4. Adventssonntag (B)

Predigtimpuls

Nur noch wenige Tage

1. Lesung: 2 Sam 7,1-5.8b-12.14a.16
2. Lesung: Röm 16,25-27;
Evangelium: Lk 1,26-38

 

Worauf es ankommt

Noch in dieser Woche werden wir Weihnachten feiern. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren und viele fragen sich: Wie können wir das Fest würdig begehen. Wie kann ich Menschen, die mir nahe stehen, glücklich machen? Längst hat auch die Konsumgesellschaft sich dieser Gedanken bemächtigt. Auf attraktive Weise legt sie den Menschen nahe, was sie sich und den anderen schulden, um die Freude und das Vergnügen perfekt zu machen. Dass gerade das Weihnachtsfest ein Opfer des Konsumdenkens zu werden droht, kann überall wahrgenommen werden und stimmt traurig. Das, worauf es wirklich ankommt, das Unverzichtbare, welches das Fest zum Feste macht, wird leider allzu leicht ausgeklammert. Was weist noch auf das Wesentliche? Wo ist der Advent geblieben?

Die Kirche sagt es uns, worauf es ankommt: Ohne den religiösen Inhalt würde sich alles bald in Belanglosigkeit auflösen. Man muss nur an diesem 4. Adventssonntag einmal eine Kirche besuchen und etwas auf die Zeichen und Worte achten, mit welchen die Liturgie die Vorbereitung begleitet. Es kann nicht verborgen bleiben, dass da alles auf einen Höhepunkt hinführt. Das Licht der vier Kerzen am Adventskranz und die Texte des Wortgottesdienstes sprechen eine deutliche Sprache. Es ist unmissverständlich, im Ablauf der Ereignisse spielt Gott die wichtigste Rolle. Er aber ist ganz nah. Und die Botschaft lautet, er wird als Mensch zu uns kommen und uns zu neuer Hoffnung befreien. Was aber ist unsere Aufgabe, wie sind wir daran beteiligt? Sind wir darauf vorbereitet?

 

Mir geschehe nach deinem Wort!

In dieser letzten Phase der Vorbereitung auf Weihnachten wird uns Maria, die Mutter des Herrn, vorgestellt. Was den Propheten nur als Zukunftsvision gegenwärtig war, nimmt durch sie konkrete, geschichtliche Gestalt an. Maria ist bereit. „Siehe ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe, wie du gesagt hast“. Für Gott ist Maria der Ansprechpartner, der für uns alle hört und antwortet. Sie ist hellwach. Als gläubige Jüdin kennt sie die Glaubenstradition ihres Volkes und die Verheißungen der Propheten. Aber was wie ein Schock auf sie wirken musste, war die Erfahrung, dass der Augenblick gekommen ist, wo das alles geschichtliche Wirklichkeit werden wird und dass sie selbst ein Teil des Geschehens sein soll. Erwählung Gottes und freie Zusage des Menschen aber sind Voraussetzung für das Wunder, das geschehen wird. Sie sind unlösbar mit einander verbunden. Es bedarf einer alle Wachheit der Sinne noch übersteigende Wachheit und Reife des Geistes, um auf Gottes Angebot einzugehen. Der Anruf bringt einen Einbruch in die persönliche Lebensgestaltung, eine Neuorientierung. Die Zusage Marias, die Mutter des Messias zu werden, wird zu einem Zeugnis des Glaubens und der Hingabe. Der Text spricht vom Geist, der Maria erfüllen wird und von der Kraft Gottes, die sie begleiten wird. Erst schrittweise wird Maria erfahren, worauf sie sich eingelassen hat und wie sehr sie auf diese Kraft Gottes angewiesen sein wird, um ihrer Berufung treu zu bleiben. Maria hat nie etwas zurückgenommen. Sie ist uns allen zum Vorbild geworden, denn von jedem Menschen erwartet Gott, dass er offen ist für das, was er an Großem in seinem Leben zu tun gedenkt. Aber nichts geschieht ohne des Menschen Zusage.

