3. Fastensonntag (A)

Predigtimpuls

Die Gabe Gottes

1. Lesung: Ex 17,3-7
2. Lesung: Röm 5,1-2.5-8
Evangelium: Joh 4,5-42

Die Gabe Gottes

Die ersten zehn Jahre meines Missionslebens in den 60er Jahren verbrachte ich unter den Ureinwohnern Taiwans in den Bergen. Dort war damals alles noch recht einfach und ursprünglich. Es gab keine Straßen, kein Telefon, keine Elektrizität und vieles andere nicht, die Natur bestimmte den Lebensrhythmus der Menschen. Die Dörfer waren durch enge Bergpfade miteinander verbunden. Zweimal im Monat besuchte ich nach dem Gottesdienst im Dorfe Shanmei das Dorf Lijia (schöne Meile), um auch dort mit den Gläubigen die sonntägliche Eucharistiefeier zu halten. Nach einer kurzen Stärkung machte ich mich auf den Weg, um am Nachmittag dort zu sein. Der Weg führte über Flüsse mit Hängebrücken und abschüssige Bergpfade. Im Sommer war es häufig recht heiß, ein längeren Anstieg machte müde und durstig. Aber gerade dort, wo der Weg am härtesten erschien, bog er plötzlich in eine Waldschneise ein. Man kam an einer lustig sprudelnden Wasserquelle vorbei, von jedweder Umweltverschmutzung gänzlich unberührt. Nichts lag näher, als an der Stelle eine kurze Rast einzulegen und dankbar aus der Quelle den Durst zu löschen. Ein sauberes grünes Blatt diente als Becher. Nie hat mich die Symbolkraft des Wassers als Zeichen für Gottes Gabe tiefer angesprochen als in diesen Augenblicken.

Die Gabe Gottes als Zeichen seiner Gegenwart
„Wenn du die Gabe Gottes kennen würdest und wüsstest, wer es ist, der sie gibt, du hättest ihn längst gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben“, sagt Jesus zu der Frau am Jakobsbrunnen, als diese sich wundert, wie ein Jude eine Frau aus Samaria um Wasser bitten kann. An mehreren Stellen sprechen die Texte des Wortgottesdienstes vom Wasser, um auf den zu weisen, der uns liebt und uns mit dem beschenken will, was uns am Leben erhält. Wasser löscht den Durst und regt die Lebensfunktionen des Organismus an. Ohne Wasserzufuhr ginge der Mensch zu Grunde. Wo es fehlt, wird die Lage bedrohlich. Die Angst bemächtigt sich des Menschen und setzt Aggressionen frei. Diese entlade n sich leicht in Gewaltakten. Die erste Lesung gibt uns ein Beispiel, wozu Not und Gefahr den Mensch treiben können, der ums Überleben ringt und nach Schuldigen sucht. Und was tut Moses in seiner bedrohlichen Lage? Er wendet sich an Gott und sucht Hilfe bei ihm. Die Hilfe kommt, und sie ist sehr konkret. Die Voraussetzung der Rettung aber liegt in dem unverwüstlichen Vertrauen des Moses in Gottes Gegenwart und Führung. Moses ist ein Prophet, der die Gegenwart Gottes spürt und seiner Verheißung Glauben schenkt. Wie die Hilfe kommt, ist im Grunde dann bereits zweitrangig. Das rettende Wasser wird so zur Leben spendenden Gabe Gottes, zu einem Zeichen seiner Gegenwart, Sorge und Liebe.

 

