Pfingsten – Am Vorabend

Predigtimpuls

Worte, von Jesu Geist getragen, heilen

Lesung: Joël 3,1-5
Lesung: Röm 8,22-27
Evangelium: Joh 7,37-39

Am Vorabend vor Pfingsten treten uns in den biblischen Texten große Verheißungen entgegen, Zukunftsvisionen, die allerdings durchaus auch Ängste aufsteigen lassen können. Joël beschreibt den Tag des Herrn mit Blut, Feuer, Rauch und Finsternis, schreckliche Weltuntergangsszenarien werden in unserer Phantasie geweckt. Altes muss weg, dass für die wenigen, die rechtschaffen gelebt haben etwas Neues, ein Volk Gottes, das in Ruhe und Sicherheit leben kann, ersteht. Das kleine Buch Joël ist biblisch eingebettet zwischen dem Propheten Hosea, der Gottes Liebeswerben um die Seinen trotz aller Abwendung, Beleidigung und Verachtung betont, und dem Propheten Amos, der nicht müde wird, immer wieder darauf hinzuweisen, dass Gott viel mehr auf gerechtes Handeln schaut als auf alle schönen Worte und pompösen Feiern. In den Fußstapfen dieser biblischen Gestalten stehen auch der Evangelist und Paulus, von denen wir Texte gehört haben, ringen mit der Frage, wie man an die Zusage Gottes nach einem erfüllten Leben glauben kann, in all der Realität die, damals wie heute, jeden Tag neu dagegen spricht. Immer neue Antwortversuche auf diese Frage werden unternommen vom großen, entscheidenden Neuanfang am Tag des Herrn, über die Betonung der mütterlichen Barmherzigkeit Gottes und die Ermutigung in allem Unrecht aufzubegehren bis eben zu dieser Kraft Gottes, die wir Heiligen Geist nennen, der gerade in unserem Seufzen, in die Unfertigkeit unseres Lebens hinein die Herrlichkeit Gottes aufleuchten lässt, das Gelingen seines Heilsplanes in der Welt, in jeder und jedem von uns.

Letztes Jahr hat das Bistum St. Gallen, einen Seligen gefeiert bei dem das auf spezielle Weise klar wird: Notker Balbulus, Notker der Stammler. Trotz oder vielleicht gerade wegen seiner angeschlagenen Gesundheit ist ihm Wesentliches aufgegangen. „Stammelnd, zahnlos und deshalb mit der Zunge anstoßend, damit ich es treffender sage, ein halber Plapperer“, so beschreibt er sich selber. Gerade er hat die tiefsten Meditationstexte für seine Mitbrüder im Kloster St. Gallen geschrieben. Die Mönche wissen jedoch nie recht, worauf sich bei Notker der Beiname „Stammeln“ bezieht. Ist es wirklich nur ein Sprachfehler oder nicht vielmehr die Erfahrung, dass man nur „stammelnd“ zu Gott beten kann, indem man einstimmt in das Seufzen der Welt, in die Schrei der Notleidenden, alte Antwortversuche nach eigenem Studium nachstammelt?

Ein Beispiel, das man sich im Galluskloster lange erzählte, des geistvollen Umgangs mit biblischen Antwortversuchen auf überhebliche Fragen der Gegenwart sei genannt. Die Episode soll sich im Jahr 883 beim Besuch von Kaiser Karl III. in St. Gallen zugetragen haben. Einer der Minister nähert sich im Scriptorium dem Lesepult des Notkers und sagt zu seinem Gefolge: „Was, das soll der größte Gelehrte im Reich sein? Ich will ihm eine Frage stellen, auf die er bestimmt keine Antwort weiß. Also spricht er Notker mit einem hämischen Ausdruck in der Stimme an: „Wir wissen, du hochgelehrter Mann, dass du alles weißt. Darum möchte ich gern von dir hören, was Gott im Himmel in diesem Augenblick tut. Gespannt warten die Herren auf die Antwort, haben bereits ein höhnisches Gelächter bereit, mit dem sie gleich losprusten wollen. Notker antwortet aber ohne einen Augenblick zu zögern: „Das kann ich wohl sagen. Gott tut jetzt, was er allzeit getan hat: Er erhöht die Demütigen und demütigt die Stolzen.“ Da lassen die Herren die Köpfe hängen und ziehen ab. Doch noch ist die Geschichte nicht zu Ende. Weil der Hof daran ist, aufzubrechen, steigt auch der stolze Minister auf sein Pferd. Kaum aber hat er die Klosterpforte verlassen, stürzt er vom Pferd, bricht ein Bein und wird ins Klosterspital gebracht. Er glaubt felsenfest, das Wort des Mönchs sei ihm zum Fluch geworden. Darum bittet er, dass Notker ihn besuche. Dieser stellt sich gleich am Krankenbett ein, reicht dem gedemütigten Minister die Hand; und dieser verspürt nun erstmals eine Linderung seiner Schmerzen.

Gott gebe uns seinen Geist, dass wir sein Wort stets zur Heilung und Linderung in Ungerechtigkeit und Unterdrückung stammeln, im Glauben, dass der Tag des Herrn, ein Tag der Rettung ist.

Vgl.: http://www.ganzschoenheilig.ch/index_de.php?TPL=3401&x3000_Open=84
Weitere Informationen zu Notker balbulus: http://www.ganzschoenheilig.ch/de/96/Notker.htm (offizielle Website der 4 Bistumsheiligen von St. Gallen)

P. Stephan Dähler SVD