Fest der Heiligen Familie – Besinnung

Predigtimpuls

Lesung aus dem Buch Jesus Sirach, Sir 3,2-6.12-14 Alternative: Sir 3,3-7.14-17a (s.u.)

Sir 3,2-6.12-14
Alternative: Sir 3,3-7.14-17a (s.u.)


Text

3,2 Denn der Herr hat den Kindern befohlen, ihren Vater zu ehren, und die Söhne verpflichtet, das Recht ihrer Mutter zu achten.

3,3 Wer den Vater ehrt, erlangt Verzeihung der Sünden,

3,4 und wer seine Mutter achtet, gleicht einem Menschen, der Schätze sammelt.

3,5 Wer den Vater ehrt, wird Freude haben an den eigenen Kindern, und wenn er betet,
wird er Erhörung finden.

3,6 Wer den Vater achtet, wird lange leben, und wer seiner Mutter Ehre erweist, der erweist sie dem Herrn.


3,7 Wer den Herrn fürchtet, ehrt seinen Vater und dient seinen Eltern wie Vorgesetzten.

3,8 Mein Sohn, ehre deinen Vater in Wort und Tat, damit aller Segen über dich kommt.

3,9 Der Segen des Vaters festigt die Wurzel, doch der Fluch der Mutter reißt die junge Pflanze aus.

3,10 Such deinen Ruhm nicht darin, den Vater herabzusetzen, denn das ist keine Ehre für dich.

3,11 Die Ehre eines Menschen ist die seines Vaters; wer seine Mutter verachtet, sündigt schwer.

3,12 Mein Sohn, wenn dein Vater alt ist, nimm dich seiner an und betrübe ihn nicht, solange er lebt.

3,13 Wenn sein Verstand abnimmt, sieh es ihm nach und beschäme ihn nicht in deiner Vollkraft!

3,14 Denn die Liebe zum Vater wird nicht vergessen, sie wird als Sühne für deine Sünden eingetragen.



Textbetrachtung

Ein Enkel des Verfassers Jesus, Sohn Eleasars, des Sohnes Sirachs, Sir 50,27; 51,30 übersetzte in Jerusalem um 180 v.Chr. dessen Buch ins Griechische. Es ist die Epoche des sogenannten Hellenismus, 330-64 v.Chr. Der Mazedonier Alexander der Große, 356-323 v.Chr., hatte durch seine Eroberungen bis zum Indus ein Weltreich von Europa bis Asien begründet. Wie heute Englisch die Sprache ist, die man überall versteht und spricht, sprach man damals in seinem Reich Griechisch. Von Sizilien bis Indien, vom Schwarzen Meer bis nach Ägypten beeinflussten und befruchteten sich die griechische und die orientalische Kultur gegenseitig. Auch das Judentum versuchte, seine Tora/Jahwes Weisung für die griechische Weltanschauung akzeptabel zu verkünden. Das Weisheitsbuch Jesus Sirach ist dafür ein Beispiel. Es enthält vor allem Lebens- und Verhaltensregeln für die Heranwachsenden. Anfang der Weisheit ist die Gottesfurcht, Sir 1,14. Der Weisheitshymnus in Kap 24 kann als Höhepunkt des ganzen Buches gelten.

3,2 Die Verse 3,1-16 erhalten ein Lehrgedicht, das von den Jugendlichen Respekt und Achtung gegenüber den Eltern erwartet. Jahwe (hier: Kyrios/Herr) habe das ja seinem Volk in den „Zehn Worten“ so geboten: „Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt“, Ex 20,12; Dtn 5,16. Vor allem, „das Recht der Mutter zu achten“ war der griechischen Mentalität nicht selbstverständlich. Aber auch die Väter wurden nur geehrt, wenn sie in Olympia oder auch sonst sich solche Ehre „verdient“ hatten.

3,3 Ein Sündenbewusstsein war den Griechen fremd. Der griechische Arzt Galen, +199, kritisiert den Gottesglauben der Juden, wenn er schreibt: „Ausschließlich an seinem (Verf.: Jahwes) Willen hängt die Schöpfung. Aber diese Auffassung ist unvereinbar mit der Kosmologie des Platon und Aristoteles.“ Selbst die Götter Griechenlands unterliegen ohnmächtig ihrem „Schicksal“. Jesus Sirach aber betont dagegen, dass Gott demjenigen Verzeihung seiner Sünden gewährt, der den Vater ehrt. Im Judentum muss sich der Mensch vor einem personalen Gott für sein Verhalten zu den Mitmenschen verantworten.

