3. Adventssonntag (B)

Predigtimpuls

Von Gott gerufen

1. Lesung: Jes 61,1-2a.10-11
2. Lesung: 1 Thess 5,16-24;
Evangelium: Joh 1,6-8.19-28

 

Erkannt und doch nicht   

Große Rollen sind gefragt. Schauspieler sind stolz, wenn ihnen für eine Inszenierung oder einen großen Film eine bedeutsame, wenn nicht die Hauptrolle, angetragen wird. Sie machen sich mit dem Text vertraut. Sie leben sich in die Person, die sie darstellen sollen, hinein. Sie trainieren, informieren sich, befassen sich mit der Zeit, die sie darstellen sollen, hungern sich einige Kilos herunter oder trainieren sich Muskeln an. Der Auftritt muss sitzen. So ein Auftreten kann über die Karriere entscheiden und Menschen für das eigene Können begeistern.         

So ein Typ mit Profil, so eine internalisierte Rolle, so ein Gesicht, eine Stimme, die aus großen Bühnen oder von Funk und Fernsehen bekannt ist, provoziert oft die Frage: Wer ist der, wer ist die denn eigentlich?

Johannes der Täufer scheint seine Rolle hervorragend gespielt zu haben. Richtiger gesagt: Er hat seine Berufung durch und durch gelebt. Sein Lebensstil, sein Outfit, seine auffällige Kleidung, seine Essgewohnheiten, sein Reden haben die Menschen auf ihn aufmerksam werden lassen. Dabei war all das nicht in einem Rollenbuch für ihn vorgesehen, sondern er hat seinen eigenen, ganz persönlichen Weg gesucht – und ist ihn gegangen.      

Glaubwürdig war er. Und echt. Unser Evangelist ist sich sicher: Der ist von Gott gesandt. Der ist ein Zeuge, ein echter und wahrer – kein gekaufter und kein Schwätzer. Zeuge soll er sein für das Licht. Zeuge sein für den, der im Johannes-Evangelium später sagen wird: Ich bin das Licht der Welt.     

Also: Es war die Sendung, das Schicksal, vielleicht auch die Tragik des Johannes, dass es nicht um ihn geht. Er ist nicht die Hauptrolle. Er ist so etwas wie das Vorprogramm, die Szene-Band, die die Stimmung anheizt, damit der Auftritt des Großen, das Hauptprogramm gut eingefädelt ist, anknüpfen, gelingen und seine
Botschaft vermitteln kann.

So ein Leben ist nicht einfach. Sich damit abfinden, nur die zweite Geige zu spielen, nur so etwas wie ein Wegweiser zu sein, ein Hin-Begleiter zum Eigentlichen, das fällt oft schwer. Doch Johannes hat das scheinbar so überzeugend gelebt, dass man über ihn redete, dass man über seine Person unsicher war, dass man mehr von ihm wissen wollte. 

Neugierig geworden sind die Menschen, ja sogar die Amtsträger der herrschenden Religion, so neugierig, dass sie ihn nicht kommen, nicht im Zeugenstand auftreten lassen und befragen, sondern sie gehen zu ihm hinaus aufs Land, dorthin, wo er wirkt, dorthin, wo man am eindrucksvollsten sehen kann, wer er ist, weil man sieht, wie er lebt, welche Sprache er im Alltag spricht, mit wem er umgeht, wie er eingerichtet ist und welche Atmosphäre ihn umgibt.

 

Wer bist du?     

Diese Frage beschäftigt alle, die ihm auf den Leib rücken, die seine Berufung erkannt haben, dass er Zeuge ist. Zeugen haben etwas zu sagen. – Aber seine Botschaft enttäuscht sie. Ich bin nicht, was ihr vermutet! Ich bin nicht der Messias! Ich lebe zwar prophetische Existenz, aber ich bin nicht der wieder gekommene Elija.

Hartnäckig, wie sie sind, geben sie jedoch nicht nach. Sie bekommen seine
Antwort zu hören, und die lautet: Ich bin Stimme, die ich einem anderen leihe. Ich bin Wegweiser. Ich bin Brückenbauer. Ich ermögliche Zugang. Ich mache bereit. Ich bin im Vergleich zum anderen ein Nichts. Aber diesen anderen, den kenne ich, der hat mich von der ersten Begegnung an zum Hüpfen, zum Freuen gebracht. Deshalb tue ich das gerne! Aber ihr kennt ihn nicht. Den habt ihr noch nicht wahrgenommen.  Der kommt auf euch zu.

