Hl. Johannes Maria Vianney (G)

Predigtimpuls

Macht der Gnade – Macht der Hingabe

Lesung: Ez 3,16-21
Evangelium: Mt 9,35-10,1

 

Macht der Gnade – Macht der Hingabe

Ein Heiliger ist nicht unbedingt das Idealbild eines rundum perfekten Menschen. Ein Heiliger kann auch selbst fromme Menschen irritieren, und er kann Ecken und Kanten und Lücken haben. An denen machen sich dann Kritiker mit Vorliebe fest, um ihre eigene Überlegenheit herauszustellen.

Eine „Lücke“ des Johannes Maria Vianney, des heiligen Pfarrers von Ars war seine geringe theologische Bildung. In diesem Punkt empfiehlt er sich gewiss nicht als Vorbild für die Pfarrer, denen er als Patron gegeben wurde. Unter dieser Lücke litt er selbst ein Leben lang. Verwunderlich ist sie nicht, denn in der unruhigen Zeit der Französischen Revolution hatte er erst spät die Möglichkeit, ein wenig zu lernen, bevor er ins Seminar ging. Dort wurden die Vorlesungen auf Latein gehalten, das er kaum verstand, es zu beherrschen, davon kann keine Rede sein.

Wer im heutigen Berufsleben bestehen und wer die Welt mit gestalten will, braucht viel Wissen und muss sein Wissen ständig erweitern. Aber sind wir nicht manchmal in Gefahr, Wissen als das allein Wichtige anzusehen? Brauchen wir im menschlichen Miteinander und auf vielen anderen Gebieten nicht beispielsweise auch andere Qualitäten wie Mitgefühl, Solidarität, Verantwortungsbewusstsein, Einsatzbereitschaft, Mut, Hingabe usw.? Auch bei uns Christen gibt es die Gefahr zu meinen, eine Menge Glaubenswissen bedeute schon einen starken Glauben und wer sich in der Glaubenslehre auskennt, lebe damit schon den Glauben.

Als „Kante“ des Heiligen empfinden wir seine harte Askese. Eine Zeit, die sich der Wellness verschrieben hat und sich höchstens für eine Karriere krummlegt, kann mit einer Askese nichts anfangen, mit der ein Pfarrer von Ars sein Beten um die Erneuerung seiner Pfarrei im Geiste Christi und sein Bemühen, Menschen mit dem Glauben zu erreichen, unterstützte. Johannes Vianney war, wenn man so sagen kann, ausschließlich Priester, hundertprozentig Seelsorger. Er fragte nicht nach einem freien Tag oder einer freien Stunde, sorgte sich nicht, ob er bei allem Einsatz für andere selbst nicht zu kurz käme. Er stellte all seine Zeit und all seine Kräfte, sich selber ganz in den Dienst des guten Hirten, um Menschen zu Gott zurückzuführen. Zu diesem Einsatz gehörten Gebet und andauerndes, strenges Fasten, Selbstgeißelung und Nachtwachen und stundenlanges Beichte hören. Über christliche Liebe kann man immer wieder mit Begeisterung reden, der Pfarrer von Ars hat sie Tag für Tag gelebt in einer Selbsthingabe, die für ihn selbstverständlich war.

Mögen auch viele heute wie damals über den einfältigen Pfarrer die Nase rümpfen, seine „Methode“ hatte Erfolg, wohl mehr als alle unsere – notwendigen – Pastoralpläne: Er führte nicht nur die Menschen seiner Pfarrei, sondern Tausende andere zurück zu Gott. Johannes Maria Vianney demonstriert uns die Macht der Gnade – und der Hingabe. Vielleicht sollten wir auch mehr auf diese Macht setzen, nicht nur die Seelsorger.

 

P. Lothar Janek SVD