5. Sonntag der Osterzeit (A)

Predigtimpuls

Dem Glaubwürdigen das Unglaubliche abnehmen

1. Lesung: Apg 6,1-7
2. Lesung: 1 Petr 2,4-9
Evangelium: Joh 14,1-12

Das Johannesevangelium – eine Zumutung

„Willst du jemanden für Christus gewinnen, lass ihn ein Jahr in deinem Hause wohnen“, war ein frühchristliches Prinzip des Glaubenszeugnisses. Der Glaube schlägt seine Wurzeln ja nicht im Belehren. Die Lehre kommt klärend dazu, hilft ihn tiefer verstehen und zu entfalten. Der Same des Evangeliums bevorzugt den Boden mittuender Gemeinsamkeit. Religiös glauben – nicht vermuten, mal annehmen, wetten, dass... - ist annehmen des Unglaublichen von jemandem, bei dem man sieht, was dabei herauskommt. Zum Glauben an das Evangelium kommen, ist nicht so einfach. Davon wusste die Gemeinde des Evangelisten Johannes ein Lied zu singen. Der heutige Evangelientext zeigt, wie auch Jesus selbst unter seinen engsten Freunden seine liebe Not damit hatte.

Es gab da welche, denen das Wort, das Fleisch geworden ist (Joh 1,14), zu starker Tobak war. Das Wort, das Gott ist, der in unzugänglichem Lichte wohnt (1 Tit 6,14), durch das alles geworden ist, soll selber Geschöpf geworden sein, einer von uns, ein Menschensohn? Das unaussprechliche Wort soll Aramäisch gesprochen haben? Ja man soll es sich einverleiben können wie Brot, das man zerkaut? Dass Gott „da ist“, in jeder Situation, um zu helfen und zu befreien (Ex 3,14), auch in der finstersten Tiefe wie bei Jona im Bauch des Seeungeheuers auf dem Meeresgrund, das war unumstrittenes Glaubensgut, aber doch nicht so, wie es Jesus darstellte. Viele seiner Jünger empfanden das als eine Zumutung und zogen sich von ihm zurück. (Joh 6,60.61.66)

Der Evangelist, der seine Arbeit in der zweiten Generation nach Jesus - etwa um 100 – tut, zeigt seinen zweifelnden Zeitgenossen, was von Anfang an war. `Wenn ihr schon nicht´ -so lässt er Jesus am Ende seines Wirkens auf Erden, in den Abschiedsreden, sagen – `meinen Worten glauben könnt, dass sie aus Gott sind, dann schaut doch die Dynamik an, die meine Taten, die zeichenhaften Heilungen, auslösen. Das kann doch nicht reines Menschenwerk sein. Da wirkt jemand von woanders her mit´.

Nicht nur „auf Gott hin“, sondern in ihm

Johannes liebt es, wichtige Aussagen in seinem Evangelium in Szene zu setzen. So lässt er hier Philippus vortreten. Der Name ist griechisch. Vielleicht hatte er griechisch-kulturellen Hintergrund. Die Griechen hatten in ihrer Weisheitssuche das „vernünftige“ Fragen entwickelt. Sie analysierten, argumentierten, führten Dialoge, legten Wert auf Evidenz und Beweise. „Zeig uns den Vater, das genügt“, wendet er sich an Jesus. Er erwartet nicht, dass Jesus ihn „vorzeigt“, sondern den Weg zu ihm erschließt. Mehr geht nicht. Gott ist unerreichbar, aber den Weg zu ihm kann man lehren und lernen.

So kannst du nicht fragen, Philippus, lässt sich Jesus vernehmen. Mit Vernunft kommst du der „Sache“ nicht bei. Hier ist mehr im Spiel, Unglaubliches. Wer mich sieht, sieht den Vater. Gott ist berührbar, hörbar, leibhaftig geworden. Und den Weg zu ihm kennt ihr Der Weg bin ich. Wer das, was im Teilen des letzten Brotes geschieht, verinnerlicht hat und es immer wieder tut, der kaut mein Fleisch und mein Blut, der assimiliert mein Leben in das seine, der bleibt in mir und ich in ihm, wie der Vater in mir bleibt und ich im Vater bleibe. Daran werden wir in jeder Eucharistiefeier bei der Gabenbereitung erinnert: Wie das Wasser sich mit dem Wein verbindet, so lasse uns der Kelch des Herrn teilhaben an der Gottheit Christi, der unsere Menschennatur angenommen hat.

