Vierter Adventssonntag (C)

Predigtimpuls

Begegnung der dritten Art

1. Lesung: Mich 5,1-4a
2. Lesung: Hebr 10,5-10
Evangelium: Lk 1,39-45


Leben aus der Begegnung 

Nach Martin Buber ist alles wirkliche Leben Begegnung. – Das Du begegnet mir, und der Mensch tritt in die unmittelbare Beziehung zum anderen. So hat Beziehung etwas mit Erwählt-werden und Erwählen, mit Passion und Aktion in einem zu tun.

Der Mensch wird erst durch das Du zum Ich. Das hat wohl auch Maria erfahren, ohne dies groß reflektiert zu haben. Sie macht sich auf den Weg, nimmt die große Mühe auf sich, und begegnet so ihrer Verwandten und dem Kind in ihrem Schoss, Johannes – und erfährt so auch etwas Wesentliches über sich selbst, was durch das in ihr wachsende Kind bestimmt ist. So verändert sich auch ihr Leben, ihre Berufung und ihre Sendung: Mutter des Erlösers zu werden. Was ihr der Engel verheißen hatte, wird an dieser Stelle noch einmal bestätigt, indem der Evangelist die Verwandte Elisabeth zum Sprachrohr der Glaubenden werden lässt. Der Glaube Mariens hat der alten Verheißung Gestalt und Wirklichkeit gegeben. Die Begegnung der beiden Frauen wird somit zum wirkmächtigen Zeichen des von Gott kommenden neuen Lebens, das die einen mit Freude annehmen, andere aber mit aller Gewalt ablehnen werden. 


Gott begegnet dem Menschen im Alltag 

Eigentlich weist jedes neue Leben auf seinen Ursprung, auf Gott hin. Wir Menschen verstehen es allerdings nicht immer, dies so zu sehen und zu deuten. Da müssen schon die „Augen des Herzens“ bemüht werden, um über die äußere Erscheinung hinaus die Wirklichkeit und Präsens Gottes zu erkennen. Aber gerade in dieser Alltäglichkeit will Gott dem Menschen begegnen und ihm sagen, dass er immer bei ihm und für ihn da ist (vgl. Ex 3,14). So wie Mose damals seine Sandalen auszog, weil er heiligen Boden betrat, so drückt Elisabeth das Besondere dieser Begegnung aus, wenn sie sagt: Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt (vgl. Lk 1,43). In der Vorbereitung und Erwartung von Weihnachten gibt mir dies den Impuls, dafür offen zu sein, wo mir Gott in meinem Leben entgegenkommt; wo ich Menschen begegne, die – wie Maria – offen sind für das Handeln Gottes in ihrem Leben. 


Der Mensch auf der Suche nach seinen Wurzeln 

In der Kirche St. Nicolai in Kalkar/Niederrhein findet man in dem „Sieben- Schmerzen-Altar“ eine wunderbare Darstellung der Wurzel Jesse. Der Betrachter kann im Schauen neugierig werden auf seine eigenen Wurzeln, die – ebenso wie die vielfältigen Verästelungen dieser Darstellung – das Geheimnis des Lebens und unserer Herkunft zum Ausdruck bringen. Immer mehr Menschen machen sich heute auf den Weg, um ihren Stammbaum zu erkunden; zu erfahren, woher sie kommen und wie weit sie ihre Verwandtschaft in die Vergangenheit zurückverfolgen können. Dabei erlebt mancher freudige, aber auch nicht so angenehme Überraschungen, wer alles zu seiner Verwandtschaft gehörte. Das gleiche gilt ja auch für den Stammbaum Jesu (vgl. Mt 1,1-17), in dem Heiden und Sünderinnen vorkommen. 


Gott traut uns etwas zu 

Am Beispiel des Johannes des Täufers können wir erkennen, wie Gott seinen eigenen Plan mit dem Menschen hat. Wie er – wider alle menschliche Erfahrung und Hoffnung – dennoch Leben ermöglicht, wo es niemand mehr für möglich gehalten hätte: Elisabeth in ihrem Alter. Und bei Maria: Wie soll dies möglich sein, da ich keinen Mann erkenne? (vgl. Lk 1,34) Die Lösung: der Heilige Geist. Nicht in dem Sinne, wie wir ihn umgangssprachlich oft gebrauchen, wenn wir nicht wissen, wer etwas getan hat oder wie etwas geschehen soll. Der Geist Gottes wirkt hier bei Maria und anderswo als der ursprüngliche Geist, der auch bei der Schöpfung über allem schwebte und die allein Gott eigene Macht entfalten kann zu etwas völlig Neuem.  

Wir erfahren immer wieder in den Nachrichten, dass es zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen Völkern kommt und alle Friedensverhandlungen zu scheitern drohen. Auf der anderen Seite bemühen sich junge Menschen, gerade in diese Krisengebiete zu gehen und sich für Frieden und Verständigung einzusetzen. 

Sie beseelt und motiviert der Glaube und die Hoffnung, sich nicht mit den gegebenen Umständen abzufinden, sondern sich für eine positive Veränderung einzusetzen. Glauben sie an das Wirken des Heiligen Geistes in und durch uns? Geben wir diesem Geist Gottes auch heute noch in unserer Welt und in unserem Leben eine „Chance“? 


Ich sehe keine Möglichkeit, keinen Ausweg 

Wie oft blockieren wir uns selbst und stimmen in den Chor so vieler mit ein: Da ist nichts mehr zu machen; da gibt es keine Hoffnung mehr. Elisabeth hingegen preist den Glauben und das Handeln Mariens, die „geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1,45). Die Heilige Schrift ist voll von Verheißungen: Jesus selbst setzt immer wieder Zeichen, die auf das Reich Gottes hinweisen; er provoziert immer wieder den Glauben der Menschen, damit sie geheilt werden können; er stellt stets kritische Fragen, hinterfragt soziale und religiöse Bräuche nach ihrer Sinnhaftigkeit und Angemessenheit; er eröffnet neue Wege des Miteinanders und der Versöhnung (vgl. Mt 18,22); er sagt klar: Ich und der Vater sind eins (vgl. Joh 10,30), weist also auf die Gegenwart Gottes durch ihn in dieser Welt hin; dafür aber wird er nicht gelobt, sondern ausgegrenzt – da hoben sie Steine auf (vgl. Joh 10,31). 

Für uns Christen können solche Begegnungen auf ein Mehr hinweisen, über das Augenscheinliche hinaus; sie können zu einer Begegnung der „Dritten Art“ werden – und damit auch nicht nur zu Zeichen des Heils werden, sondern selbst Heil bewirken – für uns selbst und für andere. Eine Botschaft, eine Zuversicht, die auch heute noch gehört wird und verkündet werden darf und soll.


P. Heinz Schneider SVD