Das Leben des Menschen ist mehr als die Lösung seiner Probleme
Wer aufmerksam die Texte liest, spürt die Botschaft: Das Leben des Menschen ist mehr als die Lösung seiner unmittelbaren Probleme mit seinen Nöten, Gefahren, Ängsten und Konflikten. Gewiss, diese Probleme sind meist sehr konkret, ernst und beunruhigend. Die täglichen Abendnachrichten machen uns zur Genüge vertraut damit, aber auch mit der Hilflosigkeit der Politiker und Wirtschaftsexperten, von denen wir häufig vergeblich eine Lösung unserer Schwierigkeiten erhoffen. Gott aber, als Quelle der Kraft, Orientierung und Hilfe für ein sinnerfülltes Leben, wird nicht wahrgenommen. Er scheint in unserer doch sehr säkularisierten Welt mehr und mehr aus dem persönlichen und kollektiven Bewusstsein unserer Mitbürger verschwunden zu sein. Staat und Gesellschaft mit ihren Gesetzen und demokratischen Einrichtungen werden zuerst für das gesicherte Leben ihrer Bürger verantwortliche gemacht. Von der Kirche mit ihren Skandalen, glaubt man Abstand halten zu müssen. Und Gott, von dem man nur eine vage Vorstellung hat, lässt sich schwer als sekundäre Notlösung in unser Leben einzubauen. Vielleicht müssen wir neu lernen wahrzunehmen, dass das Leben mehr ist als die augenscheinlichen, hautnahen Probleme, sondern dass das Leben selbst schon eine Gabe Gottes ist mit allem, was dazu gehört. Von hier lässt sich eine neue Lebenskultur und eine bessere Lebensqualität aufbauen, die aus der Beziehung zu Gott ihren Wert und ihre Existenz gewinnt.

Neuer Lebensweg aus der Begegnung mit Jesus
Niemand hat so sehr auf diese Dimension der Beziehung des Menschen zu Gott mehr und einprägsamer hingewiesen als Jesus. In genialer Weise führt er auf ein Umdenken hin, ausgehend von dem was der Mensch im unmittelbaren Alltag erlebt, hinführend auf das, was als unsichtbare Kraft, als Sehnsucht und Lebenswert ungenutzt in seinem Innern verborgen liegt, häufig verschüttet durch Misserfolge, fehlerhaftes Handeln oder fehlgeleitete Ambitionen. Warum es nicht mit einer Begegnung mit diesem Jesus versuchen, einer Begegnung, in der Gott gegenwärtig wird und Jesus selbst zur Gabe Gottes wird? Im heutigen Evangelium ist uns ein Beispiel geschenkt für das, was geschieht, wenn ein Mensch Jesus begegnet und sich auf ihn einlässt. Jesus führt den Menschen zum Kern seiner eigenen Persönlichkeit, ohne Gewalt oder Zwang auszuüben, ohne zu verletzen oder zu täuschen und ohne jeden Versuch, ihn zu vereinnahmen. Es werden Kräfte frei, die stärker sind als die Schwächen und Probleme, die den Menschen beunruhigen und hilflos machen. Der samaritanischen Frau tut sich nach dem Gespräch mit Jesus eine ganz neue Perspektive ihres Lebens auf. Sie lässt den Eimer mitsamt ihrer verworrenen Vergangenheit am Brunnenrand zurück und läuft in das Dorf. Sie hat eine Botschaft, aus der sie ein neues Leben beginnen kann. Sie wird zu einer Quelle, die ihr und anderen Menschen eine neue Zukunft schenken kann.

Handeln aus dem Geiste Christi führt zu Christus
Aber wie kommen wir zu einer solchen Begegnung mit Christus? - könnte man fragen. In der vorösterlichen Bußzeit will uns die Kirche konkrete Wege aufzeigen. Die wunderbaren liturgischen Texte weisen direkt auf Christus hin und führen im Maße, in dem sich jemand auf sie einlässt, zu ihm. Die Tradition der Kirche empfiehlt auch eine sehr praktische Übung, welche den Zugang erleichtert. Sie spricht von Fasten, Beten und Almosen geben. Diese Ausdrucksweise mag passé sein, aber der Inhalt ist immer noch gültig, er stützt sich auf die reiche Erfahrung von Menschen, die auf diesem Wege Gott sehr nahe gekommen sind. Man spricht heute eher von Zurückhaltung im Genuss von teuren Konsumartikeln, von einem kontemplativen Verweilen vor Gott, an dessen Gegenwart und Liebe man glaubt und von konkreten Taten der Liebe und Solidarität gegenüber Menschen, die hilflos der Not, der Diskriminierung und der Gewalt ausgeliefert sind. So zu handeln heißt Jesu Botschaft von der Liebe und dem Erbarmen Gottes ernst nehmen und bewusst oder unbewusst für andere Menschen zur Quelle eines sinnvolleren Lebens werden, wo das Vertrauen auf Gott und den Mitmenschen noch eine wesentliche Rolle spielt.

P. Dr. Anton Weber SVD