2. Sonntag im Jahreskreis (A)

Predigtimpuls

Der erste Zeuge

1. Lesung: Jes 49,3.5-6
2. Lesung: 1 Kor 1,1-3
Evangelium:  Joh 1,29-34
 

Die großen Feste, Weihnachten, Jahreswechsel, Erscheinung des Herrn, sind vorbei. Liturgisch begehen wir wieder den „Alltag“ oder, wie es heißt, die Sonntage des Jahreskreises. Der Sonntag heute nimmt sich wie ein Auftakt für das folgende Kirchenjahr aus. Darauf deutet hin, dass einerseits der Täufer als Zeuge auftritt und andererseits die ökumenische Gebetswoche beginnt. Beide Anliegen haben das ganze Jahr über Geltung.

Der erste Zeuge
Der Täufer Johannes, eine zentrale Gestalt des Advents, tritt heute als der erste Zeuge auf. Das Johannesevangelium (JohEv) selbst versteht sich als Zeugnis eines Jüngers, der sich Lieblingsjünger nennt. Der Täufer gilt in diesem Evangelium nicht als der letzte große Prophet des Ersten Bundes, sondern als der erste Zeuge des Zweiten Bundes. So eröffnet am Beginn des öffentlichen Auftretens Jesu ein erster Zeuge eine „unendliche“ Kette von Zeugen. Der Hebräerbrief spricht von einer „Wolke von Zeugen“.

Rund um den Sonntag

Bevor der erste Zeuge zu Wort kommt, kann das „Umfeld“ des heutigen Sonntags, des „2. Sonntag im Jahreskreis“, eine Inspiration vermitteln. Es nimmt sich wie eine treffende Fügung aus, dass die Christenheit an diesem „ersten Tag der Woche“ (Sonntag) die Gebetswoche für die Einheit der Christen (18. bis 25. Jänner) begeht. Morgen (17. Jänner) ist der Tag des Judentums. Gestern (15. Jänner) beging die Steyler Ordensfamilie das Gedenken an ihren Stifter, den heiligen Arnold Janssen. Noch bevor die Ökumene mit ihren Einrichtungen (Ökumenischer Rat der Kirchen, Dialog, Weltgebetsoktav) erwachte, hat sich Arnold Janssen intensiv durch das „Gebetsapostolat“ für die Einheit der Christen eingesetzt. Wie zu zeigen sein wird, hat auch der erste Zeuge (der Täufer) mit Ökumene zu tun.

Das JohEv und die Ökumene

Als das JohEv Jahrzehnte nach den im Evangelium geschilderten Ereignissen verfasst wurde, erhält der erste Zeuge eine andere, nämlich ökumenische Bedeutung. Am Ende des 1.Jahrhunderts war die junge Kirche herausgefordert, sich um die Einheit zu bemühen. Die Schriften des NT lassen Spuren von Spannungen und Rivalitäten erkennen, denen sich die junge Kirche stellen musste.

Meist beschränken wir uns bei den Perikopen des Evangeliums auf die unmittelbare Bedeutung, übergehen aber den zeitgeschichtlichen Hintergrund, der Jahrzehnte später die Kirche vor neue Aufgaben stellte. Rivalitäten mit den Juden sind uns bekannt. Sie waren besonders heftig (siehe Matthäusevangelium) und endeten unglücklich. Es gab aber auch Spannungen zu noch bestehenden „Gruppen um den Täufer“. Die Auseinandersetzung mit den Nachfolgern des Täufers scheint friedlicher als jene mit der Synagoge verlaufen zu sein. Da sich diese Bewegung ebenfalls durch Mission ausbreitete, konnte sie die junge Kirche nicht übergehen. Unsere Perikope heute vermittelt eine Ahnung, wie die junge Kirche ökumenisch mit der Täufergruppe umgegangen ist.

Ökumenische Bemühung um die anderen

Es fällt auf, dass sich in keinem Evangelium auch nur eine Spur von Polemik gegenüber der Gruppe um den Täufer findet, etwa dass der Gruppe die Existenzberechtigung abgesprochen oder ihr Glaube in Frage gestellt wurde. Alle Quellen, so auch das heutige Evangelium, bekennen sich zum gemeinsamen Grund dieser Gruppe und der jungen Kirche.

Leider wissen wir nicht, wie die andere Seite darauf reagiert hat. Es scheint auch fraglich, ob die Szene, welche das Evangelium heute schildert, sich historisch so zugetragen hat. Sicher ist, dass es sich um eine theologische Aufarbeitung des Problems mit unterschiedlichen Gemeinschaften handelt. Mit Blick auf die getrennte Christenheit sollten solche Stellen ein Modell für die „Gebetswoche für die Einheit der Christen“ und die ökumenische Bewegung insgesamt sein.

