Hochfest der Geburt des Herrn, Weihnachten – Am Morgen

Predigtimpuls

Uns ist der Retter geboren

1. Lesung: Jes 62,11–12
Zwischengesang: www.Antwortpsalm.de
2. Lesung: Tit 3,4–7
Evangelium: Lk 2,15–20
Zum Kantilieren des Evangeliums: www.stuerber.de

Uns ist der Retter geboren 

In der Heiligen Nacht steht die Geburt Jesu im Vordergrund. Der folgende Morgen von Weihnachten ist nicht mehr so emotionsgeladen. Es geht um das Wesen des Festes. Wer ist dieses neugeborene Kind?

Der Retter 

Die Lesungen aus der Schrift geben darüber Auskunft. Der Retter ist geboren. Die Vorhersage des Jesaja, 500 Jahre vor der Geburt Jesu, hat sich erfüllt: Sieh her, deine Rettung kommt. Den Hirten verkünden die Engel: Ein Retter ward euch heute geboren – er ist der Messias, der Herr (Lk 2,11). Ein oder zwei Jahrzehnte später (um das Jahr 100) erinnert ein unbekannter „Theologe“ den Gemeindeführer Titus: Aufgeschienen ist die Güte und Menschenfreundlichkeit unseres Retter-Gottes (Tit 3,4). 

Die Schriftlesungen sehen die Hoffnung Israels erfüllt. Die Aussagen über Gott bezeugen voller Freude seine Nähe zu den Menschen.

Wie Gott handelt 

Es ist kaum fassbar, Gott offenbart sich in einem Kind in einer Futterkrippe. Israel hat in der Zeit höchster Not nur noch von Gott Rettung erwartet. Nun ist die Not groß und Gott greift ein, der erwartete Retter, der ersehnte Messias ist geboren. Das Evangelium schildert die religiöse und soziale Umwelt, in die der Messias hineingeboren wird. 

Am Schauplatz, in Bethlehem, sind alle handelnden Personen zugegen, die Großen der Welt und die ganz Kleinen. Lukas führt den römischen Kaiser und seinen Stellvertreter an (Lk 2,2). Doch diese wichtigen Herrscher sind Nebenerscheinungen, unbewusst erfüllen sie bei der Geburt des Messias eine Rolle. Wer an einen mächtigen Messias denkt, gleich den Herrschern der Welt, muss schon bei dessen Geburt umdenken. 

Die Herrscher bestimmen das soziale Umfeld. Sie ordnen eine Volkszählung an und zeigen dem beherrschten Volk, wer das Sagen hat und wem es gehorchen muss. Dieser Kontext ist nicht erbaulich. Lukas konzentriert sich nicht auf die Machthaber, sein Augenmerk gilt den kleinen Leuten. Da sind der Zimmermann Josef und seine schwangere Frau. Sie sind dem System unterworfen und müssen dem Gesetz gehorchen. Diese Familie muss sich, wie so viele arme Leute, arrangieren, um leben zu können. Die Erzählung des Lukas ist schrecklich menschlich. Lukas denkt dabei auch an die prekäre Situation seiner Gemeinden, die in diesem unterdrückerischen System um das Überleben kämpfen.

Zu den Armen und an den Rand Gedrängten gehören die Hirten. Die Botschaft von der Geburt des Retters ergeht nicht an die Großen, sondern an den „Abschaum“, an die Menschen am Rande. Gott offenbart sich ihnen aus dem offenen Himmel durch Engel (Lk 2,8). Sie wählt Gott aus und offenbart ihnen die erste öffentliche Publikation der Identität und der Bedeutung dieses Kindes. Die Hirten sind macht- und bedeutungslos gleich dem Kind in der Futterkrippe. Im römischen Kalkül kommen sie nicht vor, ebenso wenig im jüdischen, sie gelten als unrein und sind vom gemeinsamen Glauben ausgeschlossen. Gerade sie erwählt Gott und offenbart ihnen die Identität dieses neugeborenen Kindes. Sie sind die Ersten, die das Kind sehen und die frohe Botschaft verbreiten. Wieder hat Lukas die frühen Gemeinden vor Augen, die ohne Ansehen sind und am Rande der Gesellschaft leben. Doch gerade sie verkünden im römischen Reich die Frohe Botschaft.


