Fest Darstellung des Herrn (F)

Predigtimpuls

„Ein Licht, das die Heiden erleuchtet und Herrlichkeit für Dein Volk Israel“

1. Lesung: Mal 3,1-4
2. Lesung: Heb 2,14-18
Evangelium: Lk 2,22-40 (Kurzfassung: 2, 22-32)

Liebe Schwestern und Brüder,

„Ein Licht, das die Heiden erleuchtet und Herrlichkeit für Dein Volk Israel“

Mit dem Fest der Darstellung des Herrn schloss früher der Weihnachtsfestkreis. Das hatte wohl den Grund, dass noch einmal das Kind Jesus im Mittelpunkt der Betrachtung stand. Damit wurde die Kindheitsgeschichte Jesu abgeschlossen, die Eltern Jesu kehrten in ihre Stadt Nazareth zurück und Jesus wuchs zum Mannesalter heran.

Das Fest der Darstellung des Herrn hat aber auch noch eine zweite Nähe zum Weihnachtsfest, besonders zum Fest der Erscheinung des Herrn. Dort kamen die Weisen aus dem Morgenland, die Vertreter der Völkerscharen, zur Krippe und beteten den neugeborenen König an. Die Völker hatten es begriffen, nicht aber Israel. Statt dessen tötete Herodes alle Knaben bis zu zwei Jahren. Hat Israel seinen Retter nicht erkannt?

Der Besuch Jesu im Tempel und der Lobpreis des greisen Simeon jedoch sollen uns eines anderen belehren. Der greise Simeon als gläubiger Vertreter des Volkes Israel erkennt im Kind Jesus die Erfüllung aller Hoffnungen und Verheißungen des Alten Testaments und zwar im doppelten Sinn: er ist das Licht für alle Völker und die Verherrlichung seines Volkes Israel. Der Augenblick im Tempel ist gleichsam die Offenbarung Jesu vor dem Volk Israel. In diesem Sinn könnte man die Darstellung des Herrn auch als eine Epiphanie Jesu vor seinem Volk verstehen.

In den kurzen Sätzen des Simeon tut sich der ganze Sinn der göttlichen Heilsgeschichte kund. Deswegen ist dieses Fest der Darstellung des Herrn ein eminent missionarisches Fest. Geht es doch um die Bedeutung des Lebens Jesu für alle Völker. Simeon eröffnet gleichsam in einer prophetischen Schau die ganze Bedeutung der Menschwerdung Gottes für die ganze Geschichte. Das Kind, das er in seinen Armen trägt, ist nicht nur Licht für Israel sondern auch für alle Völker.

Das Licht des Evangeliums angesichts der Vielfalt der Völker
Die Dimension dieser Aussage hat sich heute gleichsam noch erhöht. Wir wissen um die vielen Völker der heutigen Welt, ihre Kulturen, Religionen und Weltanschauungen. Wir schätzen ihre religiösen und kulturellen Traditionen und verteidigen ihre Rechte und Entfaltungsmöglichkeiten. Wir treten für die Religionsfreiheit aller ein und klagen jeden religiösen Fanatismus oder Hass aufs schärfste an. Wir sind uns der Bedeutung der Toleranz zwischen Völkern, Religionen und Kulturen bewusst und sehen darin den einzigen Weg zum Frieden in der Welt. Niemand darf ein anderes Volk bevormunden, unterdrücken, ausbeuten oder den Lebensnerv seiner Kultur zerstören. Und dennoch sind wir überzeugt, dass Christus das Licht aller Völker ist („Lumen Gentium“, Vat. II), und dass letztlich vor ihm alle ihre Knie beugen und „jede Zunge bekennen muss: Herr ist Jesus Christus zur Ehre Gottes des Vaters“ (Phil 2,10-11).

Vor unseren Augen tut sich der lange Prozess der Heilsgeschichte Gottes auf. Obwohl er allen Menschen innerlich nahe ist, denn „in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“, wie Paulus in Athen verkündete, so hat er sich dennoch in der Geschichte Israels, angefangen von Abraham, in besonderer Weise Schritt für Schritt geoffenbart. Im Glauben Israels hat der eine und einzige Gott aller Menschen immer mehr sein Wesen gezeigt. In den Gebeten und prophetischen Reden hat er Gestalt angenommen bis er selbst in realer Gestalt eines Menschen unter sein Volk trat. So fasst der Hebräerbrief zusammen: „Auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen, … zuletzt aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn“ (Heb 1,1). Je mehr wir darüber meditieren, umso mehr müssen wir darüber staunen, dass Gott sich ein kleines, unbedeutendes Volk auf Erden erwählt hat, um darin sein Kommen vorzubereiten und schließlich selbst sichtbarer Mensch zu werden.

Diese Erkenntnis hat Simeon zu seinem Loblied geführt. In Christus wird auch das Volk Israel verherrlicht, aus dem er wie ein Spross aus einem Stamm hervor gewachsen ist.

„Lasst euer Licht leuchten!“
Das Licht Israels aber ist ein Licht für alle Völker. Ohne jemanden bevormunden zu wollen, sind wir überzeugt, dass Christus für alle Menschen Licht und Leben sein will. So wertvoll die Toleranz zu allen Völkern und Religionen ist, so enthebt sie uns nicht des Zeugnisses für das „wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet“ (Joh 1,9). 

Im Zeugnis unseres Lebens vom liebenden und lebendigen Gott und in der Verwirklichung dieses Zeugnisses durch die Taten der Liebe verkünden wir das wahre Licht allen Menschen. Gott selbst wird dann die Zeiten herbeiführen, wo mehr und mehr Menschen und Völker in Christus ihr Heil sehen.

P. Martin Neuhauser SVD aus: Die Anregung Januar 2011