1. Fastensonntag (A)

Predigtimpuls

Versuchung

1. Lesung: Gen 2,7-9; 3,1-7a
2. Lesung:
Röm 5,12-19 (Kurzfassung: 5,12.17-19)
Evangelium: Mt 4,1-11

Versuchungen gehören zum Leben. Damit meine ich nicht das Stück Schokolade, das uns von unserem Fastenvorsatz abbringt, nichts Süßes zu essen. Ich meine die wirklich bedeutenden Versuchungen. Jesus musste sich mit diesen Versuchungen auseinandersetzen. Nicht nur in der Wüste. Sein ganzes Leben lang. Und sie begleiten auch uns ein ganzes Leben lang - wenn wir Ernst damit machen, in der Nachfolge Jesu zu leben.

Als erste Versuchung wird der Genuss von Brot genannt. Nicht, dass Gott lebensfeindlich wäre. Er gönnt es uns, ausreichend und gut zu essen und auch unsere anderen Bedürfnisse zu befriedigen. Aber – nicht allein davon lebt der Mensch! Das sagt uns Jesus, als er vom Hunger geplagt wird. Denn er weiß: Immer wieder wurden Menschen im Lauf der Geschichte durch „Brot und Spiele“ ruhig gestellt und eingelullt. Gerade die heutige Zeit ist sehr geprägt davon. Alles scheint auf kurzfristigen schnellen Genuss und Gewinn ausgerichtet zu sein. „Ich will alles sofort“ – so lautet die Devise unserer Wohlstandsgesellschaft. Alles und noch mehr wird uns ständig angeboten, zu Schnäppchenpreisen. Wer hat da Zeit zum Innehalten, zum Nachdenken, zum Sich-Betreffen-Lassen vom Los derer, die ausgeschlossen sind aus dieser Wunderwelt der Genüsse? Wenn das Gefühl vor lauter Genießen abstumpft - wer spürt denn die Not von über einer Milliarde Menschen, die an Hunger und Mangelernährung leiden? „Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen“, so singt Maria im Magnifikat. Es täte uns gut, in der Fastenzeit wieder einmal Hunger zu spüren. Echten Hunger. Es wäre heilsam, Bedürftigkeit und Sehnsüchte auszuhalten, ohne sie gleich zu befriedigen. Gott würde uns seine Gaben schenken. Und er würde unsere Sinne neu öffnen für das Wesentliche im Leben.

Die zweite Versuchung ist jene zu glauben, dass alles machbar ist. „Stürz dich hinunter! Die Engel werden dich schon auffangen und auf Händen tragen“, so ermuntert der Teufel Jesus und zitiert dabei auch noch aus der Heiligen Schrift. Diese zweite Versuchung Jesu begegnet uns heute, wenn ohne Rücksicht auf menschliche Werte und ethische Grundsätze alles umgesetzt wird, was technisch machbar ist. „Die Geister, die ich rief, werd ich nicht mehr los!“ Das musste schon Goethes Zauberlehrling leidvoll erfahren. Der Machbarkeitswahn begegnet uns auch, wenn der Planet Erde bedenkenlos weiter ausgebeutet wird, weil sich für alles schon irgendwie eine technische Lösung finden wird. „Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen“ – mit diesen Worten weist Jesus den Versucher in die Schranken. Gott, den Schöpfer des Kosmos und unseres Ökosystems nicht auf die Probe stellen: das müsste heute zur Leitschnur unseres Handelns werden, damit die Menschheit zukunftsfähig ist.

Die dritte Versuchung ist die des Habens. Alle Reiche der Welt zu besitzen scheint ein verlockendes Ziel zu sein. Aber: Wer die ganze Welt beherrschen will, schließt notwendigerweise einen Pakt mit dem Teufel. Der heutige Abschnitt aus dem Matthäusevangelium sagt es deutlich: Dem Teufel gehören die Reiche der Welt, die Herrschaft als Unterwerfung und Ausbeutung der anderen für die eigenen Interessen. Gottes Reich ist ganz anders als die Reiche dieser Welt. Nicht die Unterwerfung der anderen, sondern der Dienst an ihnen ist das Grundgesetz des Reiches Gottes. Mit dem Sklavendienst des Füße-Waschens bringt es Jesus beim letzten Abendmahl auf den Punkt. 

Die Fastenzeit ist eine Einladung, das neu zu entdecken. Auch wenn es unpopulär ist, das zu sagen: Das Dienen gehört zum Wesen des Christentums. Nicht als Aufforderung an andere – vor allem an die Frauen, was leider allzu oft noch Mode in der Kirche ist. Dienen als eigene, persönliche Lebenshaltung und Praxis. Wie anders sähe die Welt und die Kirche aus, wenn Macht zum Dienst an den anderen würde!

Sehr zu denken gibt mir, dass der Versucher in der heutigen Perikope lernt, auch aus der Hl. Schrift zu zitieren. Fromme und rechtgläubige Worte werden leicht missbraucht. Es kommt darauf an, bibelfester als der Versucher zu werden. Und vor allem darauf, das Rechte dann auch zu tun. Die 40 Tage der österlichen Bußzeit sind uns geschenkt, damit wir diese rechte Praxis im Blick auf Jesu Versuchungen in der Wüste einüben. 

P. Franz Helm SVD