5. Fastensonntag (A)

Predigtimpuls

Aus dem Tod - hinein in das Leben

1. Lesung: Ez 37, 12b-14
2. Lesung: Röm 8,8-11
Evangelium: Joh 11,1-45

Wer sich bei den heutigen Lesungen, besonders beim Evangelium, in die oft so beliebte Wundergläubigkeit verrennt, wird ganz schnell ausgebremst.
Die Erweckung des Lazarus ist das letzte und größte „Zeichen“ Jesu, von dem uns Johannes berichtet. Man sollte es aber auch als „Zeichen“ mit all seiner „geheimnisvollen“ Kraft und all seinem mystischen Anspruch so stehen lassen. Lazarus wird aus aussichtsloser Situation aus seinem Grab heraus gerufen. Er kommt aus dem vermeintlichen Tod wieder ins Leben. Nicht das Übernatürliche steht hier im Vordergrund; nicht die Gunst eines einzelnen Menschen, an dem Gott Großes vollbringt, sondern der Wille Gottes, dass alle, die im Leben sind, nicht in den „Gräbern“ ihrer Verfangenheiten verkommen.

Der Prophet Ezechiel verheißt dem Volk Israel Ähnliches in ebensolcher Situation: Es ist ein Volk, das praktisch begraben ist, fernab von aller Hoffnung, dass irgend etwas besser werden könnte. Das Volk ist im Exil und ohne Würde. Am schlimmsten zu ertragen ist aber, dass sie sich verlassen fühlen, von Gott verlassen in ihrer „Grabesruhe“.

In allen Kulturen und Religionen dieser Welt setzt man sich mit der Frage des Todes auseinander. Und dabei ist der Blickwinkel entscheidend, den man bei dieser Frage einnimmt. Im alttestamentlichen Denken wird der Tod zunächst einmal ganz unaufgeregt als eine „Teilnahme am universalen Schicksal der Menschheit“ angesehen. Er ist etwas Natürliches, Unausweichliches, sozusagen das voraussehbare Ende, und es ist nicht falsch zu sagen, der Schluss- und Höhepunkt der menschlichen Berufung. Das sehen wir heute so uneingeschränkt sicher nicht und es überwiegt bei uns immer häufiger der Wunsch, diese endliche und letztlich unergründliche Tatsache unseres Lebens mit all den dazu gehörigen Fragen an den Rand zu drängen. In unserer Wahrnehmung ist es das traurige Ende eines Lebens - wenn auch erwartet und oft nach langer Krankheit als Erlösung empfunden. Schon gar nicht kommen wir auf die Idee, den Tod als Höhepunkt unserer Existenz zu verstehen. Von den Großen der alttestamentlichen Geschichte wissen wir, dass gerade ihre Abschiedsreden als Sterbende im Lichte der Exilserfahrung (Mose, Josua, David, Samuel) besondere Bedeutung und Autorität gewannen. Die biblischen Autoren legten viel größeren Wert auf die Worte der Sterbenden als auf die Begleitumstände des Todes.

Was sagt uns das? Auch im Angesicht des Todes der großen Väter ging es um das Leben; in diesem Fall um das Leben der Nachfahren. Sie sollten aus dem Beispiel heraus leben und Gott nahe sein, ihre Mission, ihre Berufung in der Welt erfüllen. Denn – und das ist ein sehr wichtiger Aspekt – Leben heißt, sich in der Nähe Gottes zu befinden, heißt mit ihm in Verbindung zu stehen, mit ihm in Kontakt zu sein. Deshalb hatte der Tod als solcher nicht wirklich Bedeutung, da er als Gottferne verstanden wurde, als die Unmöglichkeit, mit ihm in Kontakt zu treten. Die Bedeutung des Todes liegt im Zeugnis und im Beispiel der Sterbenden, die jetzt am Ende ihrer Erfahrung stehen, für die Lebenden. Von diesem Verständnis her wird auch das mächtige Abschiedswort Jesu „es ist vollbracht“ (Joh 19,30) mit unübertroffenem Sinn erfüllt; es wird zur lapidar komprimierten Formel der wahren Frohbotschaft: Der Schrei aus der absoluten Gottverlassenheit proklamiert die Ankunft des Heils für alle Menschen. Aus dem Tod – hinein in das Leben.
Lazarus wurde aus all den Gräbern gerufen, die uns Menschen gefangen halten – aus Unfreiheit und Neid, aus Habgier und Sucht, aus Befangenheit und Lieblosigkeit. Er musste zurück in Gottes Nähe, zurück in einen Zustand, der ihn wieder mit Leben erfüllte. Den leiblichen Tod hat Lazarus dann später wirklich erlitten, als es Zeit war.

Die Zeichen, die Jesus setzte, waren immer und überall Zeichen des Lebens und der Gottverbundenheit. Er war kein Magier, der die natürlichen Gesetze außer Kraft setzte, um sie dann später wieder sich selbst zu überlassen. Seine Zeichen deuten auf ihn hin, auf seinen Tod und seine Auferstehung, auf seinen Schrei am Kreuz und seine mächtigen Worte als Sterbender, der damit endlich alle aus ihren Gräbern heraus ruft und befreit.

P. Fabian Conrad SVD