Heiligstes Herz Jesu (H)

Predigtimpuls

Herzenssache

1. Lesung: Dtn 7,6-11
2. Lesung: 1 Joh 4,7-16
Evangelium: Mt 11,25-30

Der moderne Mensch spürt bei dem Thema Herzlichkeit und Barmherzigkeit Gottes ein gewisses Unbehagen. Der Wiener Kardinal Schönborn schreibt in seinem neuesten Buch „Ziel oder Zufall“ von der Herzlosigkeit und Unbarmherzigkeit unserer modernen kapitalistischen Welt, die nach seiner Meinung von der darwinistischen Weltsicht immer mehr geprägt ist.

Bereits die Begriffe „Herz“ und „Liebe“ wecken in den modernen Sprachen sentimentale Vorstellungen; vor allem besteht der Eindruck einer religiösen Entfremdung, als ob der Christ, der auf das Herz Gottes seine Hoffnung setzt, sich vor seiner eigentlichen Verantwortung entziehen möchte. Die Erfahrung der existenziellen Unsicherheit und der Vergänglichkeit des Menschen führte zum Begriff der Herzlichkeit und der Barmherzigkeit Gottes.

Auch in der Geschichte der Philosophie taucht das Thema „Herz“ auf. Es ist die augustinische Logik des Herzens bei z. B. Blaise Pascal und bei Max Scheler. Pascal unterscheidet zwischen der Wahrheit des Verstandes und der Wahrheit des Herzens. Ein Mensch kann als Mensch niemals nach dem gemessen werden, was er und wie viel er weiß, sondern nur nach dem, was er liebt und in welchem Maße er zur letzten Liebe fähig ist. Der Mensch erkennt, dass der Zusammenfall seines Elends mit der Liebe Gottes nur noch mit dem Herzen, nicht jedoch mit der Vernunft begriffen werden kann. Denn das Herz hat seine Gründe, welche die Vernunft nicht kennt; und es ist das Herz, das Gott spürt und nicht die Vernunft. Der Glaube ist ein Geschenk des Herzens, denn glauben kann nur der, dessen Herz Gott berührt hat. Eine heilige innere Bereitschaft ist hierfür entscheidend. So kann Pascal sagen, dass man die göttlichen Dinge zuerst lieben muss, um sie zu erkennen. Diese Liebe ist zugleich auch schon Glaube, denn der Mensch würde Gott nicht suchen, wenn Gott sich nicht schon von ihm hätte finden lassen. Nur in dieser Weise kann Gott den Menschen zum Glauben führen. Gott hat den Menschen erschaffen. Doch spürt der Mensch, dass er aus sich selbst nicht die Kraft besitzt, zu Gott zu gelangen und in Beziehung mit ihm zu treten, obwohl er ihm Liebe und Achtung zu erweisen sucht.

            Bei der Kreuzigung durchbohrte ein Soldat das Herz Jesu mit der Lanze. Hier haben wir die biblische Grundlage der Herz-Jesu-Verehrung. Um zu verstehen, worum es dabei geht, muss man vielleicht das Sentimentale und Überschwängliche aus dem Spiel lassen. Jesus Christus ist der am Kreuz Durchbohrte. Herz Jesu – das meint also den ganzen Ernst des Kreuzes. Der heutige Mensch lebt in einem Klima, das stark auf Glück und Erfolg ausgerichtet ist. Zudem verdrängt man in den modernen Massenmedien Leid und Tod aus dem Bewusstsein. Deshalb trifft es den Menschen umso stärker, wenn plötzlich Unglück über sein Leben hereinbricht. Der Leidende vermag dann in alledem keinen Sinn mehr zu finden, konfrontiert nur noch mit barer Sinnlosigkeit. Hier gälte es, den Blick auf den Durchbohrten zu richten, dessen Leiden und Kreuz der Welt unserem Leben den letzten, unzerstörbaren Sinn gegeben haben. Herz-Jesu-Verehrung bedeutet also zu wissen, dass da ein Herz für uns schlägt und dass deshalb die Mitte der Welt nicht die antlitzlose Maske einer blutlosen Idee oder gar einer eiskalten Ideologie ist, sondern das Herz des Gottmenschen Jesus Christus. Dieser Christus ist uns zugewandt mit seinem ganzen Herzen; Grund genug seiner Aufforderung zur Liebe zu folgen.

Herz Jesu ist ein Sinnbild der Liebe des Gottessohnes. Diese Liebe hat für Jesus in der heutigen Lesung zwei Seiten: Gottes- und Nächstenliebe. Diese Gebote gehören untrennbar zusammen, machen das eigentlich Christliche aus, das also, was von Jesus stammt. Der Herr hat diese beiden Gebote so zusammengebunden, dass es danach das eine ohne das andere nicht geben kann. Für Jesus steht das Liebesgebot über allen Brand- und Schlachtopfern und ist ein Hinweis darauf, dass sich nach seiner Meinung die Gottesliebe in der Nächstenliebe auswirken muss. Von Anfang an haben die Christen nicht nur Kirchen gebaut, die Ausdruck ihrer Gottesliebe sind, sondern auch Krankenhäuser und Schulen, die für die Liebe zum Nächsten stehen. Freilich lässt sich aus dem Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe nicht herauslesen, dass sich die Gottesliebe in der Nächstenliebe erschöpfe, dass sie nichts anderes als „Mitmenschlichkeit“ sei. Gottesliebe ohne Nächstenliebe gibt es nicht; so heißt es nämlich in der heutigen Lesung aus dem 1. Johannesbrief: „Wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander lieben“. Aber Nächstenliebe allein ohne Gottesliebe wäre nicht die volle christliche Liebe; im gleichen Johannesbrief heißt es auch: „Daran erkennen wir, dass wir die Kinder Gottes lieben, wenn wir Gott lieben und seine Gebote erfüllen“. In der christlichen Liebe gehen Gottes- und Nächstenliebe ineinander über. Wir lieben Gott, wenn wir den Nächsten lieben, aber wir lieben den Nächsten, weil wir Gott lieben. Bloße Nächstenliebe allein ohne die Gottesliebe mag innerweltlicher Humanismus sein, zum eigentlich Christlichen wird sie erst, wenn sie aus der Gottesliebe quillt und mit ihr verschmilzt. Um dieses Christliche geht es heute, wie es zu allen Zeiten seit der Menschwerdung des Herrn darum gegangen ist. Jesus Christus ist das Maß, an dem wir unsere Gottes- und Nächstenliebe zu messen haben.

 

P. Dr. Stanislaw Kusmierz SVD