, aber damit ihr ganzes Vermögen opferte, hätte sich viel festmachen lassen an echter Opferbereitschaft auf der einen Seite und an Heuchelei, Ehrgeiz und Habgier auf der anderen Seite. Denn zwischen diesen beiden Fixpunkten liegt das Problem auch in unserer Gesellschaft. Es wird sich lohnen, auch privat darüber nachzudenken.

Kirchweihfest der Lateranbasilika

Kirchweihfest verdrängt den Sonntag. Manche werden sagen: Das kann nicht sein! In der Liturgiekonstitution des Konzils steht doch wörtlich: „Der Herrentag (Sonntag) ist Fundament und Kern des liturgischen Jahres... Andere Feiern sollen ihm nicht vorgezogen werden..“ (Art.106).

Jeder Sonntag ist ein Osterfest im Gedenken an die Auferstehung unseres Erlösers Jesus Christus. Wenn nun das Kirchweihfest liturgisch an die Stelle des Sonntag treten kann, dann muss dieses Fest etwas mit der österlichen Bedeutung dieses Tages zu tun haben. In der Tat ist es so. Die Lateranbasilika ist von Kaiser Konstantin gegründet und wurde von ihm zum Dank für den Sieg über Maxentius an der Milvischen Brücke dem Salvator Jesus Christus geweiht.

Die Lateranbasilika war die erste Bischofskirche von Rom und wurde 324 von Papst Silvester I. geweiht. Der anliegende Lateranpalast wurde gleichzeitig Amtssitz des Papstes, und daher wird die Lateranbasilika auch als erste Papstkirche bezeichnet. Sie trägt den Titel „Mutter und Haupt aller Kirchen des Erdkreises“. Papst Benedikt XIII. hat nach größeren Restaurierungsarbeiten im Jahre 1726 die Basilika neu geweiht und den 9. November als Kirchweihtag für sie festgelegt.

Kirche, was ist das?

Das Wort Kirche hat heute keinen guten Klang. Viele denken bei dem Stichwort an „Amtskirche“ und reagieren allergisch auf die Nachrichten über Unzulänglichkeiten ihrer Amtsträger. Andere denken an den Kirchenbau, den es so aufwendig in Ausstattung und Unterhaltung nicht bräuchte, wie manche meinen.

Interessant ist, dass die Urkirche weder die Bezeichnung „Amtskirche“, noch ein eigenes Gotteshaus als Kirche kannte. Die ersten Christen waren so erfüllt von der Botschaft Jesu und dem österlichen Heilsgeschehen, dass sie gar nicht auf den Gedanken kamen, ein eigenes Haus zu errichten und es als Kirche zu bezeichnen. Die Glaubensüberzeugung der jungen Christengemeinden kleidet der heilige Paulus im 1. Korintherbrief in die Frage: „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ (l Kor 3,16) Und im Epheserbrief ergänzt er: „Ihr seid auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut. Der Schlussstein ist Christus Jesus selbst. Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten und wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn. Durch ihn werdet auch ihr im Geist zu einer Wohnung Gottes erbaut.“ (Eph 2,20-22) Es geht also nicht um das Haus aus Steinen, es geht auch nicht um die Institution Kirche oder um den völlig verfehlten Ausdruck „Amtskirche“. Es geht um das Wohnen Gottes unter den Menschen und in den glaubenden Menschen durch das Mysterium des menschgewordenen Wortes Gottes, durch Jesus Christus in seinem Wort und Werk.

Gott ist Mensch geworden, damit seine Gegenwart sichtbar, greifbar, spürbar und erfahrbar werden kann. Die Menschen seiner Zeit haben ihn erfahren, und die Apostel haben diese Erfahrungen weiter gegeben in der Verkündigung seiner Worte und Taten, die wir in den Evangelien und in den Briefen der Apostel finden. Daraus haben die Urchristen gelebt. Erst als sie spürten, dass sie Versammlungsräume zum gemeinsamen Gebet und zur Feier der Mysterien brauchten, haben sie bestehende Basiliken übernommen und schließlich eigene Häuser/Kirchen aus Stein gebaut. Die Lateranbasilika ist eine der ersten dieser Art, und sie trägt auch aus diesem Grunde zu Recht den Titel „Mutter und Haupt aller Kirchen des ganzen Erdkreises!“

Wir sind Kirche

Das ist ein Slogan, den wir heute immer wieder hören. Und der Satz stimmt sogar, wenn wir nur an die Worte des hl. Paulus denken, die wir soeben gehört haben. Allerdings kann das nicht im politischen Sinne gemeint sein und auch nicht im kirchenkritischen Sinne wie: hier Basiskirche dort Amtskirche. Wir sollten für uns selbst einmal den Satz umdrehen und formulieren: Wir sind Kirche – sind wir Kirche?, d.h. entsprechen wir dem, was der hl. Paulus sagt bzw. fragt? – Jesus hat beim Abschied von seinen Jüngern gesagt: „Seid gewiss, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ (Mt 28,20b) Die Frage an uns ist: Wie stark ist diese Zusicherung Jesu als Glaubensüberzeugung in uns lebendig? Wenn wir versuchen daraus zu leben, muss das eine ungeheure Lebenskraft in uns entfalten. Das Wissen um die Gegenwart Jesu Christi in uns und in unseren Gemeinschaften ist dann stärker als alle Unzulänglichkeiten und Enttäuschungen, die es ohne Zweifel auch in unserer Kirche gibt. Ein solcher Glaube schenkt Freude an der Kirche. Christus sagt: „Ihr seid das Licht der Welt.“ (Mt 5,14) Wir haben als Boten des Evangeliums der Welt Licht zu geben, das sie aus sich nicht hat. Menschen verlangen nach diesem Licht.

Ein Schlusswort. Schon vor fünfzig Jahren hat P. Delp die Frage gestellt: „Sind wir noch glühende Menschen? Ist noch irgendeine Leidenschaft in unserer Seele, für die man sich einsetzt? Oder ist alles zu nüchtern und dürftig und schön geordnet, dass es kein Herz mehr entzündet? Der glühende Mensch – nicht der Fanatiker! Das ist der Mensch, auf den die Kirche gebaut hat.“

 

P. Ferdinand Demes SVD