4. Adventssonntag (B)

Besinnung

Betrachtung zur Lesung aus dem ersten Testament: 2Sam 7,1-16

2 Sam 7,1-16
(hier der komplette Text; der verkürzte Sonntagstext steht in Fettdruck)


Der Text: 2 Sam 7,1-16 

7,1: Als nun der König in seinem Haus wohnte und der Herr ihm Ruhe vor allen seinen Feinden ringsum verschafft hatte,
1-17: Die Natan-Verheißung bildet die Grundlage für das dauernde
Bestehen der Daviddynastie und damit für die messianische Erwartung.
V 2: sagte er zu dem Propheten Natan: Ich wohne in einem Haus aus Zedernholz, die Lade Gottes aber wohnt in einem Zelt.
V 3: Natan antwortete dem König: Geh nur und tu alles, was du im Sinn hast; denn der Herr ist mit dir.
V 4: Aber in jener Nacht erging das Wort des Herrn an Natan:
V 5: Geh zu meinem Knecht David, und sag zu ihm: So spricht der Herr: Du willst mir ein Haus bauen, damit ich darin wohne?
V 6: Seit dem Tag, als ich die Israeliten aus Ägypten heraufgeführt habe, habe ich bis heute nie in einem Haus gewohnt, sondern bin in einer Zeltwohnung umhergezogen.
V 7: Habe ich in der Zeit, als ich bei den Israeliten von Ort zu Ort zog, jemals zu einem der Richter Israels, die ich als Hirten über mein Volk Israel eingesetzt hatte, ein Wort gesagt und sie gefragt: Warum habt ihr mir kein Haus aus Zedernholz gebaut?
Richter: Text korr. mit 1Chr 17,6; H: Stämme.
V 8: Sag also jetzt meinem Knecht David: So spricht der Herr der Heere: Ich habe dich von der Weide und von der Herde weggeholt, damit du Fürst über mein Volk Israel wirst,
V 9: und ich bin überall mit dir gewesen, wohin du auch gegangen bist. Ich habe alle deine Feinde vor deinen Augen vernichtet, und ich will dir einen großen Namen machen, der dem Namen der Großen auf der Erde gleich ist.
V 10: Ich will meinem Volk Israel einen Platz zuweisen und es einpflanzen, damit es an seinem Ort (sicher) wohnen kann und sich nicht mehr ängstigen muss und schlechte Menschen es nicht mehr unterdrücken wie früher
V 11: und auch von dem Tag an, an dem ich Richter in meinem Volk Israel eingesetzt habe. Ich verschaffe dir Ruhe vor allen deinen Feinden. Nun verkündet dir der Herr, dass der Herr dir ein Haus bauen wird.
V 12 Wenn deine Tage erfüllt sind und du dich zu deinen Vätern legst, werde ich deinen leiblichen Sohn als deinen Nachfolger einsetzen und seinem Königtum Bestand verleihen.
V 13: Er wird für meinen Namen ein Haus bauen, und ich werde seinem Königsthron ewigen Bestand verleihen.
V 14 Ich will für ihn Vater sein, und er wird für mich Sohn sein.
Wenn er sich verfehlt, werde ich ihn nach Menschenart mit Ruten und mit Schlägen züchtigen.
V 15: Meine Huld aber soll nicht von ihm weichen, wie sie von Saul gewichen ist, den ich vor deinen Augen verstoßen habe.
V 16: Dein Haus und dein Königtum sollen durch mich auf ewig bestehen bleiben; dein Thron soll auf ewig Bestand haben. 


