4. Sonntag im Jahreskreis (A)

Predigtimpuls

„ICH STEH VOR DIR MIT LEEREN HÄNDEN, HERR“

1. Lesung: Zef 2,3; 3,1213
2. Lesung: 1 Kor 1,26-31
Evangelium: Mt 5,1-12a

Predigtentwurf

Existenzielle Erfahrung der „leeren Hände“

Ausschlaggebend für die Idee, diese Geschichte am Anfang meiner Ansprache zu erzählen, ist eine Begegnung mit einer Krebspatientin, 23 Jahre alt, in meinem Heimatdorf im östlichen Teil Indonesiens im vergangenen Sommer. Der Vater der Krebspatientin hatte mich in seine Hütte kommen lassen, als er wusste, dass seine Tochter nicht mehr lange zu leben hatte und dass alle Versuche, ihr zu helfen, vergeblich sein würden. Ich wusste nicht so recht, was ich dabei sagen sollte. Eine Weile schwieg ich nachdenklich nach Worten ringend – Worte, die nicht einfach so dahin fließen ohne „etwas“ zu sagen, sondern Worte, die die Wunde heilen können. Dann strömten mir plötzlich wie geschenkt die Worte von Huub Oosterhuis aus dem Mund: „Ich steh vor Dir mit leeren Händen, Herr [...] Ich möchte glauben, komm mir doch entgegen“. Es ist ein Bekenntnis meiner Armut und Angewiesenheit dem gnädigen Gott gegenüber und zugleich ein Schrei nach seinem Segen. Angetan von meinen Worten sagte der Vater nach dem Gebet ins Leere hinein: „Mit leeren Händen kommen wir zur Welt, mit leeren Händen werden wir sie wieder verlassen“. In diesen Worten sehe ich meine „Predigt“ bereits geschrieben.

Angewiesensein auf Gott
„Mit leeren Händen....“ Das ist ein Bild, das die Haltung der Armut vor Gott ausdrückt. Zefanja, „der große Prediger des Weltgerichts“ (A. Läpple) und zugleich der Begründer einer „Armen-Theologie“ ging mit seinem eigenen Volk hart ins Gericht – einem Volk, das Jahwe gegenüber gleichgültig geworden war und meinte, ohne ihn gut auskommen zu können. Durch Strafdrohungen und Gerichtsankündigungen redete er ihm ins Gewissen und forderte es am Ende auf, mit leeren Händen vor Gott zu kommen. Nur „ein demütiges und armes Volk, das seine Zuflucht sucht beim Namen des Herrn“, darf Schonung und Rettung erwarten. Zefanja wies es damit auf seinen falschen Stolz hin und zeigte ihm zugleich, dass letztendlich das Heil nur von Jahwe erwartet wird, nicht von eigenen Leistungen. Die glückselige Armut ist die Offenheit, in der der Mensch alles von Gott erwartet. Erwartet er alles von Gott, so anerkennt er in aller Demut, dass er vor Gott arm und bedürftig ist: „Ich steh vor Dir mit leeren Händen, Herr“. Das ist das Tor zum Empfang seines Trostes und seiner Weisung.

Offenbar hat Gott eine Vorliebe für die Niedrigen und die Törichten, diejenigen also, die vor Gott mit leeren Händen stehen und wissen um ihre Angewiesenheit auf ihn. „Das Törichte in der Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zuschanden zu machen, und das Schwache in der Welt hat Gott erwählt, um das Starke zuschanden zu machen.“ Bei Gott gelten keine Leistungskriterien, sondern ganz andere Maßstäbe. Unsere menschliche Logik zerbricht an der Unfassbarkeit der Logik Gottes. Wir können nicht genug darüber staunen, dass Gott vor den Weisen und den Klugen dieser Welt, die sich ja ihrer Weisheit rühmen und meinen, Ihn finden zu können, sein Heil verbirgt. Stattdessen offenbart er es den Unmündigen, also den Geringgeschätzten, den Ungebildeten, den Unvermögenden, kurz: den Deklassierten. Gleichzeitig können wir Ihm nicht genug danken, dass er gegenüber allen, die vor Ihm mit leeren Händen stehen, durchaus zarte Züge hat, in dem er sich „wie eine Mutter [...] über Kinder beugt“ (Dietrich Ritschl).

„Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege - Spruch des Herrn. So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken“ (Jes 55, 8f). Gott denkt, wie Er will und nicht, wie wir Menschen es gerne hätten. Darum preist er alle, die in den Augen des Menschen schon abgeschrieben sind, selig: „Selig, die arm sind vor Gott [...], selig, die Trauernden [...]“. Und dies tut Jesus im „Sitzen“ – eine Geste, die bei den jüdischen Gesetzeslehrern üblich war, wenn sie Menschen etwas Wichtiges bezüglich der religiösen Fragen und der Lebensführung mitteilen wollten. Dass Jesus sich setzte, bevor er zu reden begann, das deutet an, dass das, war er nun sagte, entscheidende Bedeutung hat.

