Pfingstmontag

Predigtimpuls

Nehmt Anstoß

Lesung: Apg 10,34-35.42-48a (Ez 36,16-17a.18-28)
Lesung: Eph 4,1b-6
Evangelium: Joh 15,26-16,3.12-15

Nehmt Anstoß!

Anstoß nehmen – das sollten wir doch als Christen nicht – oder doch? Ich meine, wir sind viel zu „brav“, wir halten uns als Christen viel zu sehr zurück. Dabei möchte ich keineswegs den Übereifrigen oder Fanatikern das Feld überlassen, sondern – orientiert am Evangelium – wirklich zu einer positiven und kritischen Stellungnahme einladen gegenüber all dem, was wir heute erleben und was sich so in unserer Welt tut.

 

Vornehme Zurückhaltung

War nicht Jesus auch der „Stein (des Anstoßes), den die Bauleute verwarfen“? Er hat sich sicherlich immer darum bemüht, Menschen verschiedenster Auffassungen und Lebensbereiche miteinander in Verbindung zu bringen, ja zu versöhnen. Aber er hat keine „faulen Kompromisse“ geschlossen, nur um des lieben Friedens willen. Dort wo es notwendig war, ging er in die Konfrontation und hat die Dinge beim Namen genannt. Er konnte klar sehen und es darum auch benennen, wes Geistes Kind die Menschen waren, denen er begegnete; die ihm Fragen stellten – ja mitunter, die ihn in eine Falle locken wollten. Was nach außen hin als „Gottes Wille oder Gesetz“ dargestellt wurde, war es nicht immer, sondern vielmehr Menschengesetz, das vielleicht früher einmal näher am Gesetz Gottes orientiert war. Gilt dies nicht auch für manches, was wir in unserer Kirche als „Gottes Gesetz“ darstellen, aber dabei vergessen, wie es entstanden und in welchem geschichtlichen Kontext es geworden ist?

 

Erfahrung aus der Geschichte

Man muss nicht unbedingt Historiker sein, um hier kritisch hinterfragen zu können. Bei den jüdischen Reinheitsgeboten zum Beispiel lässt sich aufzeigen, dass sie durchaus zu ihrer Zeit auch ihren Sinn hatten. Sich daran aber (bis heute) sklavisch zu halten, ist doch fragwürdig – und erst recht, wenn ich dies dann noch als striktes Gebot Gottes darstelle, dessen Beachtung oder Nichtbeachtung sich positiv oder negativ auf mein Verhältnis zu Gott auswirkt. Was für ein Geist steckt dahinter? Und was für eine Geisteshaltung wird so vom Menschen erwartet, der sich einfach daran halten und keine Fragen stellen soll? Der Geist, der Jesus beseelt und den er uns verheißen hat, ist ein anderer, ein befreiender Geist. Er traut uns und jedem Menschen viel zu, und er wirkt nicht nur in den Getauften und Gefirmten, sondern überall dort, wo Menschen für diesen Geist Gottes offen sind – also auch weit über die Grenzen der Kirche(n) hinaus. Wir sollten stets auf der Suche sein nach diesem Geist. Sollten offen sein, ihn überall zu entdecken und die Menschen zu ermutigen, dem Geist Gottes in ihnen Raum zu geben – und nicht den Eindruck erwecken, dass dieser Geist (nur oder zuerst) im „Amt“ zu finden ist.

 

Beispiele von engagierten Christen und Nicht-Christen heute

Als Christen dürfen wir uns getrost darauf berufen, dass wir in der Taufe zu einem „priesterlichen, prophetischen und königlichen Dienst“ gesalbt wurden. Und das heißt dann doch wohl, dass wir alle eine Verantwortung in Kirche und Welt haben, die wir uns auch bewusst machen und für die wir uns einsetzen sollen. Bis in unsere Zeit hinein aber traut „man“ oft den „Laien“ viel zu wenig zu; ermutigt sie nur sehr zögerlich, selbst auch Verantwortung zu übernehmen; steckt viel zu sehr noch in Strukturen, die (heute) nicht mehr taugen; fordert viel zu wenig die Talente und Fähigkeiten der „Laien“ heraus, damit sie Kirche und Welt mitgestalten. Gott sei Dank, können wir da Gott keine Schranken setzen – aber wir machen es ihm auch nicht immer leicht… Gott sei Dank, gibt es auch viele innerhalb und außerhalb der Kirche(n), die sich für andere und für eine gerechtere Welt mit all ihren Kräften einsetzen – mitunter so, dass wir „offizielle Christen“ uns da sehr bescheiden müssen, ja sogar durch dieses Engagement beschämt werden.

 

„Der Geist wird euch lehren…“

Wo Menschen offen und sensibel sind für das, was um sie geschieht, haben sie schon Gottes Geist und geben ihm Raum – und dann dürfen und sollen sie auch diesem Geist gemäß handeln. Der Geist von Pfingsten, der auf die Apostel herabkam, wurde ihnen (nur) geschenkt, damit sie ihn auch an andere weitergeben. Aber können Menschen überhaupt darüber befinden; maßen wir uns da nicht etwas an, was eigentlich nur Gott zukommt? Wir können den Geist Gottes nicht pachten oder über ihn bestimmen.

 

„Da habe ich dem Petrus ins Angesicht widerstanden…“

Wenn sich heute manche darüber beklagen, dass es zu viel Unruhe in der Kirche gibt; dass zu viele meinen, mitreden und mitentscheiden zu können, dass es doch „früher alles viel besser war…“ – dann übersehen sie, dass es schon in der Frühen Kirche auch keine Uniformität gegeben hat; dass da verschiedene Theologien wirkten; dass es auch verschiedene Vorstellungen und Auffassungen von Gemeinde und Kirche gab.

Für manche ist es fast schon obszön, Kirchenleute (Hierarchie) zu kritisieren – umso mehr, je „höher“ sie in der Hierarchie verortet sind.
Wie sich aber vieles, was wir heute an Strukturen (Ordnungen) in der Kirche haben, in gewisser Weise verselbständigen kann, zeigt sich meines Erachtens auch in unserem Sprachgebrauch: Jesus hat sich als der „Gute Hirt“ verstanden – wir aber sprechen heute von „Ober-Hirten“. Ist das noch jesuanisch? Entspricht das dem Geist Jesu und was er wollte?

 

Gebet für die Kirche heute

Beten wir darum, dass die Kirche heute wirklich den Weg des gemeinsamen Suchens geht; dass sie nicht als ängstlich und zögerlich erfahren wird; dass sie wagemutig, zielstrebig und offen für die Zeichen der Zeit ist; dass sie sich wirklich darum bemüht, sich zu erneuern und dass dies ein gemeinsamer Prozess in der Kirche ist, der auch vom Volk Gottes getragen ist. Beten wir für eine lebendige, eine brennende Kirche, die von Gottes Geist erfüllt ist, alle Menschen einladend und versöhnend. Beten wir für eine Kirche, die Anstoß erregt überall dort, wo Gott und das Wohl der Menschen nicht beachtet werden.

Komm Heiliger Geist, erneuere einen jeden von uns, und deine ganze, weltweite Kirche!

P. Heinz Schneider SVD