Textbetrachtung  

Durch die heutige Magnetfeldforschung wissen wir, dass erst ab 722 v.Chr. nach der Vernichtung des Nordreiches durch die Assyrer das spätere Südreich Juda intensiver besiedelt wurde. Jerusalem, die so genannte Stadt Davids, war damals noch eine bescheidene kanaanitische „Stadt“ mit höchstens etwa tausend Einwohnern und einem kleinen Tempel des Regengottes Baal. Die Davidgeschichten des 2. Samuel Buches erzählen deswegen keine historische Wirklichkeit, sondern beschreiben mit der davidischen Dynastie die unzerstörbare Treue Gottes zu seinem Volk. Vor allem nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels und der Eroberung Judäas durch die Babylonier und während des Babylonischen Exils (586-538 v.Chr.) bestärkten die Davidverheißungen und Davids Wunsch, Jahwe einen Tempel zu bauen - obwohl im damaligen Jerusalem bereits ein Baalstempel stand, der in Wirklichkeit lediglich übernommen wurde - die Exilierten im Vertrauen auf die Treue Gottes zu seinem Volk. Seitdem erwartete man einen Messias, der Davids Reich wieder herstellen würde und unter dem das Judenvolk nicht zu leiden hat. Aber wie sollen die Gläubigen Israels an einen Messias, dessen Reich nicht von dieser Welt ist, (vgl. Joh 18,36), oder unter dem und seinen Anhängern die Juden zweitausend Jahre bis Auschwitz Schreckliches erleiden mussten, glauben können? 

7,1: Das Haus des Königs David spielt in dieser Geschichte eine Doppelrolle.  

V 2: Mit seinem Propheten Natan spricht David über seine Bedenken. Er wohne in einem Palast aus Zedernholz, die Lade Gottes aber „wohne“ in einem Zelt. Über der Lade Gottes, in der die Tafeln der „Zehn Worte“ aufbewahrt wurden, „wohnte“ nach biblischer Überzeugung Jahwe, der die Moseschar von Ägypten bis ins Land der Verheißung geführt hat.  

V 3: Natan ist einverstanden, was der König im Sinn hat. Was David beabsichtigt, wird zwar nicht ausdrücklich gesagt, aber es kann aus seinem Vergleich erschlossen werden. Natan ist jedenfalls überzeugt, dass Jahwe mit ihm ist. 

V 4: Und wie wahr das ist, erfährt der Hofprophet in der kommenden Nacht. 

V 5: Gott schickt ihn zurück zu seinem Knecht David mit einer vorwurfsvollen Frage. Das hebräische Wort „Haus“ kann gleichzeitig Tempel und Palast, Dynastie oder Familie bedeuten. Und mit dieser Mehrdeutigkeit spielt der Text. David wohnt in einem prunkvollen Palast (Haus) und beabsichtigt, dem Gott der Moseschar einen Tempel (Haus) zu errichten. Im Gegenteil wird Gott dem David ein Haus, eine Dynastie, „bauen“ (vgl. 7,11).

V 6: In dem ausgelassenen Text erinnert Jahwe den David daran, dass er immer nur in einem Nomadenzelt gewohnt habe, als er die Israeliten aus Ägypten heraufgeführt hat. 

V 7: Auch in der Zeit der Richter habe er niemals einen Palast (Haus aus Zedernholz) für sich gefordert. 

V 8: Mit diesem Vers fährt die sonntägliche Lesung fort. Der Hofprophet Natan soll David weiterhin an den himmelweiten Unterschied zwischen Gott, dem Herrn der Heerscharen, und dem Hirtenjungen aus Betlehem, den er zum Fürst Israels gemacht hat, erinnern. 

V 9: Gott war doch immer mit ihm und hat alle seine Feinde vernichtet. Und jetzt verspricht er ihm eine gleiche Bedeutung zu erlangen wie die Großen der Erde, die Geschichte gemacht haben.

V 10: Das Volk Jahwes wird einen Platz bekommen, an dem es sicher wohnen kann und sich nicht mehr ängstigen muss, unterdrückt zu werden. 

V 11: Schon seit der Zeit der Richter (1200-1020 v.Chr.) hatte das Volk mehr oder weniger Ruhe vor seinen mehrfach besiegten Feinden. Durch den Propheten Natan verspricht Jahwe dem David, dass er eine Dynastie (Haus) begründen wird. Seit 931 v.Chr. gibt es das Nordreich „Israel“ und das Südreich Juda. Bis 586 v.Chr., als der neubabylonische König Nebukadnezar II. (605-562 v.Chr.) Judäa eroberte und den Jerusalemer Tempel zerstörte, hat die davidische Dynastie am längsten in Israel regiert.