Unantastbarkeit der Verheißung Gottes
Tatsächlich verlangt und fordert die Rede von Jesus eine entscheidende Wendung im Leben der Christen. „Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen“ (Luk 1,52). Er verkündet allen, die mit leeren Händen vor Ihm stehen, jene Freude, die durch Ängste, Traurigkeiten, Mühen und Beschwerlichkeiten des Lebens hindurch scheint. Diese Freude ist unantastbar, unzerstörbar und unvergänglich. Sie ist kein frommer Wunsch, der irgendwann einmal in unbestimmter Zukunft in Erfüllung geht, sondern sie ist etwas Konkretes, das bereits hic et nunc - hier und heute - erfahren wird. Und diese Freude wird allen, denen sie verheißen wurde, durch nichts und niemand genommen werden, um keinen Preis der Welt. Diese frohe Botschaft ist für die Existenz der Christen so zentral, dass der griechische Text sich nicht mit dem einfachen Verb „reden“ zufrieden gab, sondern vielmehr nach einem „höheren Sinn“ suchte durch den Ausdruck: „Seinen Mund öffnen“. Mit diesem Ausdruck wurden im Griechischen einerseits bedeutsame, wichtige Aussagen eingeleitet, andererseits verwendete man ihn aber auch, um deutlich zu machen, dass jemand etwas von sich persönlich preisgegeben hat.

Jesus öffnet seinen Mund. Er redet nicht bloß. Das heißt: Was er mitteilen will, ist von zentraler Bedeutung. Er gibt sogar etwas von sich persönlich preis: „Was ich euch mitteilen will, das lebe ich mit Haut und Haar“. Selig seid ihr, die ihr mit leeren Händen vor Gott steht. Vielleicht sind sie leer, weil sie alles hergegeben haben. Selig seid ihr, die auch in dunkelsten Stunde eures Lebens noch ins Leere hinausschreit: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen“ – in der Hoffnung, dass am Ende Gott selber es ist, der diesen Schrei auffängt und ihn in hoffungsvollen Klang verwandelt, der niemals verstummt. Selig seid ihr, die aus der „Spiritualität der leeren Hände“ her euer Leben gestaltet – die ihr nicht festhaltet an dem, was man sieht, sondern an dem, was man nicht sieht. Denn „Kaufen kannst du dir ein Bett, aber keinen Schlaf; Bücher, aber keine Intelligenz; Essen, aber keinen Appetit; Schmuck, aber keine Schönheit; Häuser, aber keine Gemeinschaft; Medizin, aber keine Gesundheit; Luxusartikel, aber keine Freude; allerlei Sachen, aber kein Glück; sogar eine Kirche, aber niemals den Himmel.“ (ein Gedicht aus Guatemala).

Selig seid ihr, die ihr an „die Kraft der leeren Hände“ glaubt
„Mit leeren Händen kommen wir zur Welt, mit leeren Händen werden wir sie wieder verlassen“. Der Vater der Krebspatientin, der sich mit leeren Gedanken um seine Tochter bangte, wusste davon zu berichten. Die Armen vor Gott, die mit leeren Händen ihre Hoffnung auf Gott setzen, sowie die Trauernden, die ins Leere hinein zu Gott hinausschreien, wissen davon zu erzählen. Selig seid ihr, die ihr den Mut zur Erfolglosigkeit habt, die ihr aber nicht aufgebt, bis ihr den Herrn sagen hört: „Werft das Netz an der rechten Seite des Bootes aus“. Selig seid ihr, die ihr an die Kraft der „leeren Hände“ glaubt, denn ihr werdet erfahren, dass eure Stärke gerade in eurer Schwachheit liegt: „Wenn ich schwach bin, bin ich stark, weil die Kraft Christi sich in mir vollendet“ (2 Kor 12,10). Selig seid ihr, wenn Gott euch mit leeren Händen findet, denn damit steht ihr als Kontrast zu einer Gesellschaft, die nur jene bewundert, die mit vollen Händen und vollen Taschen daherkommen.

Schau auf deine leeren Hände, und zwar solange bis du dort auf der Oberfläche deiner leeren Hände den Herrn gezeichnet siehst, der mit leeren Händen da - wie bestellt und nicht abgeholt - steht. Wenn du dich an ihm satt gesehen hast, dann lass dein Gebet aufsteigen: „Schau her, ich behalte nichts für mich zurück, nimm hin, o Herr, meine ganze Freiheit, meinen Verstand, meinen Willen...“ 

P. Dr. Polykarp Ulin Agan SVD aus: Die Anregung Januar 2011