4. Adventssonntag (C)

Predigtimpuls

Gottes Wille – dem Menschen begegnen

1. Lesung: Mi 5,1-4a
2. Lesung: Hebr 10,5-10
Evangelium: Lk 1,39-45


Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!

In den Lesungen dieses Vierten Adventssonntags steckt so viel an Thematik, dass wir uns eigentlich etwas beschränken müssten – ganz gegen den Trend der heutigen Zeit, die meist alles schnell und auf einmal will. Es wird auch schwerfallen, weil so ziemlich alles gesagt wird, um was es beim kommenden Fest geht und bei diesen Themen sollten wir nicht kleinlich sein: Gottes Themen verdienen unsere volle Aufmerksamkeit, dabei darf es überschwänglich und reich werden. 

Der Prophet Micha beginnt den Reigen und nennt den Geburtsort des kommenden Erlösers, des Erwarteten, des Friedensfürsten – Betlehem. Es mag sich um einen kleinen und unbedeutenden Ort handeln, aber der Name ist das Programm – Haus des Brotes, Haus des Lebens, im weiteren Sinn. ER, der Erlöser, kommt aus diesem Lebensborn, aus einem Ort, der für das Leben steht und es erhalten will. Darüber hinaus wird ER ein Hirte sein, kein Machthaber. Sein Verhalten wird von Fürsorge geprägt, nicht vom Herrschen. Seine Anliegen sind Sicherheit und Friede, nicht Gier und Nutzen. ER wird so ganz anders geschildert als all diejenigen in solchen Positionen, die wir bis hierhin kennen. Bis heute wissen wir um die Versuchungen, die Macht und Einfluss begleiten. Welcher Herrscher hat sich schon wie ein Hirte benommen und in Selbstlosigkeit seinen Anvertrauten gedient, sich mit Leib und Seele für ihr Leben und Wohl engagiert? Das gab es noch nie so wirklich und in Reinform. Herrscher sind anders, haben immer etwas behalten von dem, was ihnen ihren Status gibt. Auf der Ebene der ihnen untergebenen Menschen sind sie selten angekommen und verstehen deshalb auch meist ihre Anliegen und Sorgen so schlecht. 

Die zweite Lesung aus dem Hebräerbrief krönt die Aussage über den kommenden Sohn Gottes: Alles, was bisher an Opfern gebracht wurde, war sinnlos und auch nicht wirklich gewollt. Allein die Hingabe Jesu Christi konnte zum Heil führen. Zu oft wird sein blutiger und schlimmer Tod am Kreuz in den Vordergrund gestellt. Es geht um viel mehr. Gott ist in der Menschwerdung auf den Menschen zugegangen; hat sich das Menschliche zu eigen gemacht. Hätte er es nicht bis zum Äußersten des Todes getan, wäre er in den Verstrickungen blasser Worte und Verheißungen stecken geblieben. Nein, es musste die Erfahrung des ganzen Lebens sein. Und dazu gehört der Tod, ob wir das hören wollen oder nicht. Die Art seines Todes ist dem Aufbegehren gegen die Ungerechtigkeit der Herrschenden geschuldet. Wahres Einstehen für die Armen und Schwachen ist eine gefährliche Sache.Das war damals so und ist es bis heute geblieben. Aber genau diesen Weg hat Gott gewählt, diesen gefährlichen, diesen barmherzigen und letztlich auch ungewöhnlichen Weg, den der große auf den kleinen Menschen zu macht. 

Und gerade im Evangelium des heutigen Tages bekommen wir schon von den Anfängen her mit, wie sich im Vorgehen des Göttlichen die Vorzeichen verdrehen. Es ist nicht der Mensch, der sich auf Gott hin bewegt. Gott geht auf den Menschen zu, sucht ihn, will ihn treffen und heiligen. Maria, die den Heiland unter dem Herzen trägt, geht auf Elisabeth zu, nicht umgekehrt. Ist nicht das ganze Evangelium in diesem Sinn eine „verdrehte“ Geschichte, in der das Große, der Göttliche, den Menschen immer wieder ganz bewusst sucht, ihm die Hand reicht, ihm Zuspruch gibt? Und alle, die diese einzigartige Geschichte Gottes mit dem Menschen umdrehen wollen in eine allzu bekannte Geschichte des Menschen mit Gott, werden sich belehren lassen müssen. Er kommt, bricht in diese Welt ein, sucht uns und alle anderen, um seinen Frieden, seine Sicherheit, seine Gerechtigkeit kund zu tun. Die Geschichte der schwangeren Maria, die sich auf den Weg macht, um ihre betagte Cousine im Bergland von Judäa zu treffen, ist ein herrliches Bild für dieses Auf-den-Menschen-Zugehen unseres Gottes. Viel ist über diese Begegnung geschrieben worden, in mancherlei Hinsicht wurde der Text gedeutet. Es geht hier ganz sicher nicht um einen einfachen Verwandtenbesuch. Hier kommen sich Gott und die Menschen näher. Schon ganz zu Beginn, schon pränatal, begegnet Jesus stellvertretend für alle, die guten Willens sind, Johannes, der ihm mit seiner Predigt und Taufe den Weg ebnen wird. Johannes wird derjenige sein, der wie kein anderer seine Sendung begriffen hat. Die beiden Frauen, die sich begegnen, sie werden, bei allem Respekt für ihre Rolle, zur „heiligen“ Nebensache. Ganz tief im Innern der Erzählung geht es um die Begegnung zwischen Gott und Mensch. Und Gott macht sich unter beschwerlichen Bedingungen auf, den Menschen zu suchen, ihm zu begegnen. Dieser Gast macht doch Freude. Seine Aufmerksamkeit können wir gar nicht hoch genug einschätzen. Vielleicht haben wir das alles noch nicht so ganz begriffen: Gott kommt, wir sollen alle nur gute und erwartungsvolle Gastgeber sein. Ihm zuzutrauen, dass er auch mein und unser Heim findet, hat etwas mit Weihnachten zu tun, mit dem Glauben, dass er Licht, Friede und Gerechtigkeit auch in unser kleines und alltägliches Leben bringen will. Amen.


P. Fabian Conrad SVD