Auch heute braucht die Welt nichts mehr als den Heiland und Retter. Aber sind wir denn bereit, ihn aufzunehmen. Es gibt kein Weihnachten ohne Advent, und keinen Advent ohne Maria. Die Kirche weiß, warum sie uns in dieser Phase der Vorbereitung Maria als Vorbild und Hilfe anbietet. Was sie an Großem erfahren hat, wird zum Anteil der ganzen Menschheit. Ihre Haltung wird zur Hoffnung für die ganze Welt und weckt grenzenloses Vertrauen in allen, die sich großer Not und Gefahr ausgeliefert sehen und wo Leid und Angst die Grenze des Erträglichen erreicht haben.

 

Rettung aus aussichtsloser Lage

Kaum jemand hat diese Zusammenhänge eindringlicher erlebt als die im Juli aus den Händen der kolumbianischen Rebellen befreite Ingrid Betancourt. Ihr Bild aus dem Dschungel Kolumbiens, wohin sie von den Farc-Rebellen entführt und 6 Jahre festgehalten worden war, war durch die ganze Welt gegangen. Ihre Befreiung wurde zu einem Drama, das in der Geschichte seinesgleichen sucht. Nach der Befreiung dankt Frau Betancourt dem französischen Präsidenten für sein Bemühen um sie. Sie dankt auch dem kolumbianischen Präsidenten für seinen Mut und seine Klugheit, die ihre Rettung möglich machten. Sie dankt ebenfalls allen, die ihr in den Jahren ihrer Not verbunden geblieben sind und trotz der physischen Ferne so nahe gestanden haben. Aber das eigentliche Geheimnis ihrer Befreiung sieht sie ganz anderswo. Es ist die Gottesmutter, der sie voller Überzeugung ihre Rettung und die Wiederherstellung ihrer Würde zuspricht. Bei der Begegnung mit der Presse baumelt am linken Handgelenk von Frau Betancourt ein fahlgrüner Rosenkranz, den sie während ihrer Gefangenschaft im Regenwald aus Stroh und Zweigen gebastelt hatte. Erst in dieser Zeit, so sagt sie, habe sie eine Beziehung zur Gottesmutter gefunden. Sie glaubte an die Nähe der Jungfrau und Gottesmutter Maria, sie nahm über das vertraute Gebet mit Maria teil an der Erlösungstat Jesu. Während der 6 Jahre dauernden Geiselhaft habe sie beten gelernt und darin Beistand in Jesus und Maria erfahren. Im Dschungel habe sie voll Bewunderung für die Mutter Jesu die Hl. Schrift gelesen. Sie finde es „sensationell“, wie Maria zu ihrem Kind Ja gesagt habe, obwohl sie ihr Leben ganz anders geplant hatte. „Maria ist jedes Risiko eingegangen, um diesem Ja treu zu bleiben.“ Ein einfacher aber wesentlicher Glaube, der Trost und Hoffnung, aber auch Weisheit und Kraft schenkt, wo alle anderen Bemühungen versagen. Viele, die Betancourt früher näher gekannt hatten, bezeugten, dass sie sich in den Jahren der Haft gewandelt habe. Sie sei milder, reifer geworden, sie stehe den Dingen abgeklärter gegenüber, sie sei religiöser geworden. Sie scheint einen tieferen Einblick gewonnen zu haben in das, wofür es wert ist, zu leben und zu leiden. – Täglich erinnern wir uns dankbar an das Fiat, das Maria für sich und für uns gesprochen hat. Es soll uns diese letzten Tage auf Weihnachten hin begleiten, um bereit zu sein für die Ankunft des Friedensfürsten, den Gott uns schickt. Wenn die Stimme der Politiker versagt, gilt es auf die Stimme der Propheten zu achten. Diese aber weist zeitlos auf den Emmanuel, den Gott mit uns. Und wer ihr glaubt, wird Weihnachten als einen durch nichts zu überbietenden Tag der Freude und Hoffnung erleben.

 

P. Dr. Anton Weber SVD