30. Sonntag im Jahreskreis (A) – Missionssonntag

Predigtimpuls

Überaus stolz bin ich auf die Kirche. Ehrlich, ich bin stolz!

1. Lesung: Ex 22,20-26
2. Lesung: 1 Thess 1,5c-10
Evangelium: Mt 22,34-40

 

Wenn ich Kirche sage, so meine ich natürlich nicht den Pomp, die Orchestermessen und die brillanten Zeremonien bei speziellen Anlässen, auch nicht die kirchlichen Massenveranstaltungen. Das ist nicht meine Kirche. 

 

Unter Kirche denke ich an die grosse Gemeinschaft aller, die an Jesus von Nazareth glauben und von ihm her sich inspirieren lassen in ihrem bescheidenen und oft sehr harten Alltag. Ich denke an jene einfachen Menschen, die ihre Leiden und täglichen Mühen ihrem Gott schenken. Ich denke an jene Menschen, die unter härtesten Umständen an der Güte und Treue Gottes nicht zweifeln. Ich denke an jene Menschen, die in ihrer Solidarität mit den Mitmenschen über alle Grenzen, über ethnische, nationale, religiöse, politische Anschauung hinweg verbunden sind, ohne erst durch Katastrophen dazu bewegt zu werden. Damit möchte ich die Träger der hierarchischen Kirche nicht ausschliessen; aber ich stimme mit der Frau überein, die dem Bischof an seinem Weihetag sagte: „Das Kirchenvolk ist unterwegs. Sie sind herzlich eingeladen mitzugehen.“ (Anlässlich der Bischofsweihe von Felix Gmür am 16. Januar 2011 für das Bistum Basel.)

 

Wo in der Welt gibt es eine Institution, die rund um den Globus so viele edle und heroische Menschen inspiriert, wenn nicht die christlichen Kirchen, die die Botschaft Jesu in alle Winkel der Erde trägt? Botschaft der Liebe, Freiheit und Leben. - Wo in der Welt gibt es eine Institution, die das Leben aller von Empfängnis bis zum natürlichen Tod schützt und verteidigt? Eine Botschaft, die jedem Leben seinen unantastbaren Wert gibt?

 

Das ist die Kirche für die ich mich begeistere und aus der ich nie austreten will. Ich fühle mich verbunden mit all diesen edlen Menschen und bemühe mich, einer unter ihnen zu sein, meinen Beitrag – wenn auch bescheiden – beizutragen. Das Beispiel, dem wir folgen, ist Jesus, der dreissig Jahre ganz anonym seine schlichte Arbeit als Zimmermann machte und niemandem auffiel. Er meisterte seinen Alltag, so wir es tun. Diese dreissig Jahre sind Teil unserer Erlösung und wollen unseren eigenen Alltag als wertvoll bestätigen.

 

Diese Gedanken gehen mir heute, am Missionssonntag, der auf der ganzen Welt gefeiert wird, durch den Kopf. Der Missionssonntag will uns alljährlich daran erinnern, dass es unsere Aufgabe ist, das Beispiel Jesu nachzuahmen und der Welt vorzuleben. So wie Jesus in die Welt kam, damit die Welt Leben und es in Fülle habe, sind wir berufen, für das Leben in Fülle für alle Menschen einzutreten. Jesus lebt uns diese Aufgabe vor. Er ist der Weg, unser grosser Meister. Er schloss niemanden aus, gab selbst den Sündern Hoffnung mit seiner verzeihenden Liebe, setzte alle seine gottgegebenen Talente ein, um den Menschen zu dienen, und scheute sich nicht, selbst sein Leben für seine Freunde hinzugeben. Er lebte sein Leben ganz für die andern, für uns. In seinem Gottesreich braucht es keine Bewerbung um Asyl. Selbst an den Wegkreuzungen ruft er alle herein zum festlichen Gastmahl.

 

Deine und meine Aufgabe steht ganz im Dienste des Lebens für alle. Und Leben in Fülle bedeutet: Gerechtigkeit, Frieden, Freude, Wohlwollen …, aber all das nicht in einer fernen Zukunft, sondern jetzt schon müssen wir Hand anlegen, damit es in unserem Alltag Wirklichkeit wird. Solange es Hunger in der Welt gibt, solange das Gefälle von Reich und Arm, von Nord und Süd so gross ist, solange die Ungerechtigkeit so viele erdrückt, wird es keinen Frieden und keine Freude für die Menschheit geben.

 

Leben und zwar Leben in Fülle ist das Schlüsselwort der Botschaft Jesu; Leben in Würde für alle ist deshalb auch das Schlüsselwort der christlichen Kirchen. Wenn wir der Institution Kirche noch so viele Vorwürfe der Untreue und Sündhaftigkeit machen können – Untreue und Sündhaftigkeit, zu der wir selbst immer wieder beitragen –; aber wenigstens für Leben für alle ist sie immer eingestanden.

Pater Suso Braun, ein berühmter Radioprediger in den 50er/60er Jahren brachte einmal ein eindrückliches Beispiel und sagte: „In jeder schönen und gepflegten Parkanlage mit herrlichen Blumenbeeten und bunten Sträuchern, gibt es immer auch irgendwo in einer Ecke einen Misthaufen, wo man verwelktes Gartenzeug zum Kompostieren entsorgt.“ Dann fuhr P. Suso fort und sagte weiter: Ein Besucher des Parks kann sich an der herrlichen Anlage erfreuen; aber es gibt eben immer auch solche, die nur den Mist sehen.“

 

Wie viele Christinnen und Christen haben ihr Leben verloren, weil sie großen Landlords, oder großen wirtschaftlichen Unternehmen im Wege standen? Sie traten für das Leben armer Menschen ein. Sie gaben Stimme, jenen, die in der Gesellschaft keine Stimme haben. Wie viele gaben ihr Leben im Dienste von Kranken? Unzählige Heldinnen und Helden hat die Kirche im Dienste des Lebens hervorgebracht. – Nochmals, ich bin stolz auch auf diese Kirche, die uns solch heroische Menschen schenkt durch ihre Lehre der wahren Werte. Diese Kirche möchte ich unterstützen!

 

Habt ihr schon einmal bedacht, wie sehr sich die Kräfte des Todes in der Welt organisieren: der Drogenhandel, der Sklavenhandel, der Waffenhandel, die Prostitution, Kindersoldaten, Pornografie … zerstörerische Kräfte in der Welt bis ins Letzte organisiert. Meint ihr nicht auch, dass es richtig ist, die guten Kräfte, die Leben schützen und fördern zu organisieren. Einheit im Guten ist eine mächtige Kraft. Das ist Licht der Welt, Salz der Erde. Die Kirche überall in der Welt setzt Zeichen der Hoffnung, wo sie sich für das Leben der Armen und Benachteiligten, der ungerecht Behandelten einsetzt. Hier benötigen wir die Institution Kirche, denn geballt für das Gute hat sie Gewicht in der Gesellschaft. – Auch diese Kirche von Heiligen und Sündern erfreut mich.

 

Wenn mir heute am Missionssonntag diese Gedanken kommen, so ist mir bewusst, dass auch von mir Taten erfordert sind. Wir müssen uns in unserem täglichen Leben für den Mitmenschen einsetzen mit unseren Talenten, unserer Zeit, unserem Wohlwollen. Das wird uns eine bessere Welt bringen. Diese grosse Einheit in der Liebe, die auf Jesus von Nazareth zurückgeht, lässt mich an die Erfüllung der Utopie glauben, dass eine Welt ohne Grenzen entstehen kann, das Reich Gottes.

 

P. Johann-Rudolf Krieg SVD