26. Sonntag im Jahreskreis (B)

Predigtimpuls

„Für Christus sein", "zu ihm gehören" und "an ihn glauben"

1. Lesung: Num 11,25-29
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: Jak 5,1-6
Evangelium: Mk 9,38-43.45.47-48

Auch die heutigen Lesungen wollen uns dazu verhelfen, das Geheimnis unseres Glaubens jetzt in der Eucharistie aufmerksam zu feiern und in unserem Alltag intensiv zu leben.

Drei Lesungen ganz verschiedener Art haben wir soeben gehört: aus dem alttestamentlichen BuchNumeri, aus dem Markusevangelium und aus dem Jakobusbrief. Sie enthalten und sind für uns Gottes Wort; in ihnen will Gott uns ansprechen, ein Gespräch mit uns führen - wie ein Gespräch zwischen Freunden, zwischen Braut und Bräutigam, zwischen Eltern und Kindern - wie das II. VAT - Konzil in seiner Konstitution DEI VERBUM über das Wort Gottes sagt. 

Dass es sich in diesen drei Lesungen nicht lediglich um einen Bericht über vergangenes Geschehen handelt, sondern um eine Einladung zum Gespräch, kommt schon durch die persönliche Anredeform zum Ausdruck: "Willst du dich für mich ereifern" (Num 11,29); "Ihr Reichen, weint und klagt über das Elend, das euch betreffen wird" (Jak 5,1); "Wenn dich deine Hand, dein Fuß, dein Auge verführt, dann hau sie ab, reiß es aus" (Mk 9,43.44.46). Vom rein Sprachlichen her sind das doch Hinweise, dass wir uns diese Worte ganz persönlich gesagt sein lassen sollen.

1. Versuchen wir nun aus den vielen Worten dieser Lesungstexte das Wort herauszuhören, das Gott uns als Gottesdienstgemeinde heute sagen will. Mir scheint, dass in den drei Lesungen Aussagen vorkommen, die sich zu einem Ganzen zusammenfügen lassen. Es sind die Satzfragmente: "für uns / mich sein", "zu Christus gehören", "an mich glauben". Alle drücken sie eine persönliche Beziehung aus.

1.1. Das erste dieser Worte: "Wer für uns ist - wer für mich ist". Johannes - zusammen mit seinem Bruder Jakobus, nach der Berufung des Petrus und Andreas einer der Erstberufenen - versuchte, jemanden daran zu hindern, Dämonen auszutreiben, weil dieser, wie er sagte, "uns nicht nachfolgt". Mit uns sind offensichtlich Jesus und jene gemeint, die er in seine Gemeinschaft berufen hat. Johannes sagt nicht, "weil er dir nicht nachfolgt", sondern uns nicht nachfolgt. Aber Jesus hatte Johannes und Jakobus sowie die anderen Erstberufenen, Petrus und Andreas, aufgefordert, ihm, Jesus, zu folgen. In seinem "weil er uns nicht nachfolgt", hatte Johannes wohl die Jüngergemeinschaft überschätzt und die zentrale Bedeutung Jesu unterschätzt. In Jesu Namen hatte ja der fremde Exorzist Dämonen ausgetrieben. Jesus ist der Mittelpunkt der Gemeinschaft, er ist der zentrale Bezugspunkt. Die Jüngergemeinschaft hat nur von Jesus her, nicht aus sich selbst, ihre Bedeutung. Wer in Jesu Namen Wunder tut, kann nicht so leicht schlecht von ihm reden.

Jesu Wort "wer für mich ist" als Antwort auf das Ansinnen des Johannes ruft ein anderes seiner Worte in Erinnerung. Oder besser: es kann nur verstanden werden von einem anderen "Für-Wort" Jesu her, nämlich dem "für euch": "Das ist mein Leib - für euch hingegeben; mein Blut - für euch vergossen" (Lk 22,19f; 1Kor 11,24); "mein Fleisch für das Leben der Welt" (Joh 6,51). Er hat sich für uns, für das Leben der Welt gegeben. Die Folge daraus kann nur sein, dass alle, für die er sich gegeben hat, für ihn, nicht gegen ihn sind.

1.2. Das zweite dieser Worte: "Wer zu Christus gehört" oder - "weil er Christi ist". Was ist damit gemeint? Wie kommt diese Zugehörigkeit zu Christus zustande? Ist es nicht dadurch, dass man auf ihn, auf sein Wort hört, es im Herzen bewahrt, es beherzigt, es ernst nimmt, ihm gehorcht? "Kommt, folget mir nach!" Dieses Wort, diese Einladung, dieser Ruf löst die Nachfolge aus, bewirkt die Gemeinschaft mit Jesus.