Das Positive - nicht trennende Unterschiede, nicht Streit um „den wahren Glauben - steht im Vordergrund. Das Bild des Täufers gilt als positiv und sein Handeln als wegweisend. Als der „erste Zeuge“ Jesu verweist er selbst auf den gemeinsamen Grund seiner Nachfolger mit der jungen Kirche. Läge es heute nicht ebenso nahe, den gemeinsamen Grund, auf dem alle Kirchen stehen, herauszuarbeiten und anzuerkennen? Das würde bedeuten, den anderen Kirchen zuzugestehen, dass sie in ihrer Glaubens-, Ämter- und Sakramententradition, auf gemeinsamem und festem Grund stehen, auch wenn sie sich unterschiedlich entwickelt haben. Dann würde nichts im Wege stehen, sie als wahre Kirchen anzuerkennen, und sie nicht als „christliche Gemeinschaften“ abzuwerten. Ein weiterer Schritt wäre folgerichtig, dass die Ökumene zum gemeinsamen Eucharistischen Tisch führt. Die „Gebetswoche“ leidet darunter, dass es „nur“ beim Gebet bleiben darf. Doch bleiben wir noch beim ersten Zeugen.

Das Zeugnis des Täufers

Gleich zwei Mal (das ist als Betonung zu sehen) bekennt der Täufer, dass er Jesus nicht kannte. Von der menschlichen Seite her und vielleicht, wie Exegeten glauben, als seinen Nachfolger, hat er Jesus sehr wohl gekannt, aber noch nicht in seiner Bedeutung - als Messias.

Er argumentiert aus dem alttestamentlichen Hintergrund, indem er Jesus als „Lamm Gottes“ bezeichnet. Darin schwingt die Erfahrung Israels mit: Wie Israel aus Anlass seiner Befreiung das Osterlamm gegessen hat, so erkennt der Täufer in Jesus das neue Osterlamm, das zur endgültigen Befreiung führt. „Lamm Gottes“ spielt auf die Opfer von Lämmern im Tempel an. Gleich diesen Lämmern ist Jesus das geopferte „Lamm“ zur Entsühnung und Vergebung der Sünden. Die erste Lesung vom „Knecht Jahwes“ weitet den Blick „als Licht für die Völker“.

Um die Bedeutung Jesu zu erkennen, bedarf der Täufer der Eingebung des Geistes - er sieht den Geist über Jesus als Zeichen der Salbung zum Messias. Der Geist vollendet den sichtbaren Vollzug der Taufe. Darum kann Johannes bezeugen: Dieser Jesus ist der „Sohn Gottes“, in dem Gott den Menschen nahe steht wie kein anderer Mensch.

Das Evangelium schildert in der Folge (nicht mehr in der Perikope) die Wirkung des ersten Zeugen: Er führt aus seinem eigenen Kreis Jesus die ersten Nachfolger zu. Die junge Kirche vermittelt auf diese Weise der Täufergruppe, ebenfalls Jesus zu glauben und ihm nachzufolgen, indem sie sich der Gemeinde der Jesusanhänger anschließt.

Historisch ist nicht alles so ideal verlaufen, wie das JohEv suggeriert. Die Anfrage des Täufers aus dem Gefängnis durch seine Jünger (siehe Matthäus) lässt vermuten, dass die Gruppe um Johannes (vielleicht sogar der Täufer selbst) an der Messianität Jesu gezweifelt hat. Vielleicht haben der Täufer und seine Nachfolger nach jüdischer Vorstellung einen mächtigen Messiaskönig erwartet. Dieser Vorstellung tritt die junge Kirche (hier durch den Täufer selbst) entgegen und verweist auf das geopferte „Lamm“. Ökumenisch wegweisend ist, dass ökumenischer Dialog wie im Evangelium aus der heiligen Schrift heraus geschehen muss.

Eine Wolke von Zeugen

Zahlenmäßig gleicht die Christenheit als größte Religionsgemeinschaft einer Wolke, wie der Hebräerbrief sagt. Freilich bleiben alle Bemühungen nutzlos, wenn sie dem Eindruck nach eher verbal oder beiläufig geschehen. Nur wenn ökumenischer Dialog vom Kern des Glaubens ausgeht und auf ihn hinführt, kann es gelingen, die Christenheit insgesamt zu einer „Wolke von Zeugen“ zu formen. Aus diesem Geist heraus werden Kirchen auf neue Weise miteinander umgehen und auch die Christen werden die Spannungen im Alltag anders meistern.

Der Hinweis des ersten Zeugen auf das „Lamm Gottes“ wirft auch Licht auf den Sinn des Leidens – im persönlichen Leben und „um Christi willen“. Letzteres verweist auf Verfolgungen wie im Irak, Indien, Pakistan, China, Arabien ... und selbst in christlichen Ländern, wie Oscar Romero oder Bischof Erwin Kräutler im brasilianischen Xingu und viele unbekannte Märtyrer in der ganzen Welt bezeugen. Schließlich beten wir bei jeder Eucharistiefeier das „Lamm Gottes“. Wenn es nicht ein Lippengebet ist, versprechen wir, dass wir uns durch die folgende Kommunion mit dem „Lamm Gottes“, das heißt: mit Jesu Werk und Treue identifizieren.

P. Dr. Jakob Mitterhöfer SVD aus: Die Anregung Januar 20