1. Adventssonntag (B)

Predigtimpuls

Stopp sagen, damit das Leben nicht unter die Räder kommt

1. Lesung: Jes 63,16b -17.19b; 64.3-7
2. Lesung: 1 Kor 1,3-9
Evangelium: Mk 13,33-37

 

Wir stehen im Advent. Advent ist Zeit der Ankunft.

Erwartest du jemand? Erwartest du etwas? - Es kommt jemand! Freust du dich darauf? Oder ist es dir lieber, wenn er an deinem Haus vorbeigeht? Wenn alles dabei bleibt, wie es ist? Wenn keiner die geordnete Welt durcheinander bringt, in der du dich eingerichtet hast?

Wenn du aber zusammen mit mir und vielen anderen den, der da kommen soll, aufnehmen willst, dann geh mit uns vier Schritte auf Weihnachten zu. An jedem Adventssonntag gehen wir einen Schritt, der eine Anregung sein will für die ganze Woche. So wirst du einen guten Weg der Vorbereitung auf das Weihnachtsfest gehen.

Die Symbole für den 1. Advent sind das Stopp-Schild und die Lupe.

1. Das Stopp-Schild.

Jesus mahnt uns im Evangelium dreimal: „Seht euch vor, und bleibt wach! Seid wachsam!“ Was meint er damit? Sollen wir die Zeit, die wir zum Schlafen nutzen, verkürzen und länger aufbleiben? Nein! Wir sollen das in einem geistigen Sinn verstehen und uns fragen: Wo bin ich denn nicht wach genug? Wo lasse ich mich einlullen und in Sicherheit wiegen, wo jedoch größte Aufmerksamkeit gefordert wäre und ein kritischer Geist? Wo lasse ich mich treiben, wo es nötig wäre, ein Stopp-Schild zu erheben und zu sagen: „Stopp! So nicht!“?

Der Advent ist eine Zeit der Vorbereitung, denn Gott möchte kommen. Wir dürfen das nicht zu sehr an der Advents- und Weihnachtszeit zum Ende des Jahres festmachen. Was wir in diesen Wochen besinnlich und feierlich begehen, das ist ein immer gültiges Geheimnis des Reiches Gottes: Gott will jederzeit in unser Leben treten mit seiner aufrichtenden Gerechtigkeit, mit seiner annehmenden Liebe und mit seiner befreienden Wahrheit. Und wir sind jeden Tag herausgefordert zu wählen. Wir können uns von Erwartung und Druck, von Leistungsanforderung und Stress, von Hektik und Betrieb so in Beschlag nehmen lassen, dass wir meinen, wir können gar nicht mehr anders. Dann sind wir eingeschlafen, dann ist es vorbei mit unserer Wachsamkeit, dann schwimmen wir wie betäubt im großen Strom mit, ohne vielleicht genau zu wissen, warum und wohin.

Wachsam sein, bedeutet hier: Stopp-Schilder erheben.

  • Ein Stopp-Schild dem Immer-noch-Mehr. 
  • Ein Stopp-Schild dem „Streng dich mehr an, du bist nicht gut genug“.
  • Ein Stopp-Schild dem „Beweise dich in Erfolg und Karriere, damit du dazugehörst“. 
  • Ein Stopp-Schild dem Alles-Haben-Müssen, um andere zu beeindrucken. 
  • Ein Stopp-Schild dem rasanten Tempo, das dich nicht mehr zu Atem kommen lässt.

Die erste Botschaft des 1. Advent ist: Sage Stopp!

 

2. Die Lupe

Jesus erzählt im Evangelium von einem Mann, der auf Reisen ging und seinen Dienerinnen und Dienern verschiedene Aufgaben übertrug. Sie sollten wachsam sein und die Rückkehr des Herrn erwarten. Was meint er damit? Der Reisende ist Jesus selbst. Weil er physisch greifbar nicht mehr unter uns ist, hat er jeder und jedem von uns Aufgaben anvertraut, damit wir an seiner Stelle die Liebe, die er uns geschenkt hat, für unsere Mitmenschen konkret erfahrbar machen, jede und jeder nach den gegebenen Fähigkeiten. Es geht um die Verwirklichung des Reiches Gottes, darum, dass wir uns für Gerechtigkeit, für Versöhnung und für eine geschwisterliche Gemeinschaft einsetzen.

Wachsam sein, bedeutet hier: die Lupe hernehmen.

  • Die Lupe hernehmen, um zu schauen, was im alltäglichen Geschäft unter die Räder gekommen ist und klein gemacht wird. 
  • Die Lupe hernehmen, um die Botschaft Jesu zu vergrößern, die gegenüber den gigantischen Werbeplakaten der heutigen Zeit wie unwichtiges Kleingedrucktes erscheint. 
  • Die Lupe hernehmen, die uns wieder die Feinheiten des Lebens, der Beziehung, der Liebe entdecken lässt, die wir im inszenierten Spektakel von Konsumieren und Produzieren aus dem Blickfeld verloren haben. Genauer hinschauen, ob der Weg, den wir gehen, zum Leben führt oder ob er uns der Prozession derer zuführt, die sich von Blinkreklame und Konsumanreiz verleiten lassen, Beziehungen zu vernachlässigen, es mit der Wahrhaftigkeit nicht ernst zu nehmen, Dankbarkeit und Zufriedenheit zu verlieren.

Die zweite Botschaft des 1. Advent ist: Schau hin mit der Lupe auf das, was zu kurz kommt!

 

Wir haben den Advent bitter nötig. Denn ohne Stopp-Schild und ohne Lupe sind wir in großer Gefahr, dass wir uns leben lassen, anstatt selber zu leben. Ohne Stopp-Schild und Lupe kommt das Leben unter die Räder. Gott aber hat für uns nicht vorgesehen, dass wir ein beliebig ersetzbares Zahnrad in einer unmenschlichen Maschinerie werden. Ständig müssen wir beweisen, wie leistungsfähig wir noch sind, damit wir nicht ausgemustert werden. Nein! Gottes Plan für uns ist ein viel froheres und freieres Leben.

Dieser Advent gibt uns die Möglichkeit, die Weichen neu zu stellen, damit wir am Leben Gottes der Fülle Anteil haben. Der 1. Advent sagt uns: Du hast die Wahl. Du kannst dich zu einem Zahnrad machen lassen, dich mitdrehen, immer schneller, in der Hoffnung, dass etwas Glück für dich abfällt. Du kannst der Botschaft von Leistung, Erfolg und Belohnung glauben, mit der die Wirtschaft dich für ihre Zwecke ködern will. Du kannst aber auch das Stopp-Schild erheben und sagen: Halt! Ich nehme mir jetzt Zeit, zu überdenken wie ich lebe. Ich nehme mir jetzt Zeit zu spüren, was mich wirklich glücklich macht. Und du kannst die Lupe hernehmen, ein spirituelles Buch lesen oder die Bibel, an einem Besinnungstag teilnehmen, die Familie zum Gebet versammeln, damit die Stimme des Lebens aus Gott wieder groß wird, klar und verständlich für deine Lebensrealität.

 

P. Thomas Heck SVD