Barnabas und Paulus hatten sich im syrischen Antiochien ein Jahr lang aufgehalten und gewirkt. Lukas, der Autor der Apostelgeschichte, berichtet, dass die Jünger dort zum ersten Mal Christen genannt wurden (Apg 11,26). Das bedeutet doch wohl nichts anderes, als dass ihr Leben und Tun an Christus erinnerte, auf Christus hinwies. Als Christus Zugehörige waren sie gleichzeitig auf ihn Verweisende. Schon durch ihr Sein erfüllten sie eine missionarische Aufgabe: durch ihr Leben, und nicht erst durch ihre Worte verkündeten sie Christus.

1.3. Schließlich das dritte Wort. Im Evangelium spricht Jesus von den Kleinen, "die an ihn glauben". Zu Christus gehören und Christ sein bedeutet letztendlich: an ihn glauben. An eine Person glauben besagt mehr, als nur Glaubenssätze für wahr halten. Einer Person glauben heißt: ihr vertrauen, mit ihrer Zuverlässigkeit, ihrem Wohlwollen, ihrer Zuneigung, Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit, Mitgefühl, Entgegenkommen, letztendlich ihrer Liebe zu rechnen. Ihm glauben, das erwächst aus der Zugehörigkeit, aus der Erfahrung der Hingabe im totalen "Für"-Sein. Glaube an eine Person, hier ganz konkret der Glaube an die Person Jesu, besagt über das Vertrauen hinaus die liebende Antwort auf das "Für"-Sein Jesu.

Und so gehören "für Christus sein", "Christi sein" d.h. "zu ihm gehören" und "an ihn glauben" aufs engste zusammen. Es sind drei verschiedene Ausdrücke für ein- und dieselbe Wirklichkeit, nämlich die Beziehung zu Jesus. Aber diese ist eng verbunden mit Gemeinschaft; sie wird vermittelt durch die Gemeinschaft, wächst in der und durch die Gemeinschaft. Die Beziehung zu Jesus ist nicht zu trennen von der Zugehörigkeit zu seiner Gemeinschaft.

2. Die Gemeinschaft der Jünger Jesu, die zu Christus gehören, nach ihm benannt werden, auch für ihn leben - was sagen uns die Lesungen noch über diese Gemeinschaft mit Jesus? Wohl ein Zweifaches.

2.1. Zunächst einmal: der enge Zusammenschluss um Jesus und mit ihm als Mitte bedeutet keine Ausschließlichkeit, keinen Ausschluss. Im Gegenteil! Die nicht zu dieser Gemeinschaft gehören, sollen nicht daran gehindert werden, das zu tun, was im Sinne und im Geiste dieser Gemeinschaft ist: geistbegabt oder prophetisch zu reden, wie es in der 1. Lesung heißt, sowie Wunder oder wunderbare Dinge zu tun, wie der Exorzist im Evangelium es tat. Die Gemeinschaft der Jünger darf und soll sehen, anerkennen, akzeptieren, dass Gott auch außerhalb der Grenzen ihrer Gemeinschaft auf vielfältige und wunderbare Weise wirken kann. Dieses Nicht-Hindern wäre eine Verpflichtung der Christus-Anhänger, der Christen nach außen hin, ad extra. Dieses Nicht-Hindern, auf das Jesus den Johannes verpflichtet, hat schon im Alten Testament sein Vorbild, wie die Szene aus dem Buch Numeri zeigt. Mit anderen Worten: auch außerhalb der Gemeinschaft der Jünger und Nachfolger Jesu kann es Menschen geben, die Jesus nachfolgen, die zu Christus gehören, an ihn glauben.

2.2. Eine zweite Verpflichtung der Gemeinschaft hat mit ihr selbst zu tun, ist nach innen, ad intra gerichtet. Sie hat damit zu tun, keinen Anstoß, keinen Anlass zu geben, dass jemand zu Fall kommt; kein Ärgernis zu geben; keine Stolpersteine in den Weg zu legen, um ihr Vertrauen auf Gott und Christus zu erschüttern. 

Was ist zu tun, dass es nicht dazu kommt, sondern Ärgernisse zu vermeiden? "Es ist besser für dich, verkrüppelt oder lahm in das Leben einzugehen, als mit zwei Händen oder mit zwei Füßen in das Feuer geworfen zu werden." Diese drastischen Bilder sind ein Aufruf zur Selbstkritik oder gar Selbstgericht, eine Aufforderung, entschieden gegen das Übel in einem selbst vorzugehen.

Dieses mag einfach daran liegen, dass wir andere in ihrem Anderssein nicht gelten lassen wollen. 

