Benedikt von Nursia (F)

Predigtimpuls

Der Hl. Benedikt – damals und heute

Lesung: Spr 2,1-9
Evangelium: Mt 19,27-29

 

Benedikt ist einer der Heiligen, der mit Recht auch heute noch Einfluss hat. Man ehrt ihn mit Ehrentiteln wie ’Vater des westlichen Monastizismus’, ‚Vater des Abendlandes’, ’Friedensstifter’, ’zivilisationsbringend’, ‚kulturgestaltend’ sowie ’Patron Europas’. Papst Benedikt XVI machte ihn zum Patron seines Pontifikates.

 

Die einzige erhaltene Quelle für das Leben des hl. Benedikt von Nursia und das erste Zeugnis für dessen Mönchsregel ist das 2. Buch der "Dialoge" von Papst Gregor d.Gr. (+ 604), einem Benediktiner. Er schrieb aber kein Buch mit historisch genau beschriebenen Fakten und exakten Daten, vielmehr zeichnete er in verschiedenen Geschichten ein Bild von Benedikt, die heute noch zu uns sprechen und vielleicht viel mehr aussagen, als es historische Daten tun könnten.

 

Was war Benedikt nun für ein Mensch, der solche Spuren hinterlassen hat, nach dessen Regel Menschen über Jahrhunderte hinweg versuchen, ihr Leben zu gestalten? Was war das für ein Mensch, der die Kultur des Abendlandes so nachhaltig beeinflussen konnte?

 

Benedikt wurde um 480 n.Chr. bei Nursia (heute Norcia) in Umbrien geboren. Die Familie gehörte zum Landadel. Die Gegend um Nursia wurde von Mönchen evangelisiert. So ist Benedikt schon in seiner Jugend mit dem Mönchtum in Verbindung gekommen.

 

Als junger Mann, gerade erst 15 Jahre alt, wurde er zum Studium nach Rom geschickt. Rom hatte damals seine Bedeutung als Hauptstadt des Reiches verloren und war von den Westgoten ausgeplündert worden. Der moralische Niedergang der Stadt war Benedikt zutiefst zuwider. Selbst kirchlich gab es Streitereien und Zwistigkeiten über eine Papstwahl. Er brach das Studium ab, "verließ die Welt" und zog sich in die Einsamkeit von Effide nordöstlich von Rom zurück.

 

Dort schloss er sich zunächst einer Asketengemeinschaft an. Doch schon nach kurzer Zeit entfloh er dieser Gemeinschaft wieder und verbarg sich 3 Jahre lang in einer Höhle bei Subiaco. Hier durchlebte er die Erfahrungen eines Asketen: Fasten, Abtötung, Gebet, Anfechtungen durch Dämonen. Es war für ihn eine Zeit der Prüfung, der Reifung und der Überwindung tiefster Versuchungen des Menschseins. Unter der geistlichen Begleitung des Mönchs Romanus meditierte er die Hl. Schrift und versuchte, sein Leben von ihr durchdringen zu lassen. Nach all den Kämpfen fand er zu Frieden und Einklang mit sich selbst und war nun seinerseits fähig, andere geistig-spirituell zu begleiten.

 

Bald fanden Menschen den Weg zu ihm, zunächst Hirten aus der Umgebung. Sie wollten sich von ihm die Botschaft Christi verkünden lassen. Ein nahegelegenes Kloster in Vicovaro hörte von seinem Ruf und man wählte ihn zum Vorsteher. Doch offensichtlich war Benedikt für diese Mönche zu streng. Schließlich wollten sie ihn vergiften, um ihn loszuwerden und um ihr religiös verbrämtes, bürgerliches Leben weiter leben zu können. Benedikt verließ das Kloster und zog sich erneut in seine geliebte Einsamkeit zurück. Doch konnte er diese Einsamkeit nicht lange genießen. Die Leute suchten ihn und baten um spirituelle Führung. Benedikt gründete daraufhin das erste Kloster. Nach welcher Regel lebte man hier? Es gibt verschiedene Vermutungen. Sicher aber war die erste Regel die Hl. Schrift. Benedikt half durch seine Weisungen, sein persönliches Wort und Leben.

 

Auch Benedikt selbst machte im Tal des Anio eine Wende durch. Wenn zunächst das Erlangen des eigenen Heils im Vordergrund gestanden haben mochte, so ging es nun vorrangig um Gemeinschaft, Gemeinschaft in Christus. Wenn er in der ersten Etappe dem Kampf gegen die Anfechtungen des Bösen Gewicht eingeräumt hatte, so zeigte er sich jetzt in seinen Weisungen als ein Mann, der weder Körper noch Welt abwertete und die Askese im Streben nach der Liebe einordnete. Während er sich vorher radikal von der Welt abgewandt hatte, begann er hier, die neue Hinwendung zur Welt und die Öffnung auf ihre Nöte. Es gelang ihm, wichtige Werte des Einsiedlertums mit der pastoralen Ausrichtung zu verbinden. Er betonte den Wert des Schweigens, der Demut, des inneren Gebetes, Meditation bis hin zur Kontemplation, sah den Wert jeder einzelnen Person vor Gott, wusste um die Bedeutung der geistlichen Führung und schätzte realistisch das Böse im Menschen außerhalb seiner ein.

