Erster Adventssonntag (C)

Predigtimpuls

Neues Leben kann gelingen

1. Lesung: Jer 33,14-16
2. Lesung: 1 Thess 3,12-4,2
Evangelium: Lk 21,25-28.34-36


Kein Weihnachten dieses Jahr – eine seltsame Geschichte. Ich denke, wenn kein Weihnachten, dann brauchen wir auch den Advent nicht. 

„Dieses Jahr gibt es kein Weihnachten“, so waren die Worte einer Mutter an ihre Kinder: „Dieses Jahr gibt es kein Weihnachten, weil die Ernte nicht gut wird“, so wiederholte es Wolfgang, der Jüngste der Familie nach meiner Rückfrage. Als er mit 40 Jahren schwerkrank im Krankenhaus lag, erzählte er traurig, wie diese Botschaft der Mutter auf ihn als Sechsjährigen gewirkt habe. Schon im Mai schien es der Mutter klar zu sein, dass dieses Jahr das Weihnachtsfest wohl ausfallen müsste. 

Die Mutter hatte bestimmt gemeint, dass das Geld für die Weihnachtsgeschenke nicht ausreichen würde. Für ein Kind ist jedoch diese Nachricht bis heute eine große Katastrophe. 

Die Texte vom 1. Adventssonntag sprechen eine andere Sprache und weisen auf das Fest hin. Und sie gehen davon aus, dass der Retter der Welt kommt. Auch gerade jetzt in den Zeiten von Krise und wirtschaftlicher Verunsicherung in unserem Land und in unserer Welt, wo viele Menschen Angst haben vor Arbeitslosigkeit und wirtschaftlichem Abschwung, da bleibt diese Botschaft des Advents hoch aktuell. 

Der Prophet Jeremia kündigt den Retter und Erlöser an, einen neuen Spross, der Gerechtigkeit schafft. Der Text verheißt Neues, Neuanfang, nicht das Ende oder den Untergang, sondern verheißt eine neue Gerechtigkeit, die Sicherheit und ein neues Gefühl von Leben für den Stamm Juda und für die Stadt Jerusalem bringt. Diese verheißene Gerechtigkeit ist eine allumfassende und ganzheitliche. Eine Verheißung auf neues Leben und die Chance auf Bewältigung der Themen der Menschen. 

Jeremia ermutigt mich, an die Gerechtigkeit und an den Erlöser zu glauben und ihn zu erwarten, damit ich die Menschen ermutigen kann und darauf verweisen kann, dass ein Glaube an Gott uns unsere Kräfte entdecken lässt, um unsere Welt zu verändern, um sie erlöster, gerechter und befreiter werden zu lassen. Dazu gehört zunächst meine persönliche Welt und die Welt der anderen. Gott ist treu, und das schafft Zukunft und eine andere Sicht der Gegenwart. Gott ist trotz aller Bedrohung der treue Gott, der zu den Menschen steht und ein wahrhaft gerechter Gott ist. Die Menschen werden ihn mit dem Namen: „Der Herr ist unsere Gerechtigkeit“ betiteln. Unter diesem Vorzeichen und diesen Hoffnungsworten kann neues Leben
wirklich gelingen.  

Das Evangelium ermutigt zum Beten und zum Wachbleiben. Das Wort Gottes möchte den Menschen aufrichten, weil es einen Grund gibt: Der Erlöser naht. Dieses Wachsein ist nötig, weil etwas Entscheidendes in der Weltgeschichte und in der persönlichen Heilsgeschichte der Menschen passiert. Gott selbst will in Jesus uns erlösen, von allem „Zuviel“ an Besorgnis und Angst, damit der Mensch sich nicht vergrämt und versteckt, sich auch nicht dem Rausch der Lebenssucht hingibt mit Trunkenheit und anderen Süchten. Der Erlöser ist die Antwort Gottes auf die tiefste Sehnsucht des Menschen. Gott wird Mensch als wahres Geschenk des Lebens und der Sinndeutung für die Menschen aller Zeit. Dieser Glaube hilft, andere zu ermutigen, ohne sie ständig mit vielen Sorgen zu verunsichern. Er soll Hoffnung wecken. Das Wort Gottes ist Ermutigung auch in schweren Zeiten. D.h. konkret – Mut fassen, sich aufrichten lassen und Neuanfänge wagen; die Einladung Gottes annehmen, neu hoffen, glauben und lieben. Diese Worte sind lebensnotwendig für unser christliches Handeln. So wird die Monotonie eines Dauerjammerns durchbrochen, auch das ständige Runterziehen in den Sumpf. Die Lebensbewältigung auf niedrigem Niveau wird machtvoll verhindert, weil es um eine geniale Aussicht auf Erlösung und Gerechtigkeit geht. 

Wolfgang hätte es damals bestimmt gut getan, wenn seine Mutter ihm gesagt hätte: Wir feiern auf jeden Fall Weihnachten, egal wie die Zeiten sind, und im Advent, da warten wir auf Gott, unseren Erlöser, damit nicht Mutlosigkeit und Unrecht die Oberhand gewinnen in unserer Familie und in unserem Land, sondern der Mut zu Neuanfang und Aufbruch stärker ist als jede Resignation unter den Menschen.


P. Dr. Ludger Müller SVD