4. Adventssonntag (B)

Predigtimpuls

„Nicht mit Macht – sondern mit Ohne-Macht“

1. Lesung: 2Sam 7,1-5.8b-12.14a.16
Antwortpsalm: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: Röm 16,25-27
Evangelium: Lk 1,26-38
Zum Kantilieren des Evangeliums: www.stuerber.de

Ist bei Gott wirklich nichts unmöglich?

Sehnsucht nach dem Leben, nach Liebe, nach Freiheit

Es ist schon verständlich und nachvollziehbar, wenn Menschen in schwierigen Situationen Halt suchen bei Gott oder dort, wo sie eine größere Macht vermuten. Hin und wieder habe ich dies auch in Buenos Aires erlebt, wenn die Christen unseres Barrios (=Stadtviertel) sich auf einmal einer Sekte zuwandten, die ihnen die Lösung aller Probleme versprach; sie mussten nur zu ihnen kommen – und natürlich ihren finanziellen Beitrag leisten. `Wollt ihr endlich raus aus eurer Not? Wollt ihr wieder gesund werden und eine Arbeit bekommen? Wollt ihr stets das nötige Geld in der Tasche haben? Wollt ihr gerettet werden – und nicht dem Teufel verfallen? Dann kommt zu uns! Schließt euch unserer Kirche an!´ Damit lockten sie die einfachen und schlichten Leute. Viele von denen, die zu einer solchen „Kirche“ abwanderten, kamen doch bald wieder zurück – mit einem schlechten Gewissen. Ihre Sehnsucht nach dem Leben, nach Heil, war dort nicht erfüllt worden. Sie erfuhren sehr persönlich und am eigenen Leib: So lässt Gott nicht mit sich handeln. Für ihn mag zwar alles möglich sein – aber er zaubert nicht, trickst weder seine Schöpfung noch uns Menschen aus. Er nimmt uns nicht unsere Möglichkeiten und Verantwortung in und für diese Welt. Er hat gerade die Sehnsucht in uns gelegt, damit wir nicht bei der begrenzten und oft kurzfristigen Erfüllung unserer Wünsche stehen bleiben – sondern vielmehr offen sind für das, was er für uns bereitet hat - letztlich das Leben in Fülle bei ihm. 


Gott braucht Menschen 

Um diese Sehnsucht immer wieder wach zu halten, um sie wenigstens anfanghaft zu spüren und zu erleben, braucht Gott Menschen, die mit ihrem ganzen Leben daran glauben. Die sich darauf einlassen können. Vielleicht gilt für uns heute – in der sogenannten Konsumgesellschaft – mehr denn je: Es muss im Leben mehr als ALLES geben! Es gibt überall solche Menschen: unter den Reichen und Armen, unter den Intelligenten und schlichten Geistern, unter den Mächtigen und den Machtlosen. Sie besitzen eine gewisse Genügsamkeit mit dem Vergänglichen, weil sie stets auch das Vorläufige und Begrenzte (bis hin zu den Gefahren) sehen, die davon ausgehen, wenn man es verabsolutiert und als Maß aller Maße nimmt. "Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben." (1Kor 2,9), das verkündet Paulus auch der heutigen adventlichen Gemeinde. Lassen wir uns deshalb nicht von Äußerlichkeiten bestimmen und hetzen, was man alles haben oder tun müsste. Es braucht solche Menschen, die gegen den Strom schwimmen. Das gilt wohl ebenso für uns als Volk Gottes unterwegs, für die Kirche – wenn wir bei Samuel in der heutigen Lesung hören: „Du willst mir ein Haus bauen, damit ich darin wohne?“ (2Sam 7,5b). Wir können auch der Versuchung erliegen, uns allzu sehr für Kirchenbau, liturgische Gewänder und Geräte, Einrichtungen in der Pfarrei etc. einzusetzen – und dabei die Armen „vergessen“. Sehr nachdenklich hat mich einmal ein übergroßes Plakat im bedeutenden Marienheiligtum Luján bei Buenos Aires gemacht. Über dem Seitenaltar, wo die Gläubigen ihre Kerzen opfern und anzünden, stand geschrieben: Bitte werfen Sie kein Opfergeld mehr in den Kerzen-Opferstock – geben Sie statt dessen eine Gabe für die Armen! 


Und das Wort ist Fleisch, Mensch geworden 

Gott ist in Jesus von Nazaret doch Mensch geworden in sehr einfachen, ja ärmlichen Verhältnissen; geboren in einem Stall, außerhalb, nicht in einem schönen Haus oder Palast oder einer erstklassigen Klinik. Später hat er sich immer auf die Seite der Kleinen, der Armen, der Ausgegrenzten gestellt – und dabei den Menschen gezeigt, wie unser Leben gelingen kann, wenn wir uns ganz auf Gott hin ausrichten und verlassen. Wenn wir die anderen als unsere Schwestern und Brüder, uns alle als Familie, verstehen. Wenn wir auf den vertrauen, der uns Macht und Kraft verleiht (vgl. Röm 16,25) und der uns somit viel zutraut. „Handle so, als ob alles von dir abhängt – und so, als ob alles von Gott abhängt“ (Hl. Ignatius), nicht als unverbundene oder sogar dialektische Spannung, sondern als Ermutigung zum Leben und Handeln. Gott hat sich doch in der Menschwerdung Jesu, die wir wieder feiern werden, mit uns identifiziert und ist „herabgestiegen“ zu uns. 


Dem Geheimnis Gottes näher kommen

Wir sind vielen Geheimnissen des Lebens und der Welt auf die Spur gekommen und sollten so doch eigentlich auch die Spuren Gottes besser erkennen und entschlüsseln können - oder? Die einen meinen, dass wir bald schon den Schlüssel des Lebens finden werden und dann auch selber Leben schaffen können. Manche Erkenntnisse der Wissenschaft haben schon sehr positive Früchte hervorgebracht. Andere Entdeckungen führen uns aber offensichtlich in eine Situation des Zauberlehrlings, der die Folgen seiner Kunst nicht mehr in den Griff bekommt. Offensichtlich dürfen wir nicht alles machen, was technisch möglich ist. Der Respekt vor dem Geheimnis der Schöpfung und damit auch des Menschen fordert von uns Klugheit, Geduld und ein ausgewogenes Maß an Verantwortung dem Schöpfer und seiner Schöpfung gegenüber. Es scheint, dass dies für einige aber unerheblich ist; sie berufen sich auf eine wertfreie Forschung ohne eine ethisch-moralische Verantwortung, so dass sie alles machen dürfen, was möglich ist. Meinen sie. 


Gott ist auch heute überall mit uns (2 Sam 7,9)

Gott ist nach vielen Aussagen der Schrift überall mit uns. Wir müssen nur aufmerksam sein, um ihn zu erkennen und zu erspüren. Manche Fragen und Krisen können uns dabei helfen, ihn wieder neu zu finden - an fremdem Ort und in fremder Gestalt. Das ist meines Erachtens auch der große Schritt gewesen auf andere Konfessionen oder Religionen hin, den das Zweite Vatikanische Konzil gemacht hat. Freilich müsste Vieles davon noch bewusster und zielgerichteter geschehen. Wir können und dürfen als Christen Gott nicht für uns „pachten“ – er und sein Geist sind weitaus größer als wir denken und uns vorstellen können. Bleiben wir offen und neugierig, ihn heute an Weihnachten wieder zu entdecken – und erschrecken wir nicht, wenn er so anders ist – so „klein“ und „ohnmächtig“ als Kind. Er muss in uns neu geboren werden.


P. Heinz Schneider SVD