1. Adventssonntag (B)

Predigtimpuls

Wer die Gegenwart verschläft, kann die Zukunft nicht gewinnen

1. Lesung: Jes 63,16b-17.19b; 64,3-7
2. Lesung: 1 Kor 1,3-9
Evangelium: Mk 13,24-37

 

Was uns ein Kirchenjahr signalisiert

Die Geschichte der Menschheit ist kein Zufallsprodukt, das irgendwann einmal im Chaos endet. Sie ist eine Erlösungsgeschichte, von Gott gewollt, durch Gott gefügt und von Gott vollendet. Die Bibel erzählt uns vom sehnsüchtigen Warten des Gottesvolkes auf den Messias. In einem Kirchenjahr feiern wir, was Jesus Christus für die Menschheit getan hat.
Der Sohn Gottes kommt als ein Mensch zu den Menschen. Er bringt die Botschaft:

Gott liebt die Menschen, wie ein guter Vater seine Kinder liebt. So beginnt das Kirchenjahr mit dem Advent, der Vorbereitungszeit auf das Fest der Geburt Christi. Er hat die Botschaft vom Reich Gottes gebracht und uns ein Leben in Übereinstimmung mit Gott vorgelebt. Das hat die Welt und die Menschen verändert. Jesus Christus ist am Kreuz gestorben und von den Toten auferstanden. Diese Großtat brachte uns die Befreiung von aller Last der Sünde und des Todes. Ostern, am größten Fest der Christenheit, feiern wir das. Jeden Sonntag ruft es sich die Gemeinde in der Feier des Gottesdienstes ins Bewusstsein. „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“
Jesus Christus ist heimgekehrt zum Vater und hat uns den Heiligen Geist gesandt.

Pfingsten, die Geburtsstunde des Gottesvolkes des Neuen Bundes, der Kirche. In der Kraft dieses Geistes können wir die Gegenwart im Sinne Gottes gestalten, um die Zukunft des Gottesreiches zu gewinnen. Gottes Geist lebt und wirkt in uns. Jesus Christus wird wiederkommen mit Macht und Herrlichkeit, um alles zu vollenden. Das ist die Adventerwartung unserer Tage. Dann wird sich zeigen, Gott wollte nichts anderes als das Heil der Menschen. Das feiern wir im Laufe eines Kirchenjahres, vom 1. Sonntag im Advent bis zum letzten Sonntag im Jahreskreis, dem Christkönigsfest.

Immer wieder begegnen uns im Lauf des Kirchenjahres auch die Gestalten der Heiligen. In ihrem Leben leuchtet für uns eine wichtige Botschaft auf: „Christsein ist möglich, glauben, das geht!“ Christen müssen keine traurigen Frommen werden, sondern dürfen begeistert Glaubende sein. Auf dem Hintergrund des Kirchenjahres erscheint die Botschaft vom 1. Sonntag im Advent.

 

Es wird einen Zusammenbruch geben – und dann?
„Die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.“ Kann das eine Botschaft der Hoffnung sein, am Beginn des Kirchenjahres? Es ist Botschaft der Realität. Die Geschichte dieser Erde wird ein Ende finden in einer großen Erschütterung. Das muss man uns heute nicht mühsam verklickern. Allein das Stichwort „Klimakatastrophe“ lässt uns zusammenzucken. Also: „Genieße das Leben, das Ende wird furchtbar!“

 

Neues wird sich Bahn brechen

„Dann wird der Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit kommen. Er wird die von ihm Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen.“ Nicht Chaos ist das letzte Wort über der Geschichte der Menschheit, sondern Vollendung, Zusammenführung in Frieden für alle. Was ist das Auserwähltsein? Es ist nicht: „Antreten in einer Reihe! Abzählen zu zweit! Eins, zwei! Eins. zwei! Alle Einser vortreten!“ Das sind die Auserwählten. Dann läge die Vollendung des Menschen in den Händen eines Willkürgottes. Nicht in den Händen eines Gottes, der sich wie ein guter Vater um seine Kinder sorgt. Gott spricht jeden Menschen im Laufe seines Lebens an. Er kann ihn hören, ihm begegnen. Sich von ihm ansprechen lassen und danach richten, das ist es. Der Mensch selber wählt aus!

 

Wachsam sein

„Seid also wachsam!“ So mahnt das Evangelium. Das hört sich nach erhobenem Zeigefinger an. Den haben wir zwar nicht gerne, aber manchmal bitter nötig. Wachsam sein, sich vorsehen, das hat etwas zu tun mit „sich umsehen“. Der Mensch kann nicht nur dem „Heute“ leben. Er muss ebenso das „Morgen“ im Blick haben, weil er auch morgen leben will und weit darüber hinaus. Die Weichen in die Zukunft müssen rechtzeitig gestellt werden. Wer eine Weiche erst dann stellt, wenn der Zug der Zeit darüber donnert, der macht die Entgleisung zwangsläufig. Gott hat die Weichen für den Menschen richtig gestellt. Es geht nicht nur um ein Leben auf Zeit, in guten und in schweren Tagen. Es geht um ein Leben in Ewigkeit in der Gemeinschaft mit Gott und allen Menschen guten Willens.

Dazu brauchen wir die Perspektive einer neuen Welt, die Perspektive des Gottesreiches. Das ist etwas anderes als ein Paradies auf Erden, das es ohnehin nie geben wird. Wer das Reich Gottes wahrnehmen will, muss auf Jesus schauen, sich von ihm ansprechen lassen während seiner Lebenszeit auf dieser Erde. Er kann Gott begegnen in den verrücktesten Situationen. Vielleicht gerade dort. Dann wird er die Vollendung seines Lebens erfahren.

 

Die Zeichen der Zeit verstehen

Was sich heute in der Gesellschaft, in der Staatengemeinschaft, in der Kirche und den Religionen der Welt ereignet, sind nicht Zufälligkeiten ohne Ende. Es sind die Zeichen unserer Zeit. Darin lassen sich auch die Zeitzeichen erkennen, die Gott in unseren Tagen setzt. Hier heißt es wachsam sein, hellhörig sein. Wer die Zeichen der Zeit sieht und richtig deutet, der gewinnt die Zukunft. Zeitzeichen weisen auch auf Bedrohungen hin, die eine gute Zukunft verhindern. Wer sie überwinden will, muss unter Umständen neue Wege gehen, andere, als die gewohnten. Das verlangt Mut. Es kann unbequem werden und große Überwindung kosten. Eine gute Zukunft hat ihren Preis! Das gilt gleichermaßen für Staat und Kirche in unserem Lande. Darum ist es entscheidend, dass Leben und Glauben aufeinander zugehen. Eine Gesellschaft wandelt sich. Lebensumstände wandeln sich. Kirche wandelt sich. Leben ist Entwicklung und Bewegung, nicht Stillstand. Darum gilt: „Seid wachsam!“ „Habt Mut zur Zukunft in der Kraft des Glaubens!“

 

Pfr. Klaus Mucha