Gott bringt sich im Vertrauen weckenden Miteinander ins Spiel

Glauben weckende Vermittlung dieser Botschaft braucht Gemeinschaft im Vertrauen. Vertrauensverlust macht unfähig zum Glaubenszeugnis. An diesem Siechtum leidet z.Zt. die Kirche in unseren Breiten. Die Kleruskirche hat den Karren an die Wand gefahren. Die meisten Seelsorger(innen) tun treu und integer ihren Dienst am Evangelium für die Menschen in enger Zusammenarbeit mit den „Laien“. Aber der hohe Klerus blockiert, tut so als höre er zu, propagiert ernsthafte Dialogbereitschaft, allerdings unter Bedingungen. Er schiebt fragwürdige Ideale als Riegel vor Türen, die engagierte Laien, Seelsorger, Theologen zu öffnen suchen für neue Wege zu den Menschen unserer Zeit: Neues Verständnis von persönlicher Verantwortung und Sexualität, das Teilhabenlassen der Geschiedenen und Wiederverheirateten am kirchlichen Leben, ergebnisoffene Beratung und Hilfe für Frauen, die durch Schwangerschaft in Not geraten sind, neue Formen der Leitung und Beheimatung in den Gemeinden. Die Diskussion um den Zölibat hat eine fatale Verengung erfahren. Als ob es darum ginge, den Pfarrern die Hochzeit zu erkämpfen. Es geht darum, Blockaden gegen den Geist Gottes aufzuheben, der seine (Leitungs-)Charismen austeilt an Männer und Frauen, an Zölibatäre und Verheiratete. Mag auch die Zahl jener, die unter dem Vertrauensgewand des Priesteramtes mit Unheil schwanger gegangen sind, prozentual gering sein, der Vertrauensverlust ist immens und noch nicht abgeschlossen. „Von oben“ wirft man den besorgten prominenten Katholiken, die in der „Stellungnahme“ ihre Besorgnis öffentlich machen, vor, sie gingen am eigentlichen Problem vorbei, nämlich am Glaubensschwund. Das ist klerikale Verdrängung. Verlust an kirchlich orientiertem Glauben hängt mit Vertrauensverlust zusammen.

Autorität wird nicht verliehen mit der Übertragung eines Amtes. Sie erwächst aus der Persönlichkeit. Sie ist jene Kraft und Fähigkeit, die anderen gegenüber Leben zur Entfaltung bringt (augere). Sie ist nicht lehrbar, für sie gibt es keine Rezepte. Sie ergibt sich aus der Lebensführung mit Anderen. Wenn jemand von einem Anderen erfährt: Der ist gut zu mir, der bringt mich weiter, der lässt mich hoffen, dann hört er auf ihn, nimmt etwas von ihm an, lässt sich von ihm leiten. In diesem urmenschlichen Zusammenspiel bringt Gott sich ins Spiel. Das hat uns Jesus gezeigt, hat es uns vorgelebt. Er ist der Weg.

Mögen auch Strukturen, die einmal Norm und Orientierung gaben, zerbröckeln, mögen lieb gewonnene Traditionen verblassen: Gott ist dennoch da. Er zeigt sich, wenn wir echt, authentisch leben und den Menschen in wohlwollender Grundstimmung zugewandt sind, durch die sie aufgebaut werden. Dagegen kann auch ein Enttäuschter, ein Skeptiker oder Nichtgläubiger sich nur schwer abschirmen. Darin wird der Vater im Himmel wortlos erlebbar, bis wir soweit kommen, ihm in gemeinsamen Worten zu danken und ihn zu preisen – indem wir Eucharistie feiern.

P. Dr. Gerd Birk SVD