4. Adventssonntag (B)

Predigtimpuls

Einfach „cool“, wunderbar!

1. Lesung: 2 Sam 7,1-5.8b-12.14a.16
2. Lesung: Röm 16,25-27;
Evangelium: Lk 1,26-38

 

Abschließender Lobpreis Gottes.

Vielleicht hat Paulus seinen langen Brief an die Römer noch einmal durchgelesen, bevor er ihn zur Post gab. Voller Erstaunen entdeckte er selbst, was alles darin steht, welch wunderbare Dinge er enthält. Er lässt das ganze Heilswirken Gottes, das er beschrieben hat, noch einmal an sich vorbeiziehen. Und dann muss er einfach noch einen Lobpreis auf den weisen Gott hinzufügen. „Ehre sei dem, der die Macht hat... (Röm 16,25-27).         

Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass jemand anders durch die Lektüre des Briefes so in ehrfürchtiges Staunen geriet, dass er den langen Abschlusssatz zufügte, der den Inhalt des ganzen Briefes zusammenfasst. Er muss seine ganze Verwunderung ausdrücken und ausrufen: „Ehre dem einen, weisen Gott...“

 

Weihnachtliches Staunen  

Heute, einige Tage vor Weihnachten, legt uns die Kirche diesen Lobpreis des Erlösungswerkes Gottes als Lesung zur Meditation vor. Auch wir sollen staunen. Staunend blicken wir auf die Weihnachts-Lichter-Welt. Wir sehen die leuchtenden Augen der kleinen Kinder vor dem Adventskranz, dem Weihnachtsbaum, vor den Geschenken, der Krippe. Wir lassen uns tragen von vertrauten Klängen.

Die Lesung möchte uns tiefer führen, uns staunend eintreten lassen in den Sinn des Menschwerdungsgeheimnisses. In echtem theologischen Staunen möchten wir unsere Jetzt-Situation als adventlich-weihnachtliche Menschen erfassen: „Jenes Geheimnis, das jetzt offenbar ist.“

Maria erschrickt in unbegreiflichem Erstaunen. Sie ruft aus: „Wie soll das
geschehen!“ Die Antwort ist so knapp und einfach: „Bei Gott ist nichts unmöglich!“ Überwältigt gibt sie die befreiende Antwort: „Mir geschehe, was du gesagt hast.“

 

Der Römerbrief: Was Gott nicht alles kann und getan hat!  

Das alles beherrschende Thema im Römerbrief ist die Situation der Sünde in der Welt und die Frage, wie der Mensch wieder mit Gott versöhnt werden kann. Die gesamte Menschheit ist in der Sünde gefangen – „durch einen Menschen“. Selbst kann sie sich daraus nicht befreien. Alle verzweifelten Versuche sind zum Scheitern verurteilt, bis – ja bis Gott selbst eingreift.             

Jetzt. An „Weihnachten“. In der Menschwerdung Christi erfüllt sich die Verheißung Gottes. Durch Christus werden wir mit Gott versöhnt. Eine neue Menschheit, eine zweite Geburt. Neues Leben. Kraft von Gott und der Auftrag, alle Völker zum Glauben zu führen. Es ist so viel Wunderbares, Staunenswertes, dass es den Autor voller Bewunderung sein „Ehre sei Gott!“ ausrufen lässt!

 

„Ehre sei Gott!“ 

Marias spontane Überraschung vor den Großtaten Gottes und ihre endgültige Zustimmung zur Mitwirkung, die staunenden Hirten in Bethlehem, der Ruf der Engel „Verherrlicht sei Gott in der Höhe“ – Ruf der Engel im Augenblick der Menschwerdung – finden ihre logische Folge im Schluss des Römerbriefes. Nach langem tiefem theologischen Nachdenken und der anschließenden Niederschrift seiner Erkenntnisse und der sich daraus ergebenden Einladung an uns alle kann der Autor sich im bewundernden Vertrauen in Gottes Hand getragen fühlen und ausrufen: „Wer wird uns trennen von der Liebe Gottes!“ Und er wird ihm die Ehre geben: „Ehre sei Gott!“.

 

Eine Monsterkonstruktion

Unser heutiger Lesungstext besteht aus nur einem Satz, nämlich dem „abschließenden Lobpreis Gottes“, wie er in der Einheitsbibel tituliert wird. Dieser Satz aber hat es in sich! Er ist so geschachtelt aufgebaut und gespickt voll mit Aussagen, dass man bei einmaligem oberflächlichen Lesen gar nichts mitbekommt. Man muss ihn wirklich auseinanderklauben. (Wenn möglich, den Satz hier ein zweites Mal vorlesen).

 

Ehre sei dem ... ihm sei Ehre    

Wie diese Monsterkonstruktion verstehen? – Sie beginnt und endet mit dem gleichen Wunsch, der für uns ein Aufruf ist: „Ehre sei...“ Wem? Gott natürlich. Aber das wird nicht sofort so deutlich gesagt. Am Anfang heißt es: „Ehre sei dem, der...“        

Hier folgt als Nebensatzgebäude die ganze Hauptaussage seines Briefes über Gott, auf engstem Raum komprimiert. „Ehre“ am Schluss des Textes weist noch einmal zurück und fasst zusammen: Ja, „Ehre sie ihm, dem einen weisen Gott“ – es ist eine Verbeugung vor der großen Weisheit Gottes. 

„Ehre sei dem, der die Macht hat“: Er hat uns Kraft gegeben, er hat uns gestärkt. Wir dürfen ergänzen: gestärkt für ein Leben aus dem Glauben, für ein neues Leben, als mit Gott Versöhnte, wie er es vorher in den vorherigen Kapiteln dargelegt hat.

Jetzt, heute wissen wir darum. Hier ist der Wendepunkt, die Schnittstelle zwischen dem ersten (alten) und dem (zweiten) neuen Testament. Bislang war das die große Unbekannte, die Antwort auf die Frage, wie die sündige Welt mit Gott versöhnt werden kann. Heute ist das kein Geheimnis mehr! Durch Gottes Willen ist eine neue Epoche in der Welt- und Heilsgeschichte angebrochen: Es ist die Botschaft Jesu, die Botschaft der Liebe, seine Lehre, sein Leben, sein Tod und seine Auferstehung. Paulus verkündet dies alles, und es ist schriftlich niedergelegt. 

 

Alle geben ihm die Ehre

Diese Frohbotschaft ist für alle bestimmt, „um die Heiden alle zum Glauben zu führen. Wir – die damaligen Adressaten des Briefes in Rom – aber auch jeder einzelne von uns, haben die Aufgabe erhalten, mitzuarbeiten an Gottes Heilswerk für alle Menschen. Wir haben die Kraft erhalten...“

Vielleicht können wir in einigen Augenblicken der Stille uns einstimmen lassen, zum Staunen kommen und uns an das Weihnachtsgeheimnis heranführen lassen.

 

P. Heinrich Schwis SVD