17. Sonntag im Jahreskreis (A)

Predigtimpuls

„Gott-Werte in unserem Leben“ - Minimalisten

1. Lesung: 1 Kön 3,5.7-12
2. Lesung: Röm 8,28-30
Evangelium: Mt 13,44-52

 

Vor kurzem las ich ein Interview mit einem „Minimalisten“, mit einem Mann, der sagt, dass er maximal 120 Dinge besitze. Der „Minimalismus“, um den es geht, steht allem Materiellen, dem Konsumismus, der Werbung, der Erweckung von Bedürfnissen von Außen, usw. kritisch gegenüber. Die Philosophie des Minimalismus lässt sich in den Worten eines Maurice Sendak zusammenfassen: „Es muss mehr im Leben geben, als alles zu haben.“ In dem erwähnten Interview heißt es: „Dieser Lebensstil gibt mir die Möglichkeit, mein Leben mit so viel Wert wie möglich zu füllen… Aber eben nicht mit materiellem Wert, sondern mit meinen Leidenschaften und Zielen… Ohne Fernseher fokussiere ich mich auf die Dinge, die mir eigentlich wichtig sind. Das ist die Philosophie, die für mich dahinter steckt: den Moment zu genießen und sich auf die Dinge zu konzentrieren, die einem wichtig sind…“

 

Gleichnisse Jesu

Auch wenn es uns Christen kaum einfiele, uns als Minimalisten zu bezeichnen, so gehört doch die Suche nach dem Wesentlichen, nach dem, was dem Leben wirklichen Wert gibt, auch zu unserem Leben. Das heutige Evangelium geht auf dieses menschliche Suchen ein und gibt eine Antwort: es geht um das Himmelreich, um das Königtum Gottes. Dafür sind Menschen bereit, alles andere aufzugeben oder zumindest hintanzustellen. Jesus erläutert das mit Gleichnissen: so wie der Mann, der einen Schatz in einem Acker entdeckt oder der Kaufmann, der eine besonders wertvolle Perle fand. Beide verkauften dafür alles, was sie besaßen und zwar „mit Freude“. Die Botschaft Jesu: so wie mit den beiden ist es auch mit den Menschen, die das Himmelreich entdecken. Die Gleichnisse sprechen vom radikalen Einsatz der Männer und von der Energie der vollständigen Hingabe, die den radikalen Bruch mit allem, was sie vorher hatten, bedeutet. Es ist die erwähnte Freude, die diese Radikalität motiviert und ermöglicht. Es scheint, dass es Jesus hier nicht vor allem um die Hingabe allen Besitzes geht, sondern um die Freude, die die Finder überwältigt und sie – fast leidenschaftlich – alles hingeben lässt. Immer wieder betont Jesus, dass er genau das von denen erwartet, die verstehen, dass das Reich Gottes schon hier und jetzt Wirklichkeit ist. Es geht weniger um die damit verbundenen Opfer, als viel mehr um die erfahrene Erfüllung.

Mit dem Gleichnis vom Fischfang wird auf das Endgericht hingewiesen. Am Ende der Welt wird es so sein, dass die Bösen von den Gerechten getrennt werden. Schon jetzt geht es darum, zu entscheiden. Jesu Botschaft – vom Himmelreich, von der Königsherrschaft Gottes – stellt ein Angebot, eine Einladung dar, die immer neu an Menschen ergeht. Jesus hat das durch sein Leben – sein Beispiel, seine Worte und seine Taten – konkret werden lassen. Menschen haben sich für ihn entschieden, sind ihm nachgefolgt. Das hatte Konsequenzen und führte – wie uns die Evangelien zeigen – zu radikalen Veränderungen im Leben derer, die zu Jesus und seiner Botschaft „ja“ gesagt haben. Aber die Entscheidung für Jesus bedeutet Freude und Erfüllung. Und die Jünger nehmen Teil an seiner Sendung. Sie selbst sollen jetzt Menschen einladen, sich an der Botschaft Jesu vom Reich Gottes zu orientieren. Und sie tun das – vor allem nach der Erfahrung der Auferstehung Jesu – unter Einsatz ihres eigenen Lebens.

