2. Adventssonntag (B)

Predigtimpuls

Advent – Zeit zum Denken und Handeln

1. Lesung: Jes 40,1-5.9-11
2. Lesung: 2 Petr 3,8-14
Evangelium: Mk 1,1-8

 

Advent, Advent, und alles rennt

Es ist wieder so weit: Hektik pur hat Hochkonjunktur. Wir werden durch die Fußgängerzonen unserer Städte geschoben. Wir hetzen über die Weihnachtsmärkte.

Hektik pur lässt keine Zeit zum Nachdenken. Das ist gut: Nur nicht nachdenken über das, was in der Welt los ist. Es ist verheerend. Doch bietet die Welt dieses verheerende Bild nicht deshalb, weil wir viel zu lange viel zu wenig nachgedacht haben? Zu wenig über die Welt. Zu wenig über uns. Vor allem zu wenig darüber, dass wir durch Gott erlöste Menschen sind.

Nachdenklichkeit verlangt Stille. Der Advent war einmal die stillste Zeit im Jahr. Er ist viel zu hektisch geworden, um in irgendeiner Form zur Verlangsamung, zur Entschleunigung beizutragen. Wer sich eine Zeitspanne der Stille gönnt, der kommt bald ins Schleudern, aus Sorge nicht mehr um die Runden zu kommen. Vorweihnachtlicher Event – wäre das nicht eine ehrlichere Bezeichnung als Advent?

 

Advent – Zeit der Erwartung

Advent ist die Zeit der Erwartung. Welcher Erwartung? Menschen erwarten sich etwas vom Leben. Es soll sich lohnen. Andere wollen vom Leben, was immer zu haben ist, ohne Rücksicht auf Verluste. Wieder andere aber sind so resigniert, dass ihnen alles egal ist. Und dann sind da Menschen mit einem ganz anderen Blickpunkt. Für sie steht Gott im Blickpunkt. Von ihm erwarten sie sich das Entscheidende für ihr Leben. Etwa, dass sie mit gutem Gewissen Mut zur Zukunft haben können, über das „Hier und Heute“ hinaus.       

Menschen setzen ihre Hoffnung auf Gott. Viele Wege führen zu Gott. Das ist nicht neu. Für Christen führt der Weg zu Gott über Jesus Christus. Ihn nehmen sie in den Blick, wenn es um die Erwartung für ihr Leben geht. Was ist durch ihn anders, im Blick auf die Zukunft des Menschen?

 

Ein Blick zurück

Die Geschichte des Volkes Israel ist die Geschichte der Hoffnung auf Gott, ist die der treuen Gefolgschaft seiner Weisungen. Sie ist auch die Geschichte des Aufstandes gegen Gott, die der treulosen Abwendung. In dieser Geschichte spielen von Gott gesandte Propheten eine wichtige Rolle. Sie hören nicht auf, das Volk zur Umkehr aufzurufen, dann wird es die Treue Gottes erleben. Die Treue Gottes zum Menschen ist das Heil. So verdichtete sich im Volk Gottes die Hoffnung auf den angesagten Messias immer mehr. Und dann war es so weit.
„Es trat ein Mensch auf, der von Gott gesandt war; sein Name war Johannes.“ So lesen wir am Beginn des Evangeliums nach Johannes. Von diesem Mann nun berichtet uns heute der Evangelist Markus.        

Ein ganz und gar außergewöhnlicher Mensch. Von Kind auf zum „Reinen“ geweiht, hatte sein Haar nie die Schur erfahren. Nie hatte er berauschende Getränke getrunken. Als junger Mann hatte er sein Elternhaus verlassen und war in die Wüste gegangen. Ein Leben in Einsamkeit und Totenstille. Eine Kamelhaut diente ihm als Gewand. Sein Gesicht war von Wind und Sonne gegerbt. Geröstete Heuschrecken und Honigwasser waren seine Nahrung. Ein totaler „Outsider“, ein wilder Vogel.

