3. Adventssonntag (A)

Predigtimpuls

Euch wird was blühen!

1. Lesung: Jes 35,1-6a.10
2. Lesung: Jak 5,7-10
Evangelium: Mt 11,2-11

 

„Dir wird was blühen!“ Wer von uns hätte nicht schon einmal diese Worte gehört? Der Kamerad sagt sie nach einem Streit, der Lehrer zum faulen oder frechen Schüler, der Vater zum aufmüpfigen Kind. Sie merken schon – so oder so steckt hinter der Redewendung eine unheilvolle Botschaft. Da hat sich einer eine Suppe eingebrockt, die muss er jetzt auch auslöffeln. Der wird schon sehen, was er von seinem ungehörigen Verhalten hat. Dem wird was blühen!

Euch wird was blühen! Das ist die Botschaft des Propheten, die uns aus der Lesung heute entgegenschallt. Den in der Diaspora lebenden Juden wird sie zugesprochen. Und was ihnen zugesprochen wird, ist ganz und gar keine Drohbotschaft. Das ist Frohbotschaft par excellence. Jahwe wird euch heimführen aus der Zerstreuung. Wie sehr sie sich nach diesem Tag sehnten! Müdigkeit, Resignation, Hoffnungslosigkeit – das ist es, was den Alltag der Israeliten prägt. Und da hinein trifft die Botschaft: Die Wüste wird sich freuen und prächtig blühen. Hier in der Wüste werdet ihr es erleben. Welche Freude für die gequälten Menschen in der Wüstensituation. Erst recht, wenn sie hören, was der Prophet ihnen weiter sagt: Macht die erschlafften Hände wieder stark, die wankenden Knie fest, habt Mut und fürchtet euch nicht! Der Hoffnungslosigkeit wird die Hoffnung entgegen gesetzt, der Resignation Zuversicht, der Müdigkeit Vitalität, Leben.

Denen wird was blühen! Das war vielleicht auch das, was Johannes sich im Gefängnis dachte. Der Messias wird kommen und dann werdet ihr sehen – die Axt ist schon angelegt. Dieser Messias wird richten, so wie es richtig ist. Recht geschieht ihnen! Gut möglich, dass er so gedacht hat, Johannes im Gefängnis, ganz sicher hofften das die unter der römischen Besatzungsmacht leidenden Juden. Dieser Messias wird die Spreu vom Weizen trennen und die Spreu ins Feuer werfen. Und was kriegen die Jünger des Johannes von Jesus zu hören: Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf und den Armen wird das Evangelium verkündet. Statt richtendem Wirken, rettendes Wirken. Statt Drohbotschaft, Frohbotschaft. Den Menschen wird was blühen!

 

Uns wird was blühen – von Drohbotschaft zur Frohbotschaft

Euch wird was blühen! Uns wird was blühen! Leider ist das eine Botschaft, die wir heute allzu oft hören. Denn es gibt nur allzu viele Unheilspropheten, die die Ängste der Menschen schüren – von Altersarmut und -vereinsamung bis zu Naturkatastrophen, von Massenarbeitslosigkeit bis zu Seuchen und Epidemien. Man schlage nur die Zeitung auf oder schalte gar den Fernseher ein. Da kann einem angst und bange werden. Kein Wunder, wenn immer mehr Paare sich entscheiden, kein Kind mehr in diese Welt zu setzen, weil die Zukunft ihnen zu ungewiss erscheint. Kein Wunder, wenn Menschen Angst haben, alt zu werden, weil sie nicht wissen, ob die Rente noch reicht, um notwendige Untersuchungen oder Maßnahmen zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit zu finanzieren oder
das Leben so zu gestalten, dass soziale Kontakte erhalten bleiben. Kein Wunder, wenn sogar Zwölfjährige Angst vor drohender Arbeitslosigkeit haben. Sie alle hören die Botschaft: Euch wird was blühen und es wird nichts Gutes sein. 

Es sind auch die Unheilspropheten, die so manche Wüstensituation für die Menschen unserer Tage schaffen. Aber auch darüber hinaus sind uns Wüstensituationen vertraut, kennen wir Wüstenzeiten. Da ist das Ehepaar, das sich nichts mehr zu sagen hat; da ist die Familie, die leidet, weil der Vater, die Mutter, das Kind todkrank ist, stirbt. Da sind die Kinder, die unter fehlender Geborgenheit in der Familie leiden. So viele Wüstensituationen, so viele Wüstenzeiten.

