Verkündigung des Herrn

Predigtimpuls

Verkündigung in der Kunst

1. Lesung: Jes 7,10-14
2. Lesung: Hebr 10,4-10
Evangelium: Lk 1,26-38

Die Szene unseres Evangeliums ist in der Kunst in vielfältiger Weise dargestellt, ob gemalt oder in Skulpturen aus den verschiedensten Materialien. Sie zeigen Gabriel und Maria. Maria hat gebetet oder in der Schrift gelesen. Ein Buch liegt aufgeschlagen auf dem Knieschemel. In der Tradition wird u.a. erwähnt der Psalter mit Ps 85; hier geht es vor allem um Vers 9: “Ich will hören, was Gott redet: Frieden verkündet der Herr seinem Volk und seinen Frommen, den Menschen mit redlichem Herzen“. Zuweilen ist auch das Buch Jesaja gemeint, Kapitel 7, Vers 4 (vgl. Mt 1,23): „Seht, die Jungfrau wird empfangen ...“. Jetzt wendet sie sich dem Engel zu, der ihr die göttliche Botschaft ausrichtet.

Gabriel trägt zuweilen in seiner Hand eine Lilie. Sie gilt als Lichtsymbol, als Symbol für Reinheit, Unschuld und Jungfräulichkeit und als Zeichen der Hingabe an Gott. Es gibt auch eine etwas andere Darstellung: Zwischen Gabriel und Maria steht ein Palmbaum. Er ist ein Symbol der Freude und des Friedens, des ewigen Lebens und der Auferstehung. Er weist auf eine Legende der Ostkirche hin. Maria soll kurz vor ihrem Tod den Palmzweig, den sie damals von Gabriel erhalten hatte, dem Lieblingsjünger des Herrn weitergegeben haben. Übrigens findet sich im Koran, Sure 19, ebenfalls die Palme in der Schilderung der Verkündigung an Maria.

Mariens Ja
Maria hört die Botschaft, die ihr der Engel im Auftrag Gottes überbringt. „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir.“ Sie ist überrascht, erschrickt und überlegt, was dieser Gruß wohl zu bedeuten habe, was der Engel ihr sagen will. Die Worte, die der Engel dann sagt, sind wie Textilien, in denen feine Fäden weit gespannt sind und sich im Gewebe verlaufen. Lukas hat aus den schönsten Fäden unsere Textstelle gewoben. Der Engel Gabriel lässt zurückdenken an die Verkündigung der Johannesgeburt an Zacharias, und die frohe Botschaft nach der Geburt vorausahnen. Es wird erinnert an das Haus David und die Gefährdung des Königshauses. Vor allem aber an Gottes Verheißung. Dem aufmerksamen Leser oder Hörer fällt Gottes Nähe ein, bezeugt von dem Kind der Jungfrau, der jungen prophetischen Frau mit ihrem Lobgesang, dem Magnifikat. Da sind die junge Maria und die alte Elisabet eng verknüpft mit den Müttern Israels, Sara, Rebekka, Lea und Rachel. Keine hat ohne weiteres ein Kind gehabt, stets haben sie Gottes Wort an sich erfahren, um gesegneten Leibes zu sein. Und Gottes Geist – schöpferisch wirkt er und segensreich, Leben schaffend, wie zum Beginn der Schöpfung, als er zunächst über den Wassern der Tiefe schwebt, um am Ende Fülle und Überfluss an Leben den Menschen zu überlassen.
In solch großen Zusammenhängen wird Maria zur Magd Gottes, die ihr Ja sagt. Sie wird zur Berufenen, wie es auch die Gottesknechte waren. Ein Dienst mit Haut und Haaren, mit Herz und Schoß, Verstand und Liebe, voller Schmerz und voller Leiden. Doch: „Fürchte dich nicht, Maria, du hast bei Gott Gnade gefunden“. Sie steht zu ihrem Ja und zweifelt nicht an der Treue Gottes.

Maria ist sicher ein Vorbild für uns, dass wir die Verwobenheit der Fäden unseres Lebens ahnen, z.T. erkennen und voll Dankbarkeit wahrnehmen.

Bleibende Botschaft
„Danach verließ sie der Engel.“ Der Satz ist als Abschluss der Geschichte ein wenig eigentümlich, etwas melancholisch. Der Engel ist gegangen, war es das nun? Nein, der Bote ist gegangen, aber die Botschaft bleibt. Maria ist mit dem Wort des Lebens beschenkt worden. Das Wort ist nicht äußerlich, es ist innerlich. Es wird Fleisch in ihr. Inniger kann man sich die Botschaft vom Leben gar nicht vorstellen. „Und wir haben seine Herrlichkeit gesehen …“ (Joh 1,14).

Uns ist kein Engel erschienen, aber die Botschaft hat auch uns getroffen. Sie muss in uns ebenfalls Gestalt annehmen.

Maria ist ein von Gott geschenkter Garant dieses Neuanfanges, der symbolisch mit jeder Taufe neu gefeiert und erinnert wird. Wenn ein Mensch die Taufe empfängt, wird er gleichsam neu geboren, um nicht mit der Schuldenlast der Verwandtschaft ins Leben eingehen zu müssen. Dies ist ein psychologisch ungemein heilender Vorgang und ein Geschenk für unsere Gesellschaft.

Mit unserem Festtag feiern wir nicht gemachtes, nicht durch Leistung erworbenes, sondern geschenktes Leben. Maria wird so zum Sinnbild der befreiten Schöpfung und der erlösten Welt.

P. Dr. Winfried Glade SVD