„Wir schauen sehr darauf, ob andere sich in den religiösen Formen so geben wie wir selbst. Da gibt es wenig Vertrauen in besondere Fähigkeiten und in die Kraft verschiedener Geister. Da ist kein Zutrauen, dass aus zögerlichem Suchen nach Glauben und einer Christus-Beziehung etwas werden kann. Da missfällt uns manchmal sogar schon eine andere Wortwahl oder es irritiert nachdenkliches Schweigen. 

Durch unser Misstrauen verhindern wir, dass andere Menschen ihre Kraft in die Gemeinde einbringen. Aufgrund unserer Skepsis gegenüber anderen unterbinden wir in der Gemeinde, dass im Tun anderer Lebenskraft wirken kann. Zu oft geben wir einem möglichen Samen keine Chance und erleben deswegen nicht, dass er auch andere zum Säen berufen oder sie als Saat ausgesucht hat. Das alles hat er - aber halt anders als bei mir, als bei Ihnen. Bescheidenheit und Vertrauen in andere und ganz besonders in Gott täte uns gut" (Burkhard Knipping).

3. Die persönliche Beziehung zwischen Jesus und seinen Jüngern, also denen die Jesus nachfolgen und an Christus glauben, hat Konsequenzen für die Gemeinschaft der Jünger, aller an Christus Glaubenden. Aus den heutigen Lesungen ergibt sich aber auch, dass die persönliche Beziehung und Zugehörigkeit keine Selbstverständlichkeit sind, sondern Umdenken und Bekehrung beinhalten und erfordern.

3.1. Auffällig sind die Gegensätze in der ersten Lesung und im Evangelium! Im Buch Numeri ist es der Gegensatz zwischen Mose und Josua. "Von Jugend an" war Josua Diener des Mose gewesen. Er wollte Eldad und Medad an der prophetischen Verzückung hindern, an dem, was der Geist Gottes in den beiden bewirkte. Moses dagegen wollte die beiden nicht nur nicht daran hindern, sondern möchte sogar, dass der Geist der Prophetie dem ganzen Volk Gottes zuteilwerde. Josua war also noch weit von der Denkart und Gesinnung des Mose entfernt.

3.2. Nach dem Markusevangelium war Johannes einer der Erstberufenen Jesu. Er war immer dabei, wenn Jesus diese an besonderen Ereignissen - wie der Heilung der Schwiegermutter des Petrus, der Erweckung der Tochter des Jairus sowie der Verklärung - teilnehmen ließ. Und doch ist er noch weit von der Denkweise und Geisteshaltung Jesu entfernt! Er denkt nicht an die, die Jesus nicht nachfolgen, sondern an die, die uns nicht nachfolgen. Er will die fremden Exorzisten daran hindern, im Namen Jesu Dämonen auszutreiben. Jesus entgegnet ihm: "Hindert ihn nicht!"

3.3. Auch in der zweiten Lesung aus dem Jakobusbrief geht es um einen Kontrast zwischen den Reichen, die angesprochen, gerügt und zum Umdenken aufgerufen werden und Jesus selbst. Er hat nicht nur den Reichen sein "Weh euch, ihr Reichen" (Lk 6,24) entgegen geschleudert und den Armen versichert: "Euch gehört das Reich Gottes" (Lk 6,20); er hat nicht nur den reichen jungen Mann dazu eingeladen, alles zu verkaufen und das Geld an die Armen zu verteilen, damit er so einen bleibenden Schatz im Himmel habe (Lk 18,18-22). "Er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen" (2 Kor 8,9).


Die heutigen Lesungen wollen mehr, als uns an alte Geschichten erinnern. Die Worte über die Vergangenheit gehen uns persönlich an; in ihnen will Gott uns hier und heute ansprechen! 

Ich verstehe sie als Einladung, erneut unsere Gesinnung und unser Tun zu bedenken, es erneut mit Jesu Denken und Handeln zu konfrontieren, uns erneut an ihm auszurichten. 

Es geht um ein Anliegen, das in den neutestamentlichen Briefen immer wieder angesprochen wird: "Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern wandelt euch und erneuert euer Denken, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist" (Röm 12,2). - "Seid so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht" (Phil 2,5). - "Ihr seid zu einem neuen Menschen geworden, der nach dem Bild seines Schöpfers erneuert wird..." (Kol 3,10). 

Es geht um die Umgestaltung in Christus, um die Gleichgestaltung mit ihm! Christ-sein bedeutet Christ-werden! 

In der Eucharistiefeier geht es um Wandlung: die Wandlung des geschriebenen in ein persönliches Wort Gottes; der Gaben von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi; um unsere Umwandlung in Christus!

"Tut dies zu meinem Gedächtnis." - "Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit ihr tut, was ich getan habe". Das feiern wir, das sollen und daraus wollen wir leben!

Amen.

 

P. Dr. Ludger Feldkämper SVD