3,4 Die Frauen des antiken Griechenland hatten keinerlei politische Rechte und wurden wie „Minderjährige“ angesehen und behandelt. Sie waren in den Häusern „eingeschlossen“ und hatten sich allein um deren Verwaltung zu kümmern. Der berühmte Staatsmann Perikles, 490-429 v.Chr., fordert in seiner „Gefallenenrede“ über die Frauen: „man solle von ihnen so wenig wie möglich reden, ob man sie lobt oder tadelt“. Selbst der hl. Paulus verbietet den hellenistischen christlichen Frauen, die seine ersten vom „neuen Weg“ überzeugten Gläubigen waren und noch vor kurzem die Hauskirchen geleitet haben, in den späteren Gemeindekirchen das öffentliche Auftreten: „Eine Frau soll sich still und in aller Unterordnung belehren lassen. Dass eine Frau lehrt, erlaube ich nicht, auch nicht, dass sie über ihren Mann herrscht; sie soll sich still verhalten, 1 Tim 2,11f.“ Jesus Sirach aber fordert der Tora entsprechend, die eigene Mutter zu achten. So sammeln sich Kinder Schätze für den Himmel. Erst in der Zeit des Hellenismus glaubten die Jüdinnen und Juden an die Auferstehung von den Toten und an das vergeltende Gericht Gottes, vgl. etwa 2Makk 7,34-36.

3,5 Wer seinen Vater ehrt, dem wird versprochen, dass er sich an seinen eigenen Kindern dafür freuen kann. Schließlich gibt ein vorbildlicher Vater seinen Kindern ja auch ein gutes Beispiel für ein gelingendes Leben. Zudem werden seine Gebete erhört.

3,6 „Ehre deinen Vater und deine Mutter, wie es dir der Herr, dein Gott, zur Pflicht gemacht hat, damit du lange lebst und es dir gut geht in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt, Dtn 5,16.“ So die Tora und Weisung Israels. Die Achtung vor dem Vater und die Verehrung der Mutter gilt für Jesus Sirach als ein „Gottesdienst“, weil man derartige Liebe gegenüber seinen Eltern eigentlich Gott selbst erweist. Er wird solches Verhalten mit einem langen Leben belohnen.

3,7-11 Die kursiv gedruckten Verse 7-11 werden am Fest der Heiligen Familie ausgelassen. Wahrscheinlich werden sie deswegen nicht gelesen, weil sie mehr oder weniger Wiederholungen des Rahmentextes enthalten.

Die Verse 12 und 13 erbitten vom jungen Sohn für den alt gewordenen Vater, der seine Gedanken nicht mehr ordnen kann und durcheinander redet, Hilfe und Verständnis solange er lebt.

3,14 Solche Liebe zum Vater, sühnt Sünden und wird von Gott nicht vergessen.



Alternativlesung aus dem Buch Jesus Sirach, Sir 3,3-7. 14-17a
Man könnte wohl auch die Verse 7.15-17a zum vorherigen Text alternativ hinzu lesen.

Text

3,7 Wer den Herrn fürchtet, ehrt seinen Vater und dient seinen Eltern wie Vorgesetzten.

3,15 Zur Zeit der Bedrängnis wird sie dir vergolten werden; sie lässt deine Sünden schmelzen wie Wärme den Reif.

3,16 Wie ein Gotteslästerer handelt, wer seinen Vater im Stich lässt, und von Gott ist verflucht, wer seine Mutter kränkt.

3,17a Mein Sohn, bei all deinem Tun bleibe bescheiden.



Textbetrachtung

3,7 Dieser Vers spricht davon, dass man den Eltern wie Vorgesetzten dienen sollte. Doch passt dieser Vergleich nicht so ganz zur dienenden Liebe der Kinder zu ihren leiblichen Eltern.

3,15 erweitert lediglich den V 14 mit dem Versprechen, dass die Sohnesliebe in Zeiten seiner Bedrängnis von Gott vergolten wird.

3,16 Hauptsächlich war in den letzten Versen von der Liebe des Sohnes zum Vater die Rede. Jetzt werden Vater und Mutter erwähnt. Wer seinen Vater im Stich lässt und seine Mutter kränkt, handelt wie ein von Gott verfluchter Gotteslästerer. Die Elternliebe der Kinder ist ja Gottes- und Thoragebot. Und wer anders handelt, sündigt gegen Gott, dessen Existenz er leugnet und dessen Weisung er missachtet.

3,17a Mit einer schlichten Mahnung zur Bescheidenheit schließt hier der Alternativtext.

P. Hieronymus Horn OSB