2. Sonntag der Osterzeit (A)

Predigtimpuls

Tag der Arbeit - Friede

1. Lesung: Apg 2,42-47
2. Lesung: 1 Petr 1,3-9
Evangelium: Joh 20,19-31

Was mir bei diesem Evangelium auffällt ist, dass Jesus dreimal sagt und offensichtlich auch sagen muss: „Der Friede sei mit euch!“ Und wenn es dann heißt: „da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen“, dann klingt das für mich sehr verhalten. Es macht mir den Eindruck, als ob das mit der befreiten Freude über die Auferstehung noch nicht viel zu tun hat.
Wir bekommen ja auch den dunklen Hintergrund geschildert, auf dem sich diese Begegnung Jesu mit den Jüngern ereignet. Sie haben Angst, Angst vor den eigenen Landsleuten. Warum? Weil sich jeder, der sich zu dem verurteilten und öffentlich hingerichteten Jesus bekennt, selbst in Gefahr begibt. Weil sie Angst haben, als Sympathisanten entlarvt und genauso umgebracht zu werden, verstecken sich die Anhänger Jesu also und treffen Sicherheitsvorkehrungen: die Türen, die sonst offen bleiben, werden jetzt verschlossen und verrammelt. Man muss sich mit einem vereinbarten Klopfzeichen ausweisen, um eingelassen zu werden. Andernfalls bleibt das Tor zu.

Mitten in die Angst, dass die Nachbarn etwas mitbekommen, dass Leute das Zusammenlaufen mehrerer Menschen verdächtig finden könnten, mitten da hinein stellt sich Jesus und wünscht den Verängstigten, dass sie Frieden finden.

Schon das griechische Wort „eiränä“, das im Neuen Testament steht, meint sehr viel mehr als Frieden. Es hat die weitere Bedeutung von: Wohlbefinden, Heil und Sicherheit. Aber es geht um die Idee des hebräischen „Schalom“, die im Hintergrund mitzuhören ist. Von der Grundbedeutung her meint dieses „Schalom“: Vervollständigung. Also da, wo etwas mangelt, wo etwas zerbrochen ist, soll es komplettiert und geheilt werden, damit es wieder ganz und vollständig wird. Im Hebräischen fragt man nach dem Wohlbefinden mit: „Ma schlomech?“ – Was ist dein Schalom?
Der Wunsch des Schalom für die Jünger soll ihnen all das geben, was sie brauchen, um ganz und heil zu werden, um sich ganzheitlich wohl, gesund und in Frieden zu erfahren. Dass dieser Wunsch Jesu dreimal ergehen muss, damit wirklich heil und ganz wird, was zerbrochen ist, damit Frieden und Freude in die aufgescheuchten Seelen einkehrt, verwundert nicht, wenn wir uns klar machen, wie sehr der schmähliche Tod ihres Meisters die Jünger in eine innere Krise gestürzt hat.

Hier können wir gut mit unserer Situation heute anknüpfen. Stecken wir nicht auch in einer Krise, die uns bis in unsere tiefsten Überzeugungen und Hoffnungen erschüttert? Erleben wir nicht in dieser Zeit den Niedergang einer Form von Kirche, von der wir gehofft hatten, dass sie siegreich und in Herrlichkeit alles überdauern wird? Stehen wir nicht mit den Jüngern ratlos vor der Tatsache, dass der Weg unseres bisherigen Engagements und der Begeisterung zu Ende kommt und zum Grab führt?

Doch dieser Jesus hat gesagt: „Ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich fortgehe. Denn wenn ich nicht fortgehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen; gehe ich aber, so werde ich ihn zu euch senden.“ (Joh 16,7) Es ist schmerzlich für uns, zu erfahren, wie Liebgewordenes und Gewohntes, wie als heilig Erachtetes unrettbar dahinschwindet. Da hilft auch kein krampfhaftes Festhalten. Gott mutet uns diese Krise zu, weil darin die Chance zur Verwandlung steckt.

Tun wir doch nicht so, als hätten wir nicht vor einer Woche die Auferstehung aus dem Tod gefeiert. Tun wir doch nicht so, als würden wir nicht verstehen, dass auch unser Weg der Nachfolge durch den Tod hindurchführen muss, damit neues Leben möglich wird. Es darf nichts Ungewöhnliches sein, wenn es in der Kirche radikale Wandlung gibt. Das Gegenteil muss als verdächtig und ungewöhnlich angesehen werden. Wenn versucht wird, den Glauben dogmatisch festzuschreiben, einer Form von Liturgie unabänderlichen Charakter zu verleihen, wenn man die existentielle Herausforderung des persönlichen Nachfolgens ummünzt in das bloße Bejahen von vordefinierten Formeln, dann ist das etwas Ungewöhnliches, etwas was nicht zur Kirche passt, etwas, was aus der Gemeinde, die Jesus nachfolgt, eine solche werden lässt, die sich einrichtet und etabliert, die sich selbst genügt und nur mehr verteidigt.

Jesus hat Menschen gerufen, sich mit ihm auf den Weg zu machen. Der Weg will immer noch gegangen werden. Jede und jeder Einzelne ist gerufen, diesen Weg ganz persönlich zu gehen. Das kann und darf ihr/ihm niemand abnehmen. Wenn wir uns also neu auf die Suche nach Jesus machen, wenn wir uns mit ihm auf den Weg begeben, dann werden wir auf neue Weise spüren, was es bedeutet, Kirche zu sein. Dann wird jede und jeder Gläubige die ursprüngliche und unmittelbar zugängliche Nähe Jesu erfahren, dann wird es wieder Freude machen, einander die eigenen Erfahrungen im Glauben mitzuteilen, dann werden wir uns darin gegenseitig würdigen können und Mut machen.

Das wird eine Kirche sein, wie sie von Anfang an gedacht war: eine Gemeinschaft unterwegs, die zuerst und vor allem anderen auf den Herrn hört, die auf ihn schaut, und in seinen Fußstapfen geht, um Gott und den Menschen zu dienen.

Den ganzheitlichen Schalom wünscht Jesus uns allen. Fürchten wir uns also nicht! Er schenkt seiner Gemeinde damit, was ihr an Beweglichkeit und Offenheit fehlt. Er wird sie fähig machen, die verrammelten Türen zu öffnen, die Angst vor den Menschen zu überwinden und in seinem Geist überall von der erlebten Gottesbegegnung Zeugnis zu geben. So wird Kirche auferstehen zu neuer Blüte.

P. Thomas Heck SVD