Hochfest der Geburt des Herrn, Weihnachten (H) - In der Heiligen Nacht

Predigtimpuls

„Die Erde Heimat für alle Welt“

1. Lesung: Jes 9,1-6
2. Lesung: Tit 2,11-14
Evangelium: Lk 2,1-14

Der sich als Christ bekennende Kabarettist Hanns Dieter Hüsch, u. a. bekannt durch seine Psalmeninterpretationen, erlebt Gott in seinen Gedichten und Geschichten immer in der banalen Alltäglichkeit des Lebens. So auch in seiner Weihnachtsgeschichte ‚Der liebe Gott ist nicht zu Hause’, die hier etwas verkürzt wiedergegeben werden soll. (Der Text kann mit getrennten Rollen vorgetragen werden)

„Der liebe Gott ist nicht zu Hause“– Eine heiter anmutende Geschichte
Ich hatte schon mehrmals versucht anzurufen, aber jedes Mal kam nur auf Band die Stimme von Petrus: ‚Der liebe Gott ist nicht zu Hause. Wir bitten um Ihr Verständnis’.

Da erinnerte ich mich an ein Gespräch, das ich mit dem lieben Gott hatte. Das war kurz vor Weihnachten. Da hatten wir beide ein Gespräch, gemütlich bei Kaffee und Kuchen, Plätzchen, Kerzen, Äpfeln, Nüssen und Apfelsinen, und der liebe Gott fragte mich: „Was macht Ihr denn an Weihnachten? Fahrt Ihr in die Karibik?“ Ich war so verdutzt und gleichzeitig empört und sagte beleidigt: „Wie kannst Du so was fragen?“ Ich war noch nie in der Karibik und an Weihnachten schon gar nicht. – Ich meine, die Frage: ‚Was macht Ihr denn an Weihnachten?’ hatte ich schon hundert Mal gehört, aber ‚Fahrt Ihr in die Karibik?’ – und dann noch an Weihnachten, hatte ich noch nie vernommen. An Weihnachten fährt man zu Opa und Oma, zu den Eltern, zu den Kindern, vielleicht noch zu Freunden, oder man bleibt zu Hause, wie wir, denn ich kann Weihnachten nur zu Hause feiern, mit einem Baum.
Und so habe ich denn auch zum lieben Gott gesagt: „Was soll ich denn an Weihnachten in der Karibik? Über Weihnachten, da bin ich zu Hause, da muss ich zu Hause sein, sonst habe ich keine Weihnachten!“ „Auch nicht im Herzen?“, fragte der liebe Gott. „Eben gerade deswegen, sagte ich, muss ich zu Hause sein. Weihnachten habe ich nur zu Hause!“ „Ist das nicht ein bisschen eng?“, sagte der liebe Gott. „Ich z. B. fahre in die Karibik.“ „Ja Du, sagte ich, Du kannst und darfst ja sein, wo Du willst. Für Dich ist doch überall zu Hause… Was meinst Du, was meine Frau mir sagt, wenn ich ihr sage: Weihnachten, meine Liebe, ab in die Karibik!“ „Ich hab schon mit ihr gesprochen, sagte der liebe Gott. Sie wäre einverstanden!“ „Da kannst Du mal sehen“, habe ich gesagt, „da bemüht man sich hier dauernd um die Reinheit des Weihnachtsfestes, und dann so was.“ „Gib’s doch zu“, hab ich dann zum lieben Gott gesagt, „da hast Du doch sicher dran gedreht.“ Nur ein bisschen, und es ist ja noch nicht spruchreif. Zunächst wollte ich nur einmal Dein Toleranzvermögen überprüfen. Die Welt ist ein bisschen größer, als Du denkst und wir sollten alle ein bisschen großzügiger sein, als wir denken, damit… die Erde Heimat wird für alle Welt.“ Dann bestellte sich der liebe Gott ein Taxi und fuhr ins Café Pilatus, um dort seinen Sohn abzuholen. Als das Taxi anfuhr, ließ er rasch die Scheibe runter und rief mit voller Lautstärke: „Frohes Fest!“
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...damit die Erde Heimat wird für alle Welt
Diese heiter anmutende Geschichte resümiert sich in jenem letzten in Gottes Mund gelegten Satz: „Die Welt ist ein bisschen größer, als Du denkst und wir sollten alle ein bisschen großzügiger sein, als wir denken, damit… die Erde Heimat wird für alle Welt.“ Der liebe Gott in Hanns-Dieter Hüschs’ Geschichte will uns nicht an Weihnachten in die Karibik schicken, doch will er auf eine Grunddimension von Weihnachten aufmerksam machen: Weihnachten umfasst die ganze Welt, übersteigt alle von Menschenhand gezogenen Grenzen. Gott wird Mensch für alle Menschen, ohne Ausnahme, weil er seine Schöpfung liebt. Der Evangelist Johannes sagt das mit den schönen Worten: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat.“ Weihnachten ist das Fest der Liebe Gottes zu allen Menschen. Er macht der Menschheit sein größtes Geschenk: Er schenkt ihr seinen Sohn. In ihm sind wir alle Geschwister, Kinder des einen himmlischen Vaters. Wohin wir auch gehen, wir begegnen Menschen, die uns in Jesus Schwestern und Brüder sind. Sein Geburtsfest, obwohl zu einem Familienfest im engeren Sinne geworden, will eigentlich die Grenzen sprengen und unsere Herzen öffnen für die Menschen um uns herum und in der weiten Welt.