Die Leute strömten damals in Scharen zu dem „Wilden“. Das jüdische Volk war bis zum Äußersten gedemütigt. Der erwartete Messias war die letzte Hoffnung für sie. Sie kommen zu Johannes. Menschen, die auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, verzweifelt waren. So ruft er ihnen als Bote des Herrn zu: „Bereitet dem Herrn den Weg.“ Er selbst war auch nicht mehr als ein Wegbereiter, dessen Aufgabe es ist, die Menschen wachzurütteln. Aber nach ihm wird ein Stärkerer kommen. „Er wird euch mit Heiligem Geist taufen.“ Will sagen, durch ihn werdet ihr in Einklang mit Gott kommen. Dann werdet ihr heil, wenn ihr auf ihn zugeht.

 

Der Blick ins Heute

Wenn wir dieses Evangelium hören, wissen wir mehr als jene Menschen damals zwischen Wüste und Jordan. Für uns haben die Worte einen anderen Klang als für die Zeitgenossen des Täufers. Inzwischen ist der Stärkere gekommen. Brauchen wir uns den Ruf, „Bereitet dem Herrn den Weg“, nicht mehr sagen zu lassen? 

Im Grunde geht es uns nicht besser als den aufgeschreckten Bewohnern Judäas und Jerusalems. Auch wir haben es nötig, unser Leben nüchtern zu bedenken. Auch wir haben uns zu fragen, was unser Tun und Denken bewegt. Auch uns tut es gut, wenn wir uns anregen lassen, uns ein wenig Stille zu gönnen. Aus unserer Tiefe soll aufsteigen dürfen, was wir sonst so gerne verdrängen, was wir unter sogenannten Sachzwängen unter Verschluss halten. Denn das bekommt uns auf die Dauer nicht gut.

Nehmen wir uns im Advent die Zeit, darüber nachzudenken, was Johannes meint, wenn er uns auffordert: „Bereitet dem Herrn den Weg.“ Dabei geht es keineswegs nur darum, uns auf unser Versagen zu besinnen. Viel wichtiger ist es, uns immer wieder neu auf die beglückende Botschaft von „Jesus Christus, dem Sohn Gottes“ einzulassen. In ihm hat Gott in der Welt sein Gesicht gezeigt. Der Ruf zur Umkehr, zur Hinwendung zu Gott, ist keine Schikane Gottes. Es ist der Ruf, nicht gedankenlos durchs Leben zu gehen. Gottes Anruf ist der Ruf, so zu leben, dass wir wirklich gelebt haben, wenn wir am Ende unseres irdischen Daseins vor sein Angesicht gerufen werden. Dann werden wir den von Angesicht zu Angesicht erkennen, der immer zu uns hin unterwegs war.

 

Unsere Wegbereitung

Sollten wir uns – im Vergleich zu anderen – in der Wohlstandsgesellschaft unserer Tage, die längst an ihre Grenzen gekommen ist, nicht aufmachen in die Geisteshaltung derer, die in der Wüste zur Besinnung gekommen sind und diese Herausforderung bestanden haben? Machen wir uns auf, in den Verzicht auf vieles Überflüssige. Ins Eingehen in die Nachdenklichkeit, die weh tut. In das Schärfen der Sinne für Gefahren und Bedrohungen. Aber vor allem in das Hören auf Gottes Stimme. Wir hören sie in den alltäglichen Begegnungen und Aufgaben.

„Bereitet dem Herrn den Weg.“ Dieser Ruf gilt allen immer neu, die Gott in sein Volk gerufen und mit Heiligem Geist getauft hat. Dieses Volk Gottes ist verantwortlich, dass es in der ganzen Gesellschaft zu einer neuen Offenheit gegenüber Gott kommt. Alle müssen ihre tiefste Sehnsucht – die nach dem „Leben in Fülle“ – neu wahrnehmen. Das wird die Welt verändern.

 

Pfr. Klaus Mucha