V 12: Damit wird erstmals in Israels Geschichte das Königtum auf den Sohn vererbt. Vom Vater auf den leiblichen Sohn wird es zukünftig übergehen. Und das Königtum eines jeden Sohnes wird Bestand haben.

V 13: Salomo, der leibliche Sohn Davids, wird schließlich dem Namen Gottes, damit wird die Person und Anwesenheit Jahwes umschrieben, einen Tempel (Haus) bauen. Nicht David oder Salomo bestimmen, sondern Gott handelt. Er verspricht David eine Familiendynastie. Und dem Königsthron der Nachfolger Davids verspricht Gott ewigen Bestand. 

V 14: Der irdische Jude Jesus hat sich wohl höchstens mal als „Menschensohn“, (vgl. Dan 7,13), bezeichnet. Aber alle anderen Hoheitstitel wie „Messias“ und „Sohn Gottes“ sind im Mund des irdischen Jesus aus Nazaret undenkbar. Nach den Erlebnissen mit dem Auferweckten hat man dann in den Büchern des Alten Testamentes, der einzigen Bibel der neutestamentlichen Autoren, nach sogenannten „Schriftbeweisen“ gesucht. Für die neutestamentliche Predigt vom Messias Jesus Christus war es ganz sicher sehr wichtig, dass er ein Sohn Davids war, (vgl. Mk 10,47f; Mk 17, 35.37). Denn auf diese Weise galt auch ihm in besonderer Weise das Versprechen Jahwes für Salomo und jeden Sohn Davids: „Ich will für ihn Vater sein, und er wird für mich Sohn sein.“ Schon der irdische Jesus nannte als gläubiger Jude des Volkes Israel Jahwe seinen Vater, denn das ganze Volk Israel hatte Gott zu seinem Vater: „Das soll Mose dem Pharao sagen: So spricht Jahwe: Israel ist mein erstgeborener Sohn“ (Ex 4,22). Und im Zwölfpropheten-Buch heißt es beim Propheten Hosea: „Als Israel jung war, gewann ich ihn lieb, ich rief meinen Sohn aus Ägypten“ (Hos 11,1). Auch im Jesajabuch wird Gott der Vater Israels genannt: „Und doch bist du, Herr, unser Vater“ (Jes 64,7). Jahwe handelt wie ein Vater, ist aber kein Vater mit einem männlichen Geschlecht. Wenn sich ein Sohn Davids verfehlt, wird er ihn nach Menschenart bestrafen. Dass aber der Vater und der Sohn wesensgleich eins sind (vgl. Joh 10,30; Joh 10,38), das können erst Menschen nach der Auferweckung und Auferstehung Jesu erkennen. Sie bestätigt, dass der Vater und der Sohn eines Wesens sind: „Als der Hauptmann, der Jesus gegenüberstand, ihn auf diese Weise sterben sah, sagte er: Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn“ (Mk 15,39).

V 15: Das hebräische Wort, das in der Einheitsübersetzung meistens mit „Huld“ übersetzt wird, ist viel richtiger mit „Verbundenheit“, „Solidarität“ und „beständig bewiesene Gemeinschaft“ wiederzugeben. Dem Salomo, der die Reihe der Söhne Davids eröffnet, wird Gott nie seine Verbundenheit und Solidarität aufkündigen wie er es mit Saul, dem ersten König Israels, gemacht hat. 

V 16: Abschließend wird noch einmal betont, dass die Dynastie Davids „auf ewig“ bestehen bleiben. Historisch gesehen hat Gott diese Verheißung nicht erfüllt, denn 586 v.Chr. endete mit der Vernichtung Judäas die davidische Dynastie. Dennoch glaubte man nach der Auferweckung Jesu, dass sich in ihm das Versprechen Gottes endlich vollendet: Er ist der König der Juden, aber sein Königreich ist nicht von dieser Welt (vgl. Mk 15,26; Joh 18,36).


P. Hieronymus Horn OSB