 

Fragen an uns

Eine der großen Fragen, die sich viele von uns stellen, ist wohl die, wie denn wir nun diesen Schatz des Himmelreiches entdecken können. Um die Botschaft, um das Reich Gottes zu wissen ist ja etwas anderes, als es selbst zu erfahren. Es mag helfen, bei unseren eigenen Wünschen und Sehnsüchten anzufangen. Worum geht es in unserem Leben? Einige Fragen, die der amerikanische Theologe und Psychologe James Fowler formulierte kommen mir in den Sinn:

  • Für was setzt du dich ein und für was lässt du dich einsetzen? Was verlangt und erhält deine beste Zeit, deine meiste Kraft?
  • Für welche Dinge, Träume, Ziele oder Institutionen gibst du dein Leben hin? 
  • Welche Macht oder welche Mächte flößen dir in deinem Leben Furcht oder Angst ein? Auf welche Macht oder welche Mächte verlässt du dich, welchen vertraust du?
  • Wem oder was fühlst du dich im Leben verpflichtet? Wem oder was im Sterben?
  • Mit wem oder welcher Gruppe teilst du deine heiligsten und innersten Hoffnungen für dein Leben und das Leben derer, die du liebst?
  • Welches sind diese heiligsten Hoffnungen, diese verpflichtendsten Ziele und Zwecke in deinem Leben?

Das sind keine leichten Fragen, kein einfaches Spiel einer Klärung von Werten. Das sind Fragen des Glaubens. Sie wollen uns helfen, zu verstehen, was für uns im Zentrum steht. Sie wollen uns dabei helfen, über die Wert- und Machtzentren nachzudenken, die unser Leben tragen. Die Personen, Ideen und Institutionen, die wir wirklich lieben und denen wir vertrauen, die Bilder von Gut und Böse, von Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit, denen wir uns verpflichtet fühlen - all das bildet das Muster unseres Glaubens.

Der deutsch-amerikanische Theologe Paul Tillich spricht über die Art und Weise, wie wir unser Leben ordnen, über unser Verlangen und unsere Bedürfnisse. Er fragt, welche Werte als zentrierende Kraft in unserem Leben eine Rolle spielen. „Gott-Wert" in unserem Leben sind solche Dinge, die uns unbedingt angehen. Unsere wirkliche Verehrung, unsere wahre Hingabe gilt den Gegenständen, die für uns das letzte Anliegen darstellen. Dieses letzte Anliegen kann schließlich in unserem eigenen Ich oder seinen Verlängerungen liegen — in Arbeit, Ansehen und Anerkennung, Macht und Einfluss, Reichtum. Sein letztes Anliegen kann ein Mensch auch in der Familie, der Universität, der Nation oder der Kirche finden. Liebe, Sex und ein geliebter Partner könnten etwa das leidenschaftliche Zentrum des letzten Anliegens eines Menschen darstellen. Dieses letzte Anliegen ist eine viel bedeutsamere Angelegenheit als der in einem Bekenntnis ausgedrückte Glaubensinhalt oder eine Reihe von dogmatischen Behauptungssätzen. Der Glaube als ein Zustand letzter Betroffenheit kann seinen Ausdruck in institutionellen oder kultischen Religionsformen finden, oder auch nicht. Glauben, so verstanden, ist eine sehr ernste Angelegenheit. Er schließt die Frage ein, worauf wir in unserem Leben setzen. Er formt die Art und Weise, wie wir unsere tiefste Liebe und höchste Loyalität einsetzen.

So stellt sich dann eben für uns die Frage, ob es etwas gibt, für das wir bereit wären, mit Freude alles zu verkaufen, um es dann zu erwerben. Welche Erfahrungen machen wir selbst mit der Botschaft Jesu vom Himmelreich? Liegt darin eine solche Kraft, das wir weiter auf der Suche bleiben, das wir auch durch das Evangelium unser Leben mit so viel Wert wie möglich füllen können, um so zu Zeugen und Jüngern der Botschaft Jesu vom Leben zu werden?

 

P. Dr. Martin Üffing SVD