Eine Überlegung wert?!

Die Anregung

Begleitworte zu Pfingsten 2011

Liebe „user“ unserer Predigtanregungen

Seit Jahren beschäftigt mich als „Jünger“ der Liturgiereform des II. Vatikanums immer wieder eine Frage zum bevorstehenden Fest: Warum ist die liturgische Farbe rot?

Sinn und Zweck besagter Reform war, dem österlichen Triduum als zentrale Feier unseres Glaubens den ihm zustehenden Platz im Kirchenjahr zurückzugeben. Ostern sollte wieder im Mittelpunkt des Kirchenjahres stehen. („Was der Sonntag für die Woche bedeutet, ist Ostern für das ganze Jahr“ (MB, S. 80*, N° 18). So heißt es in der Grundordnung des Kirchenjahres und des neuen Römischen Generalkalenders (in: MB, S. 78* ff): „Die Zeit der fünfzig Tage vom Sonntag der Auferstehung bis Pfingstsonntag wird als ein einziger Festtag gefeiert, als `der große Tag des Herrn´“ (N° 22).

 

Seit dem 4. Jahrhundert wurde der sogenannten „kleinen“ Oktav – während der die in der Osternacht Neugetauften ihre weißen Taufkleider trugen – eine „große“ Oktav von sieben Wochen zur Seite gestellt. Diese Freudenzeit gipfelte im Pfingstfest, an dem der kleinen Jüngerschar der Hl. Geist geschenkt wurde (vgl. Apg 2). Während vor 1972 die „kleine“ Oktav eine wesentliche Rolle im Leben der Gemeinde spielte, wird sie aufgrund der pastoralen Situation heute nur noch von „Insidern“ gefeiert (MB, S. 80*, N° 24: „Die ersten acht Tage der Osterzeit … werden wie Hochfeste des Herrn begangen“). Die Väter der Reform suchten durch die Betonung der „großen“ Oktav, die Gabe des Geistes, die nach Joh 20,22 zur Offenbarung des Auferstandenen gehört, ins Ostergeschehen einzubinden. –

 

Was allerdings die liturgische Farbe betrifft (weiß über Gelb- bis hin zu Goldtönen), fehlte es ihnen an Konsequenz. Denn – welch Überraschung – am „8. Sonntag der Osterzeit“ ist rot angesagt! Warum eigentlich?

 

Schnell ist die Begründung zur Hand: Feuerzungen, Symbol für die Ankunft des Hl. Geistes (vgl. Apg 2,3); deshalb rot. –

Feuer hat m.E. wenig mit rot zu tun. Bei genauerer Betrachtung der Flamme einer Kerze - zünden Sie mal eine Kerze an und versuchen Sie, die zu sehenden Farben zu beschreiben - wird es schwierig, die Farbe rot auszumachen!

„Die normale Zunge ist … grau-rosa …“ (gefunden im 2. Abschnitt eines Artikels unter: http://www.eurotinnitus.com/pdf/was_die_zunge_verraet.pdf). –
Führt man diese Details zusammen, können die „Feuerzungen“ aus der Apostelgeschichte schlecht der Grund dieser Farbwahl sein.

 

Bleibt als Argument lediglich: „Es war schon immer so!“ oder „Tradition!“ [vgl. hierzu Jesu Umgang mit der Tradition; besonders dem Sabbatgebot]. Hilfreich kann auch ein Blick in die Musikwelt sein. Das Musical „Der Fiedler auf dem Dach“, engl. Originaltitel “Fiddler on the Roof“, Musical von Joseph Stein - Buch, Jerry Bock - Musik und Sheldon Harnick – Liedtexte, zeigt auf anschauliche Weise wie wichtig Tradition ist und wie überholt sie sein kann, wenn sie am Leben der Menschen vorbei geht. Anhand einer jüdischen Familie führt es uns vor Augen, dass das Leben immer im Fluss ist, dass Traditionen Halt geben können; aber auch, dass sie das Leben der Menschen einengen können und dann ihre Sinnhaftigkeit verlieren.

 

Rückt man – indem dem „8. Sonntag der Osterzeit“ durch die abweichende Farbwahl für die liturgischen Gewänder mehr Eigengewicht eingeräumt wurde – nicht wieder vom eigentlichen Ziel (Passion, Tod, Auferstehung, Himmelfahrt und Geistsendung als Einheit zu sehen) ab, das Ostergeheimnis stärker betonen zu wollen?

 

Konsequent – so scheint mir – wäre für den Pfingstsonntag (also den 8. Sonntag der Osterzeit und Abschluss des Osterfestkreises) weiß (samt den anderen Farbtönen, welche die Festlichkeit unterstreichen) als liturgische Farbe zu wählen.

Der einzige Grund für die Farbwahl rot in Verbindung zum Hl. Geist, könnte folgender sein: „Rot ist die Liebe“, wie der Volksmund weiß. So gesehen kann uns die liturgische Farbe den Hl. Geist als einendes Band in der Heiligen Dreifaltigkeit und unter uns näher gebracht werden. Mit dieser Sicht ist nichts dagegen einzuwenden, wenn man z.B. für den Pfingstmontag, der im Kirchenjahr keinen Platz mehr hat (Ausnahme: der deutsch-sprachige Raum), als liturgische Farbe rot wählt und der Zelebrant der Gemeinde den Hl. Geist thematisch unter anderem Aspekt, also losgelöst vom Ostergeschehen, näher bringen will.

 

Eine Überlegung wert? Ich denke schon!

 

Vertrauen wir uns Ihm, unserem Heiland an. Er hat versprochen, uns vom Vater den Beistand zu erbitten.

Möge uns der Hl. Geist Augen, Ohren und Hände öffnen und offen halten, für die rechten Antworten auf die Fragen unserer Zeitgenossen, damit wir – gelegen oder ungelegen – die Frohe Botschaft der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus verkünden, der in seinem Geiste bei uns bleibt, was wir – jeder auf seine Weise – erfahren durften.

 

Ihnen / Euch allen ein gesegnetes Pfingstfest

Karl Jansen SVD