Wir können uns vorstellen, wie sie schimpfen, wie sie sich über sich selbst ärgern, wie sie murren und neugierig Ausschau halten, wer es denn sein könnte, wen
Johannes meint, mit wem er vielleicht einen vertrauten Blick tauscht, wem er signalisiert: Siehst du, sie sind neugierig auf dich! Sie suchen dich schon!

 

Unser Auftritt 

Der Auftritt der Kirche in dieser Welt, an unserem Ort, in unserer Stadt, in der Begegnung mit den Menschen müsste für mich viel von der Art und Weise des Johannes haben, damit Menschen wieder zum Fragen und zum Suchen kommen, damit Menschen wieder aus dem Eingefahrenen und Vertrauten aufbrechen, neugierig werden, auf wen unser Leben, Wirken, Arbeiten und Tun hinweist. 

Dafür aber brauchen wir als Christen Profil. Dafür brauchen wir als Kirche Mut. Dafür ist es nötig, dass wir auffallen, uns unterscheiden, in vielen Punkten anders, alternativ zum Mainstream leben. Christen sollten sich unterscheiden von solch Alltäglichem: „Man tut und man lässt, man zieht sich so und so an, hört die Musik und verbringt so seine Freizeit. Man ist auf Geld aus, hält sich möglichst zurück, fällt auf keinen Fall auf und hat so am besten seine Ruhe!“

Hätte Johannes so gelebt, kein Mensch hätte ihn aufgesucht. Kein Mensch hätte ihn um sein Zeugnis angegangen. Und wenn die Fragenden uns dann mit dem
Papst, mit dem Lehramt, mit der Kirchengeschichte, mit eigenartiger Frömmigkeit, mit Kirchensteuer oder auch mit Weltferne verwechseln, dann können wir mit Johannes sagen: Nein, das bin ich nicht!

Ich bin nur ein Christ, der Gott sucht und ihn da und dort entdeckt und gefunden hat. Ich bin zwar in Taufe und Firmung geheiligt, aber noch längst kein Heiliger, der alles richtig macht. Ich lebe in meiner Kirche, ich sehe ihre Sendung und ihre Berufung, aber ich verschließe meine Augen auch nicht vor dem einen oder anderen Versagen oder manchem ‚Noch-nicht’. Ich bin durch den Versuch meiner
Antwort auf Gottes Ruf, durch das Geschenk meines Liebens, durch die Kraft meines Glaubens, die ich in mir spüre und die mir manche Situationen bestehen hilft, durch die Hoffnung, die ich mir nicht nehmen lasse, und sogar dadurch, dass ich über den Tod hinaus mit Leben rechne, und noch angesichts des Todes Lieder vom Leben singe, Stimme, die Menschen einlädt, für Gott einen Weg zum eigenen Herzen zu eröffnen, ihn in ihren Lebenshorizont einzulassen.

Das ist die Rolle, die ich auf den Brettern meiner Lebensbühne spielen darf, nicht aufgesetzt und irgendeines Lohnes wegen, sondern um meiner Sendung, meiner Zeugenschaft zu entsprechen, für die Gott mich ruft. So darf und kann ich Hinweis auf den Größeren, auf Jesus Christus sein.

Und dann kann fragen kommen, wer will: Meine Kinder, mein Chef, die neugierige Nachbarin, die Mutter, die eben mit mir ihr Kind zum Kindergarten bringt, meine Kollegen, diejenigen, die mich ministrieren sehen und diejenigen, die mich schief anschauen, weil ich sonntags Gottesdienst feiere.

Ich bin von Gott gerufen, Zeuge, Stimme, Wegebauer zu sein. Darüber dürfen wir uns freuen. Da gibt es keine Arbeitslosigkeit, keine Altersgrenze, keine Teilzeitarbeit. Und ich kann ein gutes Stück weit davon leben. Denn mein Leben hat Sinn, begegnet Menschen, und ich bin mir sicher, dass es mir gut tut, so ein gefragter Mensch zu sein. Und was gibt es Schöneres als von dem zu künden, was mich im Herzen freudig bewegt, was mich echt erfüllt, dankbar und selig macht?

 

Pfr. Albert L. Miorin