15. Sonntag im Jahreskreis (A)

Predigtimpuls

Dornen, Disteln, die Steine und das wuchernde Unkraut in mir

1. Lesung: Jes 55,10-11
2. Lesung: Röm 8,18-23
Evangelium: Mt 13,1-23 oder Mt 13,1-9

 

Jesus hat seine Botschaft nicht in abstrakte Worte gefasst, sondern dafür Gleichnisse und Erzählungen gewählt. Es werden 36 Gleichnisse im Neuen Testament von Jesus erzählt, mit denen er seinen Zuhörern, die Botschaft verständlich, so zu sagen “schmackhaft” machen wollte, indem er sie mit Bildern und Lebenserfahrungen verglich, die ihrem Stand in der Gesellschaft angepasst waren. Seine Zuhörer waren in der Überzahl Kleinbauern und Handwerker, die nebenbei noch etwas Landwirtschaft betrieben. Die Kirchenväter der ersten Jahrhunderte haben daher ihre Zuhörer immer darauf aufmerksam und wiederholt klar gemacht: “Willst du die Botschaft Jesu in aller Tiefe verstehen, dann musst du immer wieder zu den Gleichnissen zurückkehren, denn in ihnen steckt die Botschaft Jesu. Mach es wie das Kamel, das alles, was es frisst, 40-mal kaut, bis es endgültig das Gefressene dem Magen zur Verdauung überlässt.” Schon die Alten wussten, dass nur ein ständiges Kauen die letzten Nährstoffe aus dem Futter herausholen konnte.

 

Das heutige Evangelium vom Sämann haben sie alle sicher schon viele Male gehört und sie könnten ja etwas boshaft denken: „Und jetzt kaut der Pater uns das wieder mal vor.” Das Schöne solcher Gleichnisse ist, dass man sie immer wieder neu interpretieren und ihnen neue Nuancen entlocken kann, und das jedes Mal, wenn man sie mit Aufmerksamkeit liest, hört, oder - wie die Kirchenväter sagten - “kaut”. So will auch ich wieder mal versuchen, ihnen vielleicht doch eine neue Botschaft zu verkünden, die dieses Gleichnis vom Sämann uns heute vermitteln möchte.

 

Der Hintergrund war den Zuhörern sehr gut bekannt, die meisten, die Jesus zuhörten, waren Kleinbauern, die die Beschaffenheit ihres oft kargen Bodens kannten: übersät mit Steinen, Disteln und Dornen und durchquert von unerlaubten Pfaden. Scharen von Vögeln überflogen die Äcker und nahmen sich ihren Anteil an der Saat. Jesus selber war ja in einem solchen Milieu groß geworden: Er hatte aller Wahrscheinlichkeit nach vom Vater pflügen, säen und mähen gelernt, von der Mutter Unkraut jäten und Garben binden. Dann hatte er schon als Junge Schafe gehütet, Viehställe ausgemistet und Ziegen gemolken. So konnte er Gerste vom Weizen unterscheiden, sah am Flug der Vögel, ob es sonnig bleiben oder regnen würde, erkannte genau, wann es Zeit war, zu säen und, wann Zeit war, zu ernten. Er selbst war wie seine Zuhörer im kleinbäuerlichen Milieu aufgewachsen.

 

Vom Verstehenshorizont eines Kleinbauern aus versucht Jesus nun seinen Landsleuten die Botschaft vom Reich Gottes klar zu machen, obwohl die Evangelisten selber diese Gleichnisse Stadtmenschen verkündeten und so einiges nicht mehr recht zu verstehen schienen.

 

Natürlich geht es hier ja eigentlich darum, worauf Jesus mit seinem Gleichnis hinaus will. Das erklärt uns die im Evangelium angefügte Homilie des Evangelisten.

 

Das Saatgut ist hochwertig, ob es aber einen guten Ertrag einbringt, hängt nun vom Boden, auf den es fällt, selbst ab und was sonst noch darauf wachsen würde. Dahinter steht sicher die Erfahrung, die Jesus schon gemacht hatte, wie unterschiedlich seine Zuhörer auf seine Verkündigung vom einbrechenden Reich Gottes reagierten. Sie sind der Boden, auf den die Saat seiner Predigt fallen wird. Und daher sind sie es, die bestimmen, ob aus der Saat etwas wird oder ob sie aufgepickt, zertreten wird, ob sie erstickt oder in der Sonnenglut verbrennt. Oder ob der Boden gut ist und reiche Frucht bringen wird.

 

Oft wird in den Kommentaren und Predigten zu diesem Gleichnis die Beschaffenheit des Bodens auf einzelne Gruppen von Menschen bezogen. Das heißt auf Menschen, die hart wie ein festgetretener Weg sind, die einem Steinhaufen gleichen, Menschen, die Disteln und Dornen freies Wachstum auf ihrem Boden gewähren, ohne etwas dagegen zu tun usw. Solche Auslegungen des Gleichnisses sind ja nicht falsch. Das kann man so machen.

