Dritter Adventssonntag (C)

Predigtimpuls

Was sollen wir tun?

1. Lesung: Zef 3,14-17
2. Lesung: Phil 4,4-7
Evangelium: Lk 3,10-18


Visionen schaffen Neues 

In diesem Jahr feierte die Welt die erste Mondlandung vor 40 Jahren. Sie wurde möglich durch die Vision und den Willen des damaligen amerikanischen Präsidenten Kennedy, der der Nation ein Ziel setzte, auf das sie mit allem wissenschaftlichen, technischen und politischen Ehrgeiz zuging. Die Vision wurde in weniger als 10 Jahren verwirklicht. Politik braucht Visionen, um erfolgreich zu sein. 

So hat auch die Vision von einem geeinten Europa in der unmittelbaren Nachkriegszeit einen neuen Aufbruch bewirkt. Sie hat einen nie da gewesenen Frieden und Wohlstand für die Völker Europas gebracht. Die Vision von einer sauberen Umwelt und einer Halbierung der weltweiten Armut für die kommenden Jahrzehnte erscheint manchem utopisch. Und dennoch liegen reale Chancen darin, wenn man sie mit Energie und Fleiß angeht. Visionen werden zu Träumen oder Utopien, wenn sie nicht mit dem Mut zum Handeln gepaart sind. 


Der Glaube lebt von einer Vision 

Lebt nicht auch der Glaube von Visionen? Der Advent ist jene Zeit, in der wir gleichsam visionär in die Zukunft schauen dürfen. Aber welche Zukunft meinen wir? 

Wir erwarten das Kommen des Reiches Gottes, und wir wissen, dass dieses Reich ein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens ist. Aber es geht dabei nicht vordergründig um politische oder wirtschaftliche Projekte, sondern um den Frieden, der von Gott kommt und den Menschen innerlich ausfüllt. Christen leben von der Vision, dass eines Tages Gott selbst alles in Christus vereinigt und die Welt von seinem Frieden durchtränkt ist. Aber dieses Reich kommt nicht von selbst. Es braucht Menschen, die es erwarten und sich mit ganzer Energie darauf ausrichten. 

Die Lesungen des heutigen Sonntags sprechen vom Kommenden. Sie durchzieht eine intensive Erwartungshaltung. Darin drückt sich die Überzeugung aus, dass die erfahrene Welt noch nicht fertig ist und sich nach etwas Größerem sehnt. Die erste Lesung hat uns in das 6. vorchristliche Jahrhundert zurückgeführt. Nach dem Niedergang des großen Reiches Israels durch das babylonische Exil erhebt der Prophet Zefanja seine Stimme mit einer Vision vom Neuen, das Gott aus den Trümmern des Alten schaffen kann. Diese Sehnsucht nach dem ganz Neuen zieht sich durch das gesamte Alte Testament und hat immer wieder neue Mobilisierungskräfte geweckt. Sie war wesentlich mit der Erwartung des kommenden Messias verbunden. Nur so konnte dann auch Johannes der Täufer auf breiter Ebene Gehör finden, als er von der baldigen Ankunft dieses Messias sprach. Aber Johannes war kein Utopist, sondern ein Prophet. Der Prophet sieht das Neue heraufziehen, weist aber auch darauf hin, dass es ohne das Tun des Menschen nicht kommen wird. 


Keine Visionen ohne Taten 

Die Frage nach dem Tun muss jede Vision begleiten. Was sollen wir tun? Müssten auch wir heute fragen, wenn wir an die neue Welt denken, die wir ersehnen und die sich am Horizont für uns auftut. Wohin wird die Welt sich noch entwickeln, fragen manche bange. Was wird der technische Fortschritt uns noch bringen? Wie gehen wir mit der wachsenden Menschheit um? Wie werden wir die Rohstoffe verteilen und die Kluft zwischen Arm und Reich schließen können? Wird der Kampf ums Überleben die Menschheit zusammenbringen oder spalten? Fragen über Fragen tun sich auf, wenn wir an die Zukunft denken. 

Im Glauben wissen wir, dass die neue Welt nur eine Welt der Gerechtigkeit und des Friedens sein kann. Die tragenden Pfeiler müssen der Respekt vor der Würde aller Menschen, das Recht auf Leben und die Gleichheit aller Schichten und Rassen vor Gott sein. Aber wie diese neue Welt konkret aussehen wird, wissen wir noch nicht. Und dennoch dürfen wir nicht untätig bleiben. Ohne unser Zutun wird das Neue nicht kommen. Es sind praktische Schritte gefragt, die es vorbereiten. Diese Schritte aber können nur Schritte der Menschlichkeit und Gerechtigkeit sein, wie Gott in Jesus Christus sie uns vorgeben hat. Am Menschenbild entscheidet sich die Ethik des Fortschritts. Als Glaubende wissen wir, dass wir in Christus bereits das Ziel vor Augen haben. Er ist aber auch der Weg dahin. Von ihm her müssen wir uns formen lassen. 


Was sollen wir tun? 

Was sollen wir tun? Johannes der Täufer weist auf ganz praktische Dinge des Alltags: betrügt nicht, übervorteilt niemanden, seid gerecht und lernt zu teilen. Wären das nicht auch ganz praktische Aufrufe für heute? Die Finanz- und Wirtschaftskrise der vergangenen Monate haben uns ja gezeigt, dass Egoismus und Raffgier nur Unglück über alle bringt. Diese Missstände aber sind nicht systemimmanent nach dem Motto ‚da kannst du nichts machen – du bist Opfer des Systems’. Nein, die Missstände kamen aus dem Innern des Menschen, wo Gier, Macht und Rücksichtslosigkeit immer neu geboren werden. In der Vervielfältigung werden sie dann zu mächtigen Wogen der Zerstörung. 

Die Vision von einer neuen Welt muss im Herzen der Menschen beginnen und sich zu konkreten kleinen und wirksamen Schritten entfalten. Da kann jeder mitmachen. Da braucht man keine wissenschaftliche oder technische Sonderbildung, sondern nur die Bildung des Herzens, die uns durch Christus geschenkt wird. 

Es gibt viele Beispiele in der ferneren aber auch jüngeren Geschichte, wo aus den kleinen Schritten von überzeugten Menschen etwas Neues entstanden ist. Als im Frühjahr dieses Jahres der Leiter der Egidio-Gemeinschaft von Rom, Andrea Riccardi, in Aachen den europäischen Karlspreis für sein Lebenswerk erhielt, horchte die Welt auf. Ihr Anfang liegt in den sogenannten 68er Jahren, wo viele junge Menschen Steine des Protestes in die Hand nahmen. Da nahm Riccardi die Bibel in die Hand und dachte mit einer Handvoll Gefährten darüber nach, wie man konkret die Welt verbessern könnte. Daraus ist nach 40 Jahren das große weltweite Sozialwerk St. Egidio entstanden, das heute in über 70 Ländern Tausende von Menschen umfasst. Wie Tausende anderer hatten auch die Gründer eine Vision, wussten aber, dass diese nur durch praktische Arbeit verwirklicht werden kann. 

Aufbrüche dieser Art gibt es immer wieder. Sie sind der eigentliche Motor der Kirche, durch den das Reich Gottes immer tiefer und wirksamer in die menschliche Gesellschaft eindringt. Fragen wir uns also immer selber: Was sollen wir tun? Die Zeit und die Menschen heute werden uns die Antwort geben, wenn wir intensiv darauf hören. Im Licht des Wortes Gottes werden uns dann auch die nötigen Schritte zu wirksamen Taten aufgehen.


P. Martin Neuhauser SVD