Und da ist noch eine. Da sind wir Seelsorger und Seelsorgerinnen, die leiden, weil immer mehr Menschen in ihrer Wüstensituation einen Ausweg suchen –nur nicht bei uns, in unserer Kirche, nicht im Evangelium, das zu verkünden uns anvertraut ist und das sagt: Freut euch! Gaudete! Denn eure Situation mag euch ausweglos erscheinen – aber es gibt einen Weg. Ihr mögt verzweifelt sein – aber es gibt Hoffnung. Ihr mögt resignieren – es gibt Zuversicht. Denn euer Gott wird kommen und er ist schon da. Mitten unter euch steht er. Vielleicht erkennt ihr ihn nicht, vielleicht müsst auch ihr fragen: Bist du es, der da kommen soll oder müssen wir auf einen anderen warten? Dann fragt! Kommt und fragt! Wir alle dürfen fragen – gerade in unseren Wüstenzeiten. Auch wir als Christen erleben Wüstenzeiten, auch wenn wir schon so oft Gottes Zusage gehört haben: Ich bin bei euch. Auch wir als Christen dürfen fragen. Gleichzeitig müssen wir aber auch bereit sein, uns fragen zu lassen. Von Menschen in Wüstensituationen fragen lassen, worauf sich unsere Hoffnung gründet, was uns leben lässt. Lassen wir uns anfragen und setzen wir Zeichen.

 

Freut euch – euch wird was blühen!

Eine Adventsgeschichte erzählt von einem älteren Mann in Frankreich. Seine Frau ist gestorben, dann auch noch sein einziger Sohn. Wofür soll er jetzt noch leben? Er lässt seinen Bauernhof in einer fruchtbaren Ebene zurück. Nur 50 Schafe nimmt er mit. Er zieht in eine trostlose Gegend, in die Cevennen, fast eine Wüstenlandschaft. Dort kann er vielleicht vergessen. Weit zerstreut liegen fünf Dörfer mit zerfallenen Häusern. Die Menschen streiten sich; viele ziehen fort. Da erkennt dieser ältere Mann: Diese Landschaft wird ganz absterben – wenn hier keine Bäume wachsen.

Immer wieder besorgt er sich einen Sack mit Eicheln. Die kleinen sortiert er aus, auch die mit Rissen wirft er fort. Die guten kräftigen Eicheln legt er in einen Eimer mit Wasser, damit sie sich richtig voll saugen. Er nimmt noch einen Eisenstab mit, dann zieht er los. Hier und dort stößt er den Eisenstab in die Erde, legt eine Eichel hinein. – Nach drei Jahren hat er auf diese Weise 100 000 Eicheln gesetzt. Er hofft, dass 10 000 treiben. Und er hofft, dass Gott ihm noch ein paar Jahre schenkt, so weitermachen zu können. Als er im Jahre 1947 im Alter von 89 Jahren stirbt, hat er einen der schönsten Wälder Frankreichs geschaffen. Da gibt es je einen Eichenwald von 11 km Länge und 3 km Breite an drei verschiedenen Stellen!

Und was sonst noch geschehen ist? Die unzähligen Wurzeln halten jetzt den Regen fest, saugen Wasser an. In den Bächen fließt wieder Wasser. Es können wieder Weiden, Wiesen, Blumen wachsen. Die Vögel kommen zurück. Selbst in den Dörfern verändert sich alles: die Häuser werden wieder aufgebaut, angestrichen. Alle haben wieder Lust am Leben, freuen sich, feiern Feste. Keiner weiß, wem sie das zu verdanken haben, wer die Luft, die ganze Atmosphäre geändert hat. (aus: W. Hoffsümmer (Hrsg.), Kurzgeschichten 1, Nr. 5) – Da konnte was blühen. Weil einer in einer Wüstensituation nicht resigniert hat, sondern handelte – geduldig und selbstlos.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie unseren Gott immer wieder als Leben spendenden Gott erfahren dürfen – gerade in Wüstensituationen. Ich wünsche uns, dass wir einander Zeugen des rettenden Handelns unseres Gottes sind – gerade in Wüstensituationen. Und ich wünsche uns die Freude an der Frohen Botschaft: Euch wird was blühen – ein Leben in Fülle, schon hier auf dieser Erde und am Ende des Advents unseres Lebens.

 

Pastoralreferentin Maria Gleißl