Fest der Taufe des Herrn – Besinnung

Besinnung

Lesung aus dem Buch Jesaja, Jes 42,5a.1-4.6-7

Jes 42,5a.1-4.6-7

Text

42,5a. So spricht Gott, der Herr:

42,1 Seht, das ist mein Knecht, den ich stütze; das ist mein Erwählter, an ihm finde ich Gefallen. Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, er bringt den Völkern das Recht.

42,2 Er schreit nicht und lärmt nicht und lässt seine Stimme nicht auf der Straße erschallen.

42,3 Das geknickte Rohr zerbricht er nicht und den glimmenden Docht löscht er nicht aus; ja, er bringt wirklich das Recht.

42,4 Er wird nicht müde und bricht nicht zusammen, bis er auf der Erde das Recht begründet hat. Auf sein Gesetz warten die Inseln.


42,5 So spricht Gott, der Herr, der den Himmel erschaffen und ausgespannt hat, der die Erde gemacht hat und alles, was auf ihr wächst, der den Menschen auf der Erde den Atem verleiht und allen, die auf ihr leben, den Geist:

42,6 Ich, der Herr, habe dich aus Gerechtigkeit gerufen, ich fasse dich an der Hand. Ich habe dich geschaffen und dazu bestimmt, der Bund für mein Volk und das Licht für die Völker zu sein:

42,7 blinde Augen zu öffnen, Gefangene aus dem Kerker zu holen und alle, die im Dunkel sitzen, aus ihrer Haft zu befreien.



Textbetrachtung

Die Kapitel Jes 40-55 wurden von einem unbekannten Verfasser geschrieben. Man nennt ihn Deuterojesaja (Zweiter Jesaja). Juda befindet sich in diesen Texten im „Babylonischen Exil“, 586-538 v.Chr. In diese Verheißungen eines Heilspropheten sind vier Gottesknechtslieder eingefügt. Im ersten, Jes 42,1-9, steht die alttestamentliche Lesung des heutigen Festtages. Das Lied ist ursprünglich deutlich zweigeteilt: Die Verse 1-4 sprechen vom Knecht in der dritten Person; die Verse 5-8 in der zweiten Person.
Mit dem Vers 5a wird das Lied eingeleitet.

42,1 In Jes 41,8 hieß es: „Du, mein Knecht Israel, du, Jakob, den ich erwählte, Nachkomme meines Freundes Abraham.“ Der „Knecht“ ist also offensichtlich das Israel aus den zwölf Stämmen Jakobs. Immer noch unterstützt Jahwe sein erwähltes Volk und hat an ihm sein Gefallen. In seinem Geist wird er sein Recht unter die Völker bringen und es unter ihnen durchsetzen.

42,2 Er wird nicht mit lauter Stimme lärmend durch Propaganda, wie das Politiker gerne tun, den Herrschaftsanspruch Jahwes durchsetzen.

42,3 Sondern Jahwes Macht ist die Ohnmacht seiner Liebe, sein Erbarmen. Wie er wird auch sein Knecht Israel das geknickte Rohr nicht durchbrechen und den glimmenden Docht nicht löschen. Das Recht Jahwes, das Israel unter den Völkern durchsetzen soll, ist sein Erbarmen mit denen, deren Leben zerbricht oder zerbrochen ist: „Nahe ist der Herr den zerbrochenen Herzen, er hilft denen auf, die zerknirscht sind, Ps 34,19.“

42,4 Der Knecht Jahwes, Israel, wird nicht müde werden und in der Energie des Gottesgeistes wird er auch nicht zusammenbrechen, bis er auf der Erde Jahwes Recht unter den Völkern begründet hat. Auf seine Weisung und Tora warten die Inseln, die Küstenlande an den Grenzen des Landes.

42,5 Diesen Vers haben die Liturgen im Festevangelium gestrichen, weil er den Geist nachträglich als den alles erhaltenden Atem (Wind) Gottes, als seinen Schöpfergeist, beschreibt. Es ist der gleiche Geist Jahwes, den er auch auf seinen Knecht Israel gelegt hat, vgl. V 1. Ab jetzt wird der „Knecht Gottes“ bis V 8 in der zweiten Person angeredet. Die Selbstvorstellung Jahwes als Herr des Himmels und der Erde im V 5 gehörte wohl ursprünglich zu einer eigenen „Du- Überlieferung“. Wer dieses „Du“ ist, kann man aus dem vorliegenden Text nicht eindeutig feststellen. Manche meinen, dass es sich um den persischen Großkönig Kyrus handeln könnte, der 538 v.Chr. ein Edikt erließ, das den Juden die Heimkehr nach Jerusalem erlaubte, Esra 6,3a. Der Endredaktor wollte aber ganz sicher auch die Verse 5-7 im Zusammenhang mit dem „Knecht Israel“ verstanden wissen.

42,6 „Aus Gerechtigkeit gerufen“. Auf diese Weise wird ein freundschaftliches Verhalten beschrieben. Gott fasst sein Volk wie einen guten Freund an der Hand und verbindet sich so mit ihm. Er hat es ja dazu geschaffen, das Volk an Jahwe zu binden: ich habe dich geschaffen und dazu bestimmt, der Bund für das Volk zu sein. Aber Israel hat auch eine missionarische Bedeutung. Es soll ein Licht für die Heidenvölker sein, damit auch sie den einzigen Gott erkennen, bekennen und anbeten.

42,7 Israel soll ihnen ihre Augen für seinen Gott öffnen und sie aus dem Dunkel des Götzendienstes erlösen.

P. Hieronymus Horn OSB