Aschermittwoch

Predigtimpuls

Im Auf und Ab das rechte Maß finden

1. Lesung: Joel 2,12-18
2. Lesung: 2 Kor 5,20-6,2
Evangelium: Mt 6,1-6.16.18

Es ist schwerlich zu bestreiten, dass unser gesamtes Leben auf einem Wechsel aufgebaut ist, der uns manchmal in die Höhe hebt, der uns dann wieder niederdrückt, und es gibt die Phasen, in denen wir uns so im Mittelmaß befinden. Manche Schwankungen kommen von ganz alleine, andere sind uns vorgegeben, wie die Feste des Kirchenjahres, unsere Geburtstage, unsere Jubiläen. Aber auch der Erfolg eines Kindes in Schule oder Beruf, eine gelungene Partnerschaft sind solche Gründe, uns aus dem Normalen zu erheben. Und wir schnuppern gerne gleich durch bis zum Himmel.

Der heutige Tag sieht das etwas anders. Wir beginnen die österliche Bußzeit als Vorbereitungszeit. Es ist eine ernste Zeit. Viele Zeitgenossen stören sich an Texten, die zu sehr wie Drohungen verstanden werden können. Texte, in denen Gott sich endgültige Antworten nicht abringen lässt. So bei Joel in der ersten Lesung: „Vielleicht kehrt er um, und es reut ihn, und er lässt Segen zurück ... (Joel 2,14a). Im Klartext sagt der Prophet: „Tut alles, was ihr könnt, und hofft dann auf Gottes Barmherzigkeit.“ Viele Menschen hätten das lieber anders: „Was muss ich denn tun, wenn ich mein Heil sicher haben will?“ 

Und da sind wir mitten im Problem: Der Glaube ist nicht der kleinkarierte Weg desjenigen, der alles alleine machen und bestimmen will, sondern die großherzige Hoffnung des Glaubenden, dass dieser Gott derjenige ist, von dem Joel sagt: „Denn er ist gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Güte“ (Joel 2,13b). 

Diese Zusagen – und das steckt in unserer Natur – überlesen oder überhören wir leicht. Es hat vielleicht auch etwas damit zu tun, dass sie im Angesicht der Welt nicht einfach zu glauben sind, nicht damals, zur Zeit des Propheten, und auch heute nicht. Joel sah die Verwüstung des Landes und wollte seine Leute aufrütteln, aber so richtig. Es ging ihm um alles, um wirklich alles, was durch die eindringlichen Bilder deutlich wird, die er benutzt: „Versammelt das Volk, heiligt die Gemeinde ... die Alten, ... die Kinder, ... sogar die Säuglinge, den Bräutigam und die Braut“ - die an ihrer Hochzeit wirklich anderes zu tun hätten - (vgl. Joel 2,16). Nein, alle! – und dieses Detail ist ganz wichtig.

Der Prophet Joel ruft ein Fasten aus und Jesus gibt Anweisungen für ein richtiges Fasten. Und beiden – bei allen Verschiedenheiten – geht es um einen wichtigen Punkt: Das Fasten umgreift das ganze Leben. Es ist nicht etwas Oberflächliches; es ist im Kern keine Übung, die zeitlich begrenzt ist und wieder ad acta gelegt werden kann. Joel sagt: „Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider ...“ Kleider kann man wieder zusammennähen, ersetzen, wenn es sein muss, aber das zerrissene Herz ist ein bleibendes Zeichen für die Zugehörigkeit zu Gott. Und Jesus spricht ausführlicher von dem Gesamt der Umkehr – „nicht zur Schau stellen; Almosen im Verborgenen geben; beten in der Stille und Abgeschiedenheit; sich pflegen und etwaigen Mangel verdecken“ ... und dann eine klare Zusage über das Verhalten des Vaters: „Er wird vergelten“ (Mt 6,18d).

Das biblische Wort, so meinen viele, ist so weit von uns heute entfernt, dass wir es nicht verstehen können; es hat mit unserem Leben nicht wirklich etwas zu tun. Andere gehen damit ganz unbedarft um und deuten es gerade so, wie sie es brauchen, und was sie nicht brauchen, legen sie beiseite. Wieder andere wollen verstehen und stoßen auf Widersprüche, die sie sich nicht erklären können. Zugegeben, es ist schwierig mit unseren technisierten Köpfen diese Bildersprache zu fassen. Wir dürfen nie denken, dass der einmal gesprochene Satz zwingend der einzige zu diesem Thema sein kann. Die biblischen Autoren haben so nicht gedacht. Sie schreiben in ihrer Zeit und gebrauchen Bilder, die wir in unsere Zeit heben müssen.

Ich begann mit dem rechten Maß zwischen dem Auf und Ab des Lebens. Ich habe diesen Gedanken nicht aus den Augen verloren. Mir scheint es sehr wichtig zu sein, dass wir den Anspruch Gottes im Hier und Heute erden. Und das können wir, denn andere schlagen sich mit genau denselben Fragen herum und kommen an kein Ende.

Fastenzeit ist die Gelegenheit, sich zu einer umfassenden Umkehr aufzumachen. da geht es um alle Bereiche des Lebens – geistig, körperlich, spirituell. Ein Neuer, eine Neue sollen werden. So ist der Anspruch und im Bild des „zerrissenen Herzens“ kommt das ganz deutlich zum Ausdruck.

Fasten hat in unserer heutigen Gesellschaft einen unglaublichen und auch sehr paradoxen Stellenwert. Stellen Sie sich einmal im Supermarkt vor ein Zeitschriftenregal und schauen Sie nach den einschlägigen Illustrierten. Für mich verbirgt sich da eine ganz große Frage: Wie man immer und immer wieder, Woche für Woche, Jahr für Jahr denselben Unsinn erzählt, aber große Verkaufsquoten hat und das durchgehend. Und, was wir daraus lernen können? Ganz einfach: Dort geht es um den Körper, die Gesundheit, die Schönheit, manchmal auch um den Geist, aber wirklich nicht um die religiöse Komponente der Erlösung durch den Auferstandenen. Aber glauben Sie mir, der Ernährungswissenschaftler, der Fitness-Trainer ... sie würden den Menschen gerne zuschreien: „Zerreißt euer Herz!“ Denn alles, was zeitlich begrenzt ist, was verbissen betrieben wird, was nach Ostern wieder auf die sinnbildliche Torte schielt, auf das Vorher, das doch so schön, wenn auch fatal, war, all das wird dauerhaft nicht funktionieren. Das wusste Joel, das wusste Jesus und das wissen die heutigen Trainer.

Sollen wir jetzt in ein „ewiges Fasten“ eintreten? Nein, aber eine Kopfwäsche oder Seelenwäsche tut uns manchmal gut. Gehen wir mit ihm in die Wüste, um mit ihm dann auch wieder die Berge des Lebens zu erklimmen. Lassen wir den Gedanken vom „zerrissenen Herzen“ nicht fallen; es ist kein Riss, der tötet; es ist ein Riss, der heilt. Amen. 

P. Fabian Conrad SVD