26. Sonntag im Jahreskreis (A)

Predigtimpuls

Glaube und Werke

1. Lesung: Ez 18,25-28
2. Lesung: Phil 2,1-11
Evangelium: Mt 21,28-32

 

Liebe Schwestern und Brüder in Christus,

 

Christentum ist eine ethische Religion, d. h. sie verwirklicht sich im Alltag. Oder man könnte es modern ausdrücken: Ob man Christ ist, zeigt sich im alltäglichen Verhalten, nicht einfach nur am Sonntag. Das könnte nun missverständlich sein. Denn wir wollen nicht bestreiten, dass der Gottesdienstbesuch am Sonntag mit zu den wichtigsten Aktivitäten des Christen gehört. An ihm zeigt sich der Stellenwert des Glaubens, gerade in einer säkularisierten Welt, wo äußere Formen des Glaubens weniger ins Auge springen. Aber dennoch bleibt der Satz aus dem Jakobusbrief gültig: „Der Glaube ist für sich allein tot, wenn ihm keine Taten folgen“. (Jak 2,17) Martin Luther fand darin einen Widerspruch zur Äußerung des Paulus im Römerbrief, wo es heißt: „Der Gerechte wird aus Glauben leben“ (Röm 1,17) und formulierte dann den Grundsatz, „allein durch Glauben“ werde der Mensch gerecht.

Wir wollen jetzt nicht auf die Jahrhunderte alte Kontroverse zwischen Katholizismus und Protestantismus über Glaube und Werke eingehen. Man hat sich ja im Jahre 1999 grundsätzlich geeinigt, dass sich die Gegensätze im Kern nicht widersprechen und daraus eine Kirchentrennung nicht legitimiert werden könne.

 

Veräußerlichter Glaube ist kraftlos

Aber die Frage bleibt auch für heute erhalten, wie die Gewichte zwischen Glauben und Taten zu lagern sind. In den nicht-monotheistischen Religionen wird sehr oft der Kult einer bestimmten Gottheit als Wichtigstes einer religiösen Haltung dargestellt. Auch im Christentum spricht man des Öfteren despektierlich vom sog. Sonntagschristentum, wenn trotz äußerem Kirchgang und religiösem Brauchtum das tägliche Leben eher von Korruption, Habgier, Übervorteilung und gaunerhaften Verhalten geprägt ist.

Auch das Alte Testament lag in Gefahr, allein im Opferkult Gott genügen zu wollen. Die Propheten sind immer wieder vehement gegen diese Veräußerlichung der Religion eingeschritten. „Ich will den beruhigenden Duft eurer Opfer nicht mehr riechen“, lässt Gott im Buch Levitikus sagen (Lev 26,31). Denn die wahren Opfer vor Gott sind Taten der Gerechtigkeit und der Liebe. Wie leidenschaftlich wettert der Prophet Jeremias gegen eine veräußerlichte Tempelfrömmigkeit, die die Grundwerte der Nächstenliebe vergessen hat! (vgl. Jer 7,1-11) So lesen wir auch heute in der Lesung aus dem Propheten Ezechiel: „Wenn sich der Schuldige von dem Unrecht abwendet, das er begangen hat, und nach Recht und Gerechtigkeit handelt, wird er sein Leben bewahren“ (Ez ). Gottesverehrung ist nach dem Alten Testament das richtige ethische Verhalten im Alltag. Der Mensch ist vor Gott gerecht, wenn er Gottes Willen tut und seine Gesetze befolgt.

 

Seid so gesinnt wie Christus Jesus

Auch Jesus ist im Erbe seines Volkes verwurzelt. Er nimmt es auf, vertieft und konkretisiert es. Für ihn sind Gottes- und Nächstenliebe in der Wurzel verbunden. Denn wer die Liebe Gottes im Glauben annimmt, in dem entsteht die Haltung der Liebe zum Nächsten. „Seid so gesinnt, wie es das Leben in Christus Jesus fordert“, mahnt Paulus in der zweiten Lesung. Die Gesinnung Jesu aber lässt sich in den Worten zusammenfassen: „Jeder achte nicht auf das eigene Wohl, sondern auch auf das Wohl der anderen“ (ebd. )

Paulus spricht hier nicht von caritativen Werken, sondern von menschlichen Grundhaltungen, die unser ganzes Leben durchziehen sollen. Das Wohl des anderen fordert uns in unterschiedlichen Situationen heraus: in der Familie, in der Zivilgemeinde, bei der beruflichen Arbeit und selbst in der Freizeit. Aus der Initiative Einzelner sind oft Hilfsorganisationen und Liebeswerke entstanden, Vereine und Genossenschaften, die sich bewusst um das Wohl der anderen kümmern. Dabei geht es oft nicht um bezahlte Tätigkeiten, sondern um Selbstlosigkeit, Hingabe und persönliche Opfer. Ja, der Christ ist ein Mensch, der in der Nachfolge Jesu grundsätzlich das Wohl der anderen im Blick hat und beruflich und privat alles daran setzt, die Gerechtigkeit zu verwirklichen. Wir tun dies im Bewusstsein vor Gott, der selbst in Jesus unser Diener geworden ist und sich nicht scheute, dafür am Kreuz zu enden.

 

Gott schenkt Kraft zur Liebe

Christentum ist eine ethische Religion, sagten wir zu Anfang. Aber das ist nicht einfach ein moralischer Aufruf zur Weltverbesserung. Die Gerechtigkeit des Menschen ist in Gott verwurzelt. Gerechtigkeit ist ein göttliches Prädikat. Weil Gott gerecht ist, muss der Christ, beschenkt mit Gottes Geist, selbst ein Gerechter werden. Können wir das? Oder sind wir nicht damit überfordert? Entdecken wir nicht oft genug unsere Ohnmacht und unser Versagen? Erfahren wir nicht auch unsere Hilflosigkeit angesichts der Not und des Leides dieser Welt, wenn Millionen von Menschen hungern und auf der Flucht nach Lebensunterhalt sind? Genau hier aber kommt der Glaube ins Spiel. Er besagt, dass die Kraft zum Guten letztlich nur von Gott kommt, dem wir im Glauben immer neu begegnen. Der Glaube, der sich in Gebet und Gottesdienst zum Ausdruck bringt, schenkt auch die Kraft zum mitmenschlichen Tun in selbstloser Liebe. Gottesdienst und Liebestat sind keine Gegensätze, die man gegeneinander ausspielen könnte. Im Gottesdienst erfährt der Mensch den lebendigen und gerechten Gott, von dem er sich verwandeln lässt. In den Taten der Liebe gibt er Zeugnis vom gerechten Gott. So ist es letztlich Gott selbst, der durch unsere Liebestat auf die Menschen zugeht und uns Kraft gibt, wo menschliche Kräfte allein versagen mögen. Wer bereit ist, immer neu umzukehren und immer wieder bei Gott einzukehren, wird die Kraft erfahren, manchmal auch gegen Widerstand und Erfolglosigkeit Taten der Gerechtigkeit und Liebe zu setzen.

 

P. Martin Neuhauser SVD