Maria Immaculata (H)

Predigtimpuls

Gottes Schöpfungs- und Erlösungsplan

1. Lesung: Gen 3,9-15.20
2. Lesung: Eph 1,3-6.11-12
Evangelium: Lk 1,26-38

 

„Sei gegrüßt, du Begnadete! (Lk 1,28)   

In manchen Gemeinden des Schwarzwalds wird in der Adventszeit das „Frauentragen“ gepflegt. Ein Bild oder eine Statue Marias wird von Haus zu Haus getragen. In den Wohnungen erhält Maria vielfach einen Ehrenplatz; es werden gemeinsam Gebete verrichtet, bevor die Reise weitergeht. Mit Maria bereiten sich Menschen vor auf das Fest der Geburt des Erlösers, und die Gottesgeburt im eigenen Leben. Nicht nur Maria sucht eine Herberge. Der Engel Gabriel hat eines Tages bei Maria Einlass begehrt. Auch an diese Begegnung des Engels mit Maria kann das „Frauentragen“ erinnern. 

 

1. Gott hat mit Maria einen Plan

Der Engel spricht sie nicht mit ihrem Namen „Maria“ an. Er sagt: „Sei gegrüßt, du Begnadete“. Diese Bezeichnung „Begnadete“ oder „Gnadenvolle“ ist von menschlich unauslotbarer Tiefe. Dieser Gruß des Engels ist eine Wesensbezeichnung. Maria ist von Gott beschenkt worden mit einer nicht mehr überbietbaren Gnadenfülle. Sie hat Jesus empfangen und wird ihm das Leben schenken. Sie wird in ungetrübter Reinheit eins mit Gott. Mit der Wendung „unbefleckt Empfangene“ wird zum Ausdruck gebracht, dass Gott sie von Anfang ihres Daseins an beschenkt hat mit einer Gottnähe, die alles Trennende, Sündhafte ausschließt. Nur als Begnadete, Gnadenvolle kann Maria dem Plan entsprechen, den er mit ihr vorhat. In Maria wird uns bewusst, wie Gott sich eigentlich den Menschen gedacht hat, als er ihn erschaffen hat.

 

2. Gott hat mit dem Menschen einen Plan

In der Lesung aus Genesis 3 haben wir einen Blick in die biblische Urgeschichte geworfen. Wir entdecken, dass Gottes Plan mit dem Menschen vom Menschen durchkreuzt wurde. Im ersten Schöpfungslied sagt Gott: „Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich“ (Gen 1,26). Und gleich darauf bestätigt der heilige Text: „Gott schuf den Menschen als sein Abbild, als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie...“ (Gen 1,27).

Der Mensch ist also Repräsentant Gottes, sein Ebenbild und Freund. Gott hat ihn ausersehen, ihn in der Welt für immer zu vergegenwärtigen. Auch andere biblische Texte gehen auf Gottes Plan ein, so Psalm 8, wenn er sagt: „Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst. Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt.“ (Ps 8,5f).

Diese Gottesnähe, von der die Schrift spricht, können wir auch als Heiligkeit bezeichnen. Jeder Mensch ist nach Gottes Plan heilig, mit einer unantastbaren Würde und Hoheit ausgestattet, von Gott gesegnet und zum Herrschen bestimmt (vgl. Gen 1,28).         

Durch den Ungehorsam des Menschen seinem Schöpfer gegenüber hat sich der Mensch seines Glückes beraubt. Sünde ist in die Geschichte des Menschen eingebrochen. Aber Gott hat seinen Plan nicht aufgegeben. Er überlässt den Menschen nicht dem Verführer. Aus der Feindschaft zwischen der Schlange und der Frau wird die Frau als Siegerin hervorgehen. Seit dem 2. Jahrhundert wird Maria als neue Eva bezeichnet. Mit Jesus Christus, dem neuen Adam besiegt sie die Schlange. Eva folgte dem Wort der Schlange; Maria gehorchte dem Wort Gottes und hat Jesus geboren, der die Macht der Schlange gebrochen hat.

 

3. Gott hat mit mir einen Plan   

In der Menschwerdung Gottes aus der Jungfrau Maria ist Gott in die Menschheitsgeschichte eingetreten. Jesus, der neue Adam ist der erste Mensch der neuen Schöpfung. „Denn er, der Sohn Gottes, hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt“ (Gaudium et Spes 22).                

Wir alle sollten uns bewusst sein, dass Gott in jedem und jeder aus uns, sein Schöpfungswerk fortsetzen will. Es kommt einzig und allein darauf an, Gottes Plan, den er mit mir hat, zu erkennen und dazu Ja zu sagen. Keinen von uns gibt es zweimal. Gott nimmt meine Einmaligkeit ganz ernst. Und ich? Lebe ich mit Gott? Nehme ich mir Zeit für ihn? Bin ich offen für seinen Anruf? Wie gehe ich mit den Gaben um, die er mir geschenkt hat?         

Gott nimmt auch die Zeit, in der ich lebe, sehr ernst. Auch ich habe die Ängste, Bedrohungen, Abhängigkeiten, Krankheiten des heutigen Menschen wahrzunehmen. Ich darf die Gottferne vieler Menschen nicht ignorieren. Ich darf sie aber auch nicht als unabwendbares Schicksal hinnehmen. Jesus Christus will in mir seine Sendung weiterführen. Daher gilt es, nicht nur mit persönlicher Sünde zu brechen, sondern auch Strukturen der Sünde zu erkennen und mit allen Mitteln zu bekämpfen. Papst Johannes Paul II. sah in der Gier nach Profit und dem Durst nach Macht solche Strukturen, die nur überwunden werden können durch eine völlig entgegengesetzte Haltung (vgl. Sollicitudo rei socialis 38). Gott selbst ist daran interessiert, sie mir zu schenken. Jesus will in mir geboren werden, eins werden mit mir. „Christus, der Erlöser der Welt, ist derjenige, der in einziger und unwiederholbarer Weise in das Geheimnis des Menschen eingedrungen und in sein „Herz“ eingetreten ist“ (Redemptor hominis 8). Es geht weniger darum, dies oder jenes zu „tun“. Es geht um das „Sein“: dass Jesus Christus in mir lebt und ich in ihm. Dann werden wir in der Kraft des Heiligen Geistes beitragen, das Angesicht der Erde zu verändern.

Das Festgeheimnis erinnert uns an die Heiligkeit, mit der Gott uns ausstatten will, damit unser Leben, wie das Leben Marias, zum „Lob Gottes“ wird. „Wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt“ (Eph 1,10). Danken wir für diese Gnade. Mit Paulus sagen auch wir: „Durch die Gnade Gottes bin ich, was ich bin.“ (1 Kor 15,10)

 

P. Adalbert Schaller SVD