Mir scheint es aber besser, wenn wir uns selber einmal mit einem Acker vergleichen, der - wie im Gleichnis - all diese verschiedenen Bodenbeschaffenheiten aufweist und auf die der Same der Botschaft Jesu fällt.

Dabei muss man gut aufpassen, denn die Gleichnisse Jesus wollen nicht moralisierend verstanden und dürfen daher auch nicht als solche ausgelegt werden. Nein, die Gleichnisse stellen unsere vorgeprägten Werte und vorgeformten Ideen radikal infrage. Man kann sagen, sie stellen uns vor die fundamentale Anfrage, die Gott nach dem Fall an Adam und Eva richtete: Wo bist Du?

 

In mir ist so manches fest getreten, überwuchert von Dornen, übersät von Disteln, den Vögeln überlassen. Das mag nicht unbedingt am Boden liegen, der kann sogar sehr fruchtbar sein, aber da wächst schon so manches wie Disteln, Dornen und Unkraut. Und wenn das Wort den Boden wirklich noch erreicht und zu wachsen beginnt, wird es ersticken, denn da ist einfach zu viel Widerstand, um sich bis ins Licht durchzuarbeiten.

Was sind denn die Disteln, die Dornen, das Unkraut in mir? Oft merken wir nicht einmal mehr, was alles in uns wuchert und so hat selbst ein guter Boden keine Chance, gute Frucht hervorzubringen. Ich denke nur an die vielen harten Vorurteile, mit denen wir die Menschen um uns herum behandeln, die Überbeschäftigung mit hunderttausend Dingen, die uns keine Zeit mehr geben, um Gottes Wort aufzunehmen und wachsen zu lassen. All die Lieblosigkeiten und das Desinteresse an den Menschen um uns herum, die wie ein Frost auf gute Saat wirken und sie langsam aber sicher erfrieren lassen. Wir merken gar nicht mehr, wie sehr wir uns mit uns selber beschäftigen und nur noch um das eigene Ich drehen, wobei der Boden auf dem wir stehen hart wie ein ausgetretener Weg wird, und alles um uns herum mit Dornen überwuchert wird.

 

In solchen Situationen braucht es dann oft einen Anstoß von außen, einen Schock, ein Missgeschick, ein Versagen, eine Krankheit, also Dinge, die uns wachrütteln. Das Gleichnis fordert mich heraus, zwingt mich wieder einmal auf mein Leben zu schauen und die Frage Gottes wirklich zu hören, die mich aufrütteln will: Wo bist Du? Siehst du nicht, wie alles in dir mehr und mehr von Unkraut überwuchert? Und du tust nichts oder schaust einfach zu, wie der gute Boden in dir dem Wort Gottes keine Chance mehr geben kann! Es liegt also weder an der Saat noch am Boden, denn beide sind gut. Es liegt an mir, was ich wachsen lasse.

 

Vielleicht geht uns dann urplötzlich auf, wie unfähig wir für die Werte, die vor Gott zählen, geworden sind. Die Strafe für ständiges selbstsüchtiges Handeln ist, dass man am Ende verlernt hat, liebenswürdig und mitleidend zu sein. Man kann es nicht mehr. Es geschieht das, was der Heilige Paulus einmal so ausdrückte: Wir wollen zwar irgendwie noch das Gute tun, aber wir tun es nicht. Wir wollen das Böse eigentlich nicht und tun es dennoch. Das ist die Situation. Um das aus dem Ruder geratene Leben wieder in den Griff zu bekommen, können wir uns nur noch einer höheren Macht übergeben. Aus eigener Kraft gibt es keine Chance mehr. Wie der Alkoholiker sich selber nicht mehr aus der Sucht befreien kann, sondern Hilfe braucht, so können auch wir nicht mehr Herr über unsere Distel, Dornen und Unkraut werden. Wir brauchen Gottes Hilfe. Wie der Alkoholiker nicht geheilt werden kann, ehe er sich seine absolute Hilflosigkeit eingesteht, so können auch wir uns nicht selber helfen, wenn wir vor Gott nicht unsere Notwendigkeit eingestehen, dass wir seine Hilfe brauchen.

Selbst, wenn es in mir doch noch manche Flecken gibt, die dem Wort Gottes Raum gewähren sich zu entfalten und Frucht zu bringen, so kann ich doch nicht übersehen, wie wenig das sein mag, wenn ich auf den gesamten Acker meines Lebens schaue.

 

Es stimmt schon: Gottes Güte und Barmherzigkeit werden mir immer wieder weiterhelfen. Wenn ich aber die Dornen, Disteln, die Steine und das wuchernde Unkraut nicht mehr sehen will, weil es mich beschämt und sogar Angst macht und ich mir so hilflos vorkomme, dann bleibt mir nur noch der eine Ausweg: mich vertrauensvoll an ihn zu wenden, dass er mir hilft, nicht dem Ruf nach Umkehr auszuweichen, und ich den Mut und das Vertrauen wieder finde, die Richtung zu ändern, wenn ich nicht Gott und echte Sinnerfüllung in meinem Leben verlieren will.

 

P. Dr. Johannes Füllenbach SVD