Mit den ersten Jüngerinnen und Jüngern sind bis heute viele Menschen in die Welt gezogen, um ihr die Frohbotschaft dieses lieben Gottes zu verkünden. Viele haben sie freudig aufgenommen und zum Programm ihres Lebens gemacht. Sie wirken wie Hefe im Teig und bilden in unserer oft durch Hass und Krieg zerrissenen Welt Keimzellen der Hoffnung und des Friedens. Sie haben Jesu Menschwerdung für sich richtig interpretiert: Wenn Gott die Menschen so sehr liebt, dann muss sich das auch in denen widerspiegeln, die Christus nachfolgen und sich nach ihm Christen nennen.

Jeder Mensch ein besonderer Aspekt Gottes
Um Jesus saß einmal eine Menschenmenge, so lesen wir im 3. Kapitel des Markus-Evangeliums; man denke an Suchende und Sehnsüchtige, an Arme und Ausgegrenzte, an physisch und seelisch Leidende. Jesus blickt auf sie und sagt: „Das sind meine Brüder und meine Schwestern!“ Dieses schlichte Wort ist ein Durchbruch in der Menschheitsgeschichte, heute genau so aktuell wie damals – ein wirkliches Wort der Hoffnung. Indem Gottes Sohn Bruder der Menschen wird, werden wir Menschen Geschwister untereinander, egal welche Hautfarbe wir haben oder welcher Religion wir angehören. Der Theologe Wilhelm Willms formuliert das in seinem Credo so: „Ich glaube, dass Gott in jedem Menschen ist; ich glaube, dass mit dem Menschen auch Gott übersehen wird; ich glaube, dass jeder Mensch ein besonderer Aspekt Gottes ist.“

Vielleicht ist dies die eigentliche weihnachtliche Herausforderung an uns: die Menschen von der liebenden Perspektive Gottes aus zu betrachten, in ihnen den Schöpfer wieder zu erkennen und sie als dessen Geschöpfe, ja mehr noch, als unsere Schwestern und Brüder zu erkennen und anzunehmen. „Wir sollten ein bisschen großzügiger sein, als wir denken, sagt H.-D. Hüsch, damit… die Erde Heimat wird für alle Menschen.“

Möge dieses Weihnachtsfest unsere Blicke und Herzen weiten für die Würde und Einzigartigkeit eines jeden Menschen. Möge die alle Menschen dieser Erde umschließende Liebe Gottes, wie sie in der Geburt Jesu zum Ausdruck kommt, auch uns beseelen und uns zu seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern machen beim Aufbau einer Welt, die Heimat wird für alle Menschen.

P. Manfred Krause SVD