18. Sonntag im Jahreskreis (A)

Predigtimpuls

Offenheit für andere im eigenen Leid

1. Lesung: Jes 55,1-3
2. Lesung: Röm 8, 35.37-39
Evangelium: Mt 14,13-21

 

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!

Wir leben in einer schnelllebigen Zeit! Bei einem Treffen mit einem Medienvertreter der Deutschen Bischofskonferenz erfuhr ich, dass das beliebte, berühmte und schon lange existierende „Wort zum Sonntag“ mit seinen vier Minuten Redezeit fast das einzige Format dieser Art in den deutschen Bildmedien sei. Kaum einer redet so lange, darf und kann so lange reden. Die Menschen sind an kurze Interventionen, Statements, Meinungsäußerungen gewöhnt. Wir sind ein Fernsehvolk und das prägt uns. Zum einen können wir in der Masse nicht mehr lange zuhören und zum anderen dringen auch diese kurzen Informationen nicht mehr in uns ein; wir verinnerlichen sie nicht. Ganz anders war das zu Jesu Zeiten. Die Menschen suchten ihn, folgten ihm, wollten ihn hören. Und wenn wir den Texten Glauben schenken, dann sprach er bis zur Erschöpfung. Natürlich sind heute andere Zeiten, haben wir andere Mittel, ist unsere Welt gänzlich anders aufgestellt, aber geblieben sind doch einige Dinge, die auch uns heute gut tun würden.

Jesus erfährt im heutigen Evangelium vom Tod seines Wegbereiters Johannes. So ganz beiläufig erwähnt Matthäus dies. Er wollte allein sein. Viel wissen wir ja nicht über das Verhältnis der beiden, aber der Satz „Er wollte allein sein“ spricht von Trauer, von dem Bedürfnis zu verarbeiten, von Schmerz und Leid. Dieses Alleinsein war ihm nicht vergönnt; die Leute folgten ihm. Und hier kommt seine ganze Größe zum Vorschein. Er kann sich zurücknehmen, er kann einstecken, er sieht nicht nur sich. Er sah die Menschen, die ihm folgten und hatte Mitleid. Jesus war ein Mensch, der aus seiner Mitte, aus seiner Gottesbeziehung, heraus lebte. Er hat Enttäuschungen erfahren, aber nie den Blick für den Anderen verloren. Sein Leid, seine Not waren groß, aber dennoch sah er die Bedürftigen, die ihn brauchten. Er war da, kümmerte sich, heilte und war bei ihnen. Heute wird so viel davon gesprochen, dass man auf sich selbst aufpassen muss.

Natürlich kann man sich nicht verbrennen lassen, natürlich muss man sich um sich kümmern. Aber wer kann denn sagen, dass nicht auch die Sorge um den anderen mich selbst weiterbringt, beflügelt, erfüllt? Wir sind doch alle Gemeinschaftswesen und das übertriebene EGO macht uns kaputt. Viele Sorgen hätten wir nicht, wenn es nicht immer nur um MICH ginge. Und genauso geht die Geschichte ja auch weiter. Die Leute sind da, es sind sehr viele, sie müssen essen; der Tag ist vorangeschritten. Die einfache Lösung ist die, sie wegzuschicken, ihnen die Gelegenheit zu geben, sich etwas zu kaufen. Sie sollten sich um sich selbst kümmern. Nein, Jesus sagt seinen Leuten: „Gebt ihr ihnen zu essen.“ Was immer das im übertragenen Sinne heißen mag; ganz sicher ist es eine Aufforderung: „Kümmert euch um sie.“ Und dann wird alles gut. Sie haben wenig und dennoch reicht es. Alle wurden satt und es gab Reste in Hülle und Fülle. Das Wort an uns ist eindeutig: Die Sorge um den Anderen ist nie die Sache des Anderen; es ist meine Sache, es ist unsere Sache, wenn wir denn in Seinem Sinne handeln. Diejenigen, die zu uns kommen, die etwas wollen, die hören lange zu, denen sind wir verpflichtet, die müssen wir auch dann nähren, wenn es Abend geworden ist. Und dann ist da noch eine Haltung, die ich immer wieder reflektieren und lernen muss: In meinem Leben kann alles zusammenbrechen (da kann Johannes sterben), es gibt immer noch um mich herum Menschen, die mehr leiden, die mich brauchen, die darauf angewiesen sind, dass ich da bin. Sehe ich jetzt nur mich? Oder kann ich auch sie sehen? Und was hilft dann am Ende auch mir? Ist es die Sicht auf mein EGO oder haben mir gerade diese Menschen geholfen, den Schmerz und die Trauer, die mich zu zermürben drohten, zu bewältigen? Ganz sicher brauche ich Phasen der Ruhe, der Einkehr ..., aber Jesus zeigt uns im heutigen Evangelium, dass die Fülle sich auch genau dort verbergen kann, wo wir versucht sind, die Waffen zu strecken, nicht mehr zu wollen, wo wir die Leute am liebsten „in die Dörfer schicken“ würden. Keiner von uns ist wie ER, aber das ist ja gerade die Vorbildfunktion und der Ruf in die Nachfolge. Er ist gebeutelt und sieht doch die Anderen. Und genau in dieser Situation blitzt das Leben in Fülle auf. Schnelllebig habe ich am Anfang gesagt. Ja, so ist es heute, aber die menschliche Natur hat sich kaum verändert: Wo einer ist, der wirklich liebt, der wirklich bei seinen Leuten ist, der sich wirklich kümmert und in sich ruht, dem hört man auch zu – auch länger als vier Minuten -, dem schenkt man Vertrauen, dem geht man nach. Diesen Jesus haben wir zu verkünden, so weit wir ihm auch nachhinken, er ist es, den ich und alle anderen den Menschen nahe bringen müssen und letztlich nahe bringen dürfen, denn nur er bringt Leben in Fülle. Amen.

 

P. Fabian Conrad SVD