Hl. Franziskus von Assisi (G)

Predigtimpuls

Ein Besuch in Assisi

Lesung: Gal 6,14-18
Evangelium: Mt 11,25-30

 

Ich suche dich, Franziskus, der du mir seit Jahren schon ein vertrauter Heiliger bist. Ich suche dich in deiner Stadt - und finde dich nicht. Ich suche dich in deinem Vaterhaus, wo du geboren bist, sehe die Statue deiner stolzen Eltern, erschaudere vor dem kleinen Verlies, in dem du eingesperrt warst, betrachte das Tonrelief im unteren Gebetsraum - und finde dich nicht. Ich suche dich in San Damiano, spüre die Hitze, die du auch ertragen hast, erfrische mich am Brunnen, besuche die Räume, in denen du mit deinen Brüdern und Schwestern gebetet hast, erhole mich im Olivenhain – und finde dich nicht. Ich suche dich in San Francesco, werde verschlungen von einen Strom von Pilgern und Touristen, betrachte die Bilder über dein Leben, höre die hilflosen „Silenzio“-Mahnungen der Ordner, fliehe von der oberen in die noch umtriebigere untere Basilika, gelange endlich in der Tiefe zu deinem Grab. Hier bleibe ich, versuche ins Gebet zu kommen, deine Nähe zu erspüren. Meine Augen werden immer wieder weggezogen von der „Laufkundschaft“, von Ordnern, die Kerzen umhertragen, von Messbestellern. Und ich finde dich nicht.

Je länger ich in deiner Stadt weile, desto mehr drängt mich der Trubel der Massen von dir weg. Der bunte „Glitzerfranziskus“ auf einem disneywürdig gestalteten Kreuz im Laden hat nichts mit dem Heiligen zu tun, den ich kenne: Franziskus, wie er sich radikal der Armut und Einfachheit, dem Kleinsein zugewandt hat. Ich lasse die Stadt mit allem Lärm und aller Unruhe hinter mir und sage: endlich! Ich steige hinab in die Ebene. Ich suche dich in der Portiuncula, in der Behütetheit der kleinen Kirche im Mutterschoß der großen, in der Andächtigkeit der Betenden, an dem Ort, an dem du dein Leben aushauchtest – und finde dich nicht.

 

Überraschende Begegnung mit Franz und Klara

Ich bin leer, erschöpft, enttäuscht. Wo bist du? Wieso entziehst du dich mir? Wo kann ich dich finden? In der Mittagshitze mache ich Rast, setze mich in das bisschen Schatten auf den Rasen neben eine Bronzeplastik von Franz und Klara. Ich schaue mir die beiden an, wie sie der Künstler in angeregtem Austausch einander gegenüber gesetzt hat. Bald werde ich in ihr Gespräch hineingenommen: „Sei uns willkommen!“, so höre ich. „Danke!“, gebe ich überrascht und still zur Antwort. Und ich lausche, was die beiden mir erzählen. Deutliche Worte vernehme ich nicht, aber eine Atmosphäre. Eine Atmosphäre der Nähe und geschwisterlicher Verbundenheit, die ich an den historischen Orten suchte und doch nicht fand. Hier überrascht sie mich, wo ich gar nicht damit rechnete. Ich fühle mich angenommen, lasse mich nähren und werde innerlich gestärkt. Lange sitze ich dort im Dreieck mit den beiden. Dort habe ich nicht nur ihn gefunden, sondern sie beide: Franziskus und Klara.

Eine Erfahrung, die mir etwas sagen will. Wo bist du zu finden, Franziskus? Und für das Folgende könnte ich auch die Frage stellen: Wo bist du zu finden, Jesus? Nicht in den herrlichen Palästen und Basiliken, die man dir erbaut hat. Nicht an den Stätten, die greifbar die Erinnerung an deine Lebensstationen bewahren. Nicht im Trubel des großen Pilger- und Touristenstromes. Nicht in der von Aufsehern angemahnten Ordnung. Nicht in der unendlichen Kette der Läden, die dein Bild in allen Variationen zeigen und käuflich machen.

Du zeigst dich mir, wenn ich in Erschöpfung und Enttäuschung nicht mehr weiter weiß. Du lädst mich in deine Nähe ein, wo ich mich fern von dir glaube. Du lässt mich teilhaben an deinem Gespräch, würdigst mich, dein Weggenosse zu werden. Du zeigst dich mir nicht zwischen fein gearbeiteten Marmorsäulen, sondern während ich auf der Erde sitze. Du zeigst dich mir nicht in den mit Blattgold beladenen Kirchen, sondern unter brennender Sonne im Freien.

 

Assisi ist überall

Wenn das so ist, so sage ich mir, dann bist du überall mit mir, wo ich mich mit dir geistig verbinde. Dann bist du mir hier in Assisi nicht näher als dort, wo ich lebe und arbeite. Dann lädst du mich überall ein, dein Mitwanderer zu sein, auf welchem Weg ich auch gerade bin. Dann werden meine Wege zu Wegen mit dir.

Es begeistert mich an Franziskus, wie er sich brüderlich und mit großem Liebesvorschuss allen Menschen und Kreaturen zugewandt hat, in denen er nicht irgendein Gegenüber oder bloße Objekte sah, sondern ihm verwandte, geliebte Geschwister. Es hatte eines intensiven inneren Ringens bedurft, bis er seine persönlichen Vorlieben und Abneigungen überwinden und sich ganz von der Liebe Jesu führen und füllen lassen konnte. Als er den Aussätzigen küsste, von dem er sich bisher lieber ferngehalten hatte, da wurde er zum Bruder aller Geschöpfe. In der Annahme des Unannehmbaren hat er Frieden geschlossen mit allem Ungenügen und wurde zum Werkzeug des Friedens für den liebenden Gott, der sich aller Kreaturen erbarmt.

Nächstenliebe ist in dieser Perspektive mehr als eine moralische Verpflichtung für ein gutes Miteinander, sie ist die Erfahrung und die Pflege der Verbundenheit unter den Geschöpfen, weil wir alle aus einer Quelle hervorgehen. Umweltschutz ist auf diesem Hintergrund weit mehr als der sinnvolle Einsatz für den Erhalt der uns umgebenden und ernährenden Natur, er ist Verwandtschaftspflege für „Schwester“ Wasser, für „Bruder“ Wind, für „Schwester“ Erde und alle anderen Elemente.

Und wie es der „Zufall“ will, höre ich in einem Lied diese Zeile: „Wie oft bist du zu heiligen Stätten gepilgert? - Doch wann bist du jemals in deinen eigenen Tempel eingetreten?“

 

P. Thomas Heck SVD