2. Adventssonntag (C)

Predigtimpuls

Helfen, dass Jesus ankommen kann

1. Lesung: Bar 5,1-9
2. Lesung: Phil 1,4-6.8-11
Evangelium: Lk 3,1-6


Helfen, dass Jesus ankommen kann
„Es war im fünfzehnten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius; Pontius Pilatus war Statthalter von Judäa, Herodes Tetrarch von Galiläa…“ Meine lieben Mitchristen, wer interessiert sich denn noch für Kaiser Tiberius und seinen Statthalter in Judäa? Wen interessiert noch, wer vor 2000 Jahren in Jerusalem Hoherpriester war?

Ist diese Zeitangabe im Evangelium also überflüssig? Nein, ganz und gar nicht. Lukas gibt uns damit zwei wichtige Hinweise.

Jesus, eine historische Persönlichkeit
Der erste ist: Lukas schreibt von historischen Ereignissen. Jesus – um ja ihn geht es in den Evangelien – ist keine Sagengestalt; er hat wirklich gelebt. Die Evangelien sind keine erfundenen Erzählungen, sondern sprechen von dem, was einmal geschehen ist. Nur deshalb können wir sagen: Gott hat sich in Jesus von Nazaret zu erkennen gegeben.

Allerdings sind die Evangelien keine Protokolle der Taten und Reden Jesu. Auf protokollarische Genauigkeit hat man keinen Wert gelegt. Menschen haben im Gedächtnis bewahrt, was Jesus getan und gesagt hatte; vielleicht hat Jesus seine Reden gar selbst, wie Rabbiner es taten, in kurzen Merksätzen zusammengefasst. Viele erinnerten sich, wie Jesu Wort sie getroffen hatte, wie die Begegnung mit Jesus ihr Leben verändert hatte, sie Heilung und Befreiung erfuhren. Und was sich in ihr Gedächtnis eingeprägt hatte, das erzählten sie immer wieder ihren Angehörigen und Freunden und später der jungen Gemeinde, bis jemand wie Lukas kam und es aufschrieb.

Jesus, von Bedeutung für alle Menschen
In der Begegnung mit Jesus haben die Menschen erfahren, wie Gott zu uns steht, wie radikal er uns annimmt. Uns? Ja uns, auch uns.

Das ist das Zweite, was Lukas in dieser Zeitbestimmung andeutet: Jesus war nicht nur für die Leute damals im Gebiet des alten Israel von Bedeutung. Er ist wichtig für alle Menschen zu allen Zeiten, auch für uns. Gottes Sohn ist für alle Menschen Mensch geworden, er ist Bruder und Erlöser/Befreier aller Menschen. Darauf weist auch die Stelle aus dem Jesajabuch hin, die Lukas im heutigen Evangeliumsabschnitt zitiert: „Und alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt“ (Jes 40,5; Lk 3,6). Alle Menschen sollen das Heil sehen, d.h. das volle, erfüllte Leben empfangen, das Jesus uns gebracht hat.

Jesus den Weg bereiten
Aber im Evangelienabschnitt, den wir soeben gehört haben, ist nur von Johannes die Rede. Doch er soll „dem Herrn“, Jesus, den Weg bereiten: Hügel sollen abgetragen und Täler aufgefüllt werden. Krummes soll gerade und Unebenes geebnet werden. Das lässt geradezu an den Bau einer Autobahn denken. Aber natürlich sollte Johannes keine Straße bauen, sondern das Volk Israel auf Jesus vorbereiten. Damit Jesus mit seiner Botschaft beim Volke ankäme.

Helfen, dass Jesus ankommen kann, diese Aufgabe wird auch uns gegeben, wenn uns heute das Evangelium verkündigt wird. Ankommen muss er zunächst einmal bei uns; dann werden wir uns auch bemühen, dass er bei anderen ankommen kann.

Jesus nur gleichsam im Vorübergehen hören und ein paar Worte mit ihm wechseln, das genügt nicht. Jesus will zu uns kommen, um bei uns, in uns, zu bleiben. Da muss so mancher Berg abgetragen und manches Tal aufgefüllt werden.

Berge in mir? Vielleicht ein gewisser Stolz: Ich möchte für mich selbst bestimmen, was gut und was nicht gut ist, und es mir nicht von anderen sagen lassen, auch nicht von Gott. Oder bin ich zu sehr um mich selbst besorgt, dass mich die Not anderer nicht berührt? Vielleicht habe ich auch ungute Angewohnheiten, die ich nicht aufgeben möchte. Die Berge können auch Sünden sein, die ich nicht einzugestehen wage oder von denen ich nicht glaube, dass sie vergeben werden.

Und die Täler in mir, die aufzufüllen sind? Vielleicht mangelndes Vertrauen auf Gott und auf seine Barmherzigkeit. Oder ich kann nicht glauben, dass ihm an mir etwas liegt. Vielleicht bezweifle ich auch, dass Jesus der ist, als den ihn die Kirche verkündigt, oder dass es Gott gibt. Auch Mangel an Demut können wir hier nennen. Oder Trägheit: Ich möchte schon gut sein – aber nichts dafür tun. Oder ist mir Gott einfach egal?

Den Untergrund für den Weg bereiten
Wenn eine Straße gebaut wird, muss zuerst der Untergrund sondiert und befestigt werden. Doch was ist hier der Untergrund? Es ist die Bereitschaft anzunehmen. Dass es etwas gibt, das größer ist als ich und als wir Menschen, etwas, das wir nicht durchschauen und nicht beherrschen können: Gott. Ihm können wir uns nur öffnen und uns beugen. Diese Haltung heißt traditionell Demut. Sie ist die Grundlage jedes religiösen Glaubens.

Auf der Demut ruhen der Glaube, die Hoffnung und die Liebe. Sie sind keine fertigen Haltungen, sondern sind auf ein lebenslanges Wachstum angelegt. Ich kann sie in sehr unterschiedlichem Maße haben: einen kleinen oder einen starken Glauben, eine zaghafte oder eine unerschütterliche Hoffnung, eine keimende oder eine brennende Liebe. Die Sorge, dass Glaube, Hoffnung und Liebe wachsen, bleibt unsere Aufgabe. Doch was lässt sie wachsen? Das Gebet und ein Leben, das sich an Jesus Christus ausrichtet. Gebet meint nicht nur ein paar Gebete sprechen, sondern einen lebendigen Kontakt mit Gott suchen.

Offen sein für Christus
Dann fehlt am Weg für den Herrn noch ein zweifaches: der Wunsch, mit Christus tief verbunden zu sein, und die Bereitschaft, sich von ihm verändern zu lassen. Wollen wir uns nicht verändern, binden wir Jesus die Hände und blockieren den Weg, auf dem er zu uns kommen möchte.

Hören wir auf den Ruf des Täufers. Bereiten wir uns, dass Jesus zu uns zu kommen kann, uns innerlich zu heilen, zu befreien und zu führen. Und bereiten wir ihm den Weg in unsere Welt durch das Zeugnis eines gelebten Glaubens.

 

P. Lothar Janek SVD