 

Benedikts Durchbruch zu einem Menschen, der ganz bei sich und mit sich in Einklang war, blieb nicht ohne Wirkung. Mehr und mehr Schüler sammelten sich um ihn. Es entstanden mehr Klöster, die in eine Art Klosterverband zusammengefasst wurden. Jedem gab er einen Abt als Vorsteher. Die Mönchskolonie blühte auf. Römische Edelleute brachten Benedikt ihre Söhne zur Erziehung, was den Neid eines benachbarten Priesters erregte. Um dessen Belästigungen auszuweichen, zog Benedikt nach Monte Cassino.
Die Tradition nennt das Jahr 529 als das Gründungsjahr von Monte Cassino. In diesem Jahr schloss in Athen die heidnische Philosophenschule ihre Tore, in Rom dagegen entstand eine neue Schule, eine Schule des Herrn. Monte Cassino war weltoffen. Die Abgelegenheit bot zwar genügend Schutz für das Kloster, lag aber doch nahe genug an der Verkehrsstraße und man hatte so Kontakt mit den verschiedenen politischen, kulturellen und religiösen Strömungen der Zeit.

 

Auf dem Berg bei Cassino baute Benedikt eine neue Mönchsgemeinschaft auf und schrieb für sie eine Regel. Diese Regel ist das Kostbarste, das uns Benedikt hinterlassen hat. Aus ihr geht hervor, wer er im tiefsten Innern war und wie er selbst gelebt hat: ein welt- und gottorientierter, ausgeglichener Mensch. Die Weisheit, die aus der Regel spricht, lässt auf die Erfahrungen schließen, welche Benedikt in seinem Leben gemacht hatte, eine Kindheit in einer heilen Familie, die Sittenlosigkeit in Rom, die Einsamkeit in Subiaco, die vagabundierenden Mönche und schließlich die familiäre Gemeinschaft mit gleichgesinnten Mitbrüdern. Im Ringen um innere Lauterkeit hat er die Macht der Gnade erfahren, die zu heilen verstand. So wurde er zu einem weisen Arzt, der mit den Menschen umzugehen verstand, der sie nicht durch zu hohe Forderungen abschreckte, sondern sie in ihrer Schwäche annahm und so zu heilen vermochte. Er vertraute auf den guten Kern im Menschen und leitete die Mönche nicht durch Strenge, sondern mit Vertrauen, Güte und brüderlicher Liebe.

 

In seiner ‚Regel’ legt er die Grundrichtung des Mönchstum dar: Leben als ’eine Schule für den Dienst des Herrn´. Darin verlangte er von seinen Mönchen, dass dem Gottesdienst nichts vorgezogen werden darf. Er hob jedoch auch hervor, dass das Gebet in erster Linie ein Akt des Hörens ist, der dann in konkretes Handeln umgesetzt werden muss. ’Nach all diesen Worten erwartet der Herr, dass wir jeden Tag auf seine göttlichen Mahnungen mit unserem Tun antworten. So wird das Leben des Mönchs zu einer fruchtbaren Einheit zwischen Aktion und Kontemplation, bete und arbeite, damit in allem Gott verherrlicht werde.’

 

Durch sein Wort und Beispiel wurde Benedikt ein ’leuchtender Stern’ für die Mönche, ja für alle Menschen, besonders seiner Zeit, wie Papst Benedikt XVI. darlegt: An der Wende vom 5. zum 6. Jahrhundert wurde die Welt von einer schrecklichen Krise der Werte und Institutionen erschüttert, verursacht durch den Zusammenbruch des Römischen Reiches, das Eindringen der neuen Völker und dem Verfall der Sitten. Gab es einen Ausweg? In der Tat erwiesen sich das Werk des Heiligen und in besonderer Weise seine ’Regel’ als echter geistiger Sauerteig, der das Antlitz Roms und Europas veränderte. Benedikt brachte eine neue geistliche und kulturelle Einheit hervor, die Einheit des christlichen Glaubens, das christliche Abendland.

 

Benedikts Regel hat auf Grund ihrer Ausgewogenheit, ihrer Menschlichkeit und ihrer nüchternen Unterscheidungen ihre leuchtende Kraft bis heute bewahren können. Paul VI., der den heiligen Benedikt am 24. Oktober 1964 zum Patron Europas erklärte, wollte damit das wunderbare Werk anerkennen, das der Heilige mit seinem Gefolge durch die ’Regel’ für die Bildung der europäischen Zivilisation und Kultur vollbracht hat.
Heute, in der Zeit einer ’neuen Völkerwanderung’ und der Begegnung verschiedener Kulturen, ist Europa wieder auf der Suche nach Einheit, Integration und der eigenen Identität. Um eine neue und dauerhafte Einheit zu schaffen, sind die politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Instrumente sicherlich von Bedeutung, doch es ist auch notwendig, eine ethische und spirituelle Erneuerung herbeizuführen, die aus den christlichen Wurzeln des Kontinents schöpft – anders kann Europa nicht wieder aufgebaut werden. Auf der Suche nach dem wahren Fortschritt und Frieden können auch wir heute die ’Regel’ des heiligen Benedikt wie einen Stern auf unserem Weg betrachten. Der große Ordensmann bleibt ein wahrer Lehrmeister.

 

 

Quellen: Papst Gregor der Große mit seinem ’Dialog II’, Abtprimas P. Notker Wolf OSB, P. Anselm Grün OSB, Papst Benedikt XVI.

 

Erzbischof. em. Michael Meier SVD, Papua Neuguinea