Ein Zeichen

Später werden die religiösen Gegner von diesem Kind, wenn es erwachsen ist und das Reich Gottes verkündet, ein Zeichen verlangen. Das muss aber so außerordentlich sein, dass es wirklich überzeugt. Gott offenbart sich allerdings nicht in spektakulären Zeichen, sondern in kleinen, unscheinbaren Ereignissen. Den religiösen Gegnern wird kein Zeichen gegeben, wohl aber den Hirten, obwohl sie gar keines fordern. Diesen einfachen, scheinbar „gottlosen“ Menschen, wird ein Zeichen gegeben: Und dies sei euch das Zeichen: Ein Neugeborenes werdet ihr finden, das gewickelt ist und in einem Futtertrog liegt (Lk 2,12). Gelehrte und Schriftkundige können mit einem solchen Zeichen nichts anfangen. Anders die einfachen Hirten, sie schenken ihm Glauben und handeln sofort, sie machen sich eilends auf den Weg und gehen zum Kind. So werden die namenlosen Hirten zu den ersten Glaubenden und Zeugen. Lukas macht eine wichtige theologische Aussage: Um glauben zu können, muss man so einfach werden wie Hirten.


Verkündigung 

Hier setzt am Weihnachtsmorgen der Abschnitt des Evangeliums ein. Die Hirten eilen zum Kind. Es stört sie nicht, dass der Messias ein armes Kind in der Futterkrippe ist: Als sie das Kind sahen, gaben sie das Wort kund, das ihnen über dieses Kind gesagt worden war (Lk 2,17). 

Lukas denkt wieder an die Situation der Gemeinden. Die Verkünder der Botschaft wenden sich an die Armen. Sie sind von der Wichtigkeit und Dringlichkeit überzeugt. Gleich den Hirten eilen sie und finden Gehör: Alle, die es hörten, staunten über das, was ihnen (von den Hirten) gesagt wurde (Lk 2,18). Das Evangelium sagt allen, die es am Weihnachtsmorgen vernehmen, dass die Frohe Botschaft das Herz mit Freude erfüllt. Papst Franziskus spricht in seiner Enzyklika Evangelii Gaudium von der Freude am Evangelium. 


Gläubig annehmen und bewahren 

Wer die Weihnachtsbotschaft hört, soll sich am Modell der Mutter des Neugeborenen, Maria, orientieren. Ein Strohfeuer der ersten Begeisterung genügt nicht, die Freude am Evangelium muss bewahrt werden. Maria fügt alles in ihrem Herzen zusammen. So sollen die Glaubenden handeln, damit ihr Glaube eindringt und Bestand hat. 


Lukas führt in seiner Theologie von Weihnachten alle Personen zusammen, die Zeugen der Geburt Jesu sind: Maria, Josef, die Hirten und sogar die Engel. Da das Wort, das zum Glauben führt, stärker ist, als wir Menschen fassen können, ist unerlässlich, dass es meditiert und im Herzen erfasst wird, wie es Maria getan hat. Die Engel sind ja nicht geboren, so gehören sie nicht der Welt an, sie verweisen darauf, dass der Glaube von Gott ausgeht und sein Geschenk ist.

Zeugenschaft

Gott bricht durch eine Geburt in unsere Geschichte ein. Das Neue wird uns Menschen anvertraut. Durch ihr Zeugnis geschieht in der Welt Neues. Dafür sind die Personen des Evangeliums das Vorbild. Unser Zeugnis ist aber bedroht, darauf macht Matthäus in seinem Evangelium (siehe Herodes) aufmerksam. Und Lukas weiß, dass in seiner Zeit die Zeugen bedroht, angefeindet und verfolgt werden.

Weihnachten lässt uns alljährlich eine Geburt erleben, welche die ganze Welt verändert hat. So erbaulich dieses Fest auch gefeiert wird und die Menschen berührt, die Welt verändert sich leider nicht. Statt Friede auf der Erde fallen weiterhin Bomben und versetzen die Menschen in Angst und Schrecken. Doch die Engel fordern auf, keine Angst zu haben, die Glaubenden dürfen sich in Gott geborgen wissen. Umso dringender ist die Frohe Botschaft, denn Menschen können nur Frieden schaffen, wenn sie sich bewusst werden, dass die Welt nicht ihnen, sondern Gott gehört. Ohne Verherrlichung Gottes (Gesang der Engel) ist Friede auf der Erde nicht denkbar, und der Friede ist Verherrlichung Gottes.

P. Dr. Jakob Mitterhöfer SVD