Hochfest der Geburt des Herrn - Am Tag

Predigtimpuls

„Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt“ (Joh 1,9)

1. Lesung. Jes 52, 7-10
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: Heb 1, 1-6
Evangelium: Joh 1, 1-18
Zum Kantilieren des Evangeliums: www.stuerber.de

Das Licht Gottes in allen Menschen

Unsere Welt wird immer pluraler. Menschen unterschiedlicher Kulturen, Religionen oder Nationalitäten vermischen sich. In den Büchermärkten finden sich neben christlichen Werken Angebote spiritueller Literatur aus unterschiedlichen Glaubensrichtungen. In Diskussionsrunden im Fernsehen oder im Rundfunk gehört es schon zum modernen Bild, Menschen unterschiedlicher Geistesrichtungen einzuladen und auf Augenhöhe miteinander zu diskutieren. Nicht selten findet man dort auch Übereinstimmung in grundlegenden menschlichen Werten über alle Religionen oder Weltanschauungen hinweg. Das II. Vat. Konzil (NAE 1) spricht vom „Strahl jener Wahrheit“ in den Religionen, „die alle Menschen erleuchtet.“ Damit hat das Konzil einen großen Horizont eröffnet. Alle Menschen, nicht nur die Christen, sind in irgendeiner Weise vom Licht der Wahrheit Gottes getroffen. Unter diesem Aspekt kann der Christ sich furchtlos anderen Geistesrichtungen öffnen und gleichsam mit innerer Neugier die Spuren Gottes in der Geschichte aufspüren. 


Die geheimnisvolle Hinführung zum Glauben

Der christliche Glaube ist keine Religion mit exklusiven Wahrheiten, sondern versteht sich als die Erkenntnis jener Wahrheit, die in allen Menschen mehr oder weniger präsent ist und im Glauben und Tun der Menschen ihren Ausdruck findet. Der Hl. Paulus hat in Athen eine ähnliche Erfahrung gemacht, als er auf die Gelehrten und Philosophen seiner Zeit stieß. „Athener, nach allem was ich sehe, seid ihr besonders fromme Menschen“, sagte er denen, die die Juden üblicherweise als ‚Heiden‘ einstuften. (Apg 17,22 ff) Denn sie verehrten einen „Unbekannten Gott“, der sich nicht in Steinen und Denkmälern darstellen ließe. Paulus fasst seine Erkenntnis in dem prägnanten Satz zusammen: „Was ihr verehrt, ohne es zu kennen, das verkünde ich euch“. Damit hat er die bleibend christliche Botschaft in den Kontext der Gotteserfahrungen der nicht-christlichen Welt gestellt. Letztere lehnt er nicht ab, sondern betrachtet sie als Gott-gewirkten Kontext, in dem die christliche Botschaft erst ihre ganze Bedeutung erhält. Nach christlichem Verständnis lebt und wirkt Gott in allen Menschen auf ihrer Suche nach Gott, oft in einer unbekannten und auch fremden Weise. Der Hl. Augustinus musste das an sich selbst erfahren. Auch die Hl. Edith Stein sagte über ihre Zeit als Nicht-Christin und Atheistin, dass ihre Suche nach der Wahrheit nichts anderes gewesen sei als die unbewusste Suche nach Gott. Schon dem Alten Testament ist dieser Gedanke nicht fremd. Zum heidnischen Perserkönig Kyros, der die Juden aus der babylonischen Knechtschaft befreien sollte, sagt Gott: „Ich habe dich bei Deinem Namen gerufen; ich habe dir einen Ehrennamen gegeben, ohne dass du mich kanntest“ (Jes 45,4). Gott kann in den Menschen wirken, noch bevor sie ihn voll erkennen. 


Dialog als Gottesbegegnung

Dieser Gedanke gibt jedem Dialog und jeder Begegnung über das Christentum hinaus eine besondere Würde. Darin eingeschlossen sind alle Begegnungen des praktischen Lebens in unserer pluralen Gesellschaft, sei es beim Einkaufen, in Gemeindeversammlungen, in der Schule und im öffentlichen Leben, wo man sich für eine gerechte und menschliche Welt einsetzt, oder wo um das Wahre gestritten wird. Jede Einsicht ist mit Licht verbunden, das den Menschen von innen her erleuchtet. In den Gedanken, Überlegungen und Sehnsüchten der Menschen nach dem Guten und Wahren spiegelt sich der Strahl der göttlichen Wahrheit wieder, der die Menschen von Anfang ihrer Existenz als inneres Licht erleuchtet. Deshalb lässt sich Religion nicht ausrotten und wird auch nicht aussterben. Die Suche des menschlichen Herzens nach Licht, Ziel und Sinn seines Lebens wird immer bleiben. Sie ist zugleich die Offenbarung des Göttlichen Lichtes. 

Das heißt natürlich nicht, dass wir auf eine Einheitsreligion zugehen, die alle Unterschiede verwischen wird. Aber im menschlichen Miteinander können wir von der Erfahrung ausgehen, dass Menschen unterschiedlicher Herkunft und Glaubens doch auch Wahrheiten in sich tragen, die wir als Christen ebenso bekennen und erfahren.

Die Fülle des Lichts in Jesus Christus 

Dennoch ist die christliche Botschaft von der Menschwerdung Gottes, dem „wahren Licht, das in die Welt kam“, mehr als nur inneres Licht. Christus ist nicht das Ergebnis menschlicher Reflexion über Gott und Welt, sondern das von Gott gesetzte Faktum, das wir nur im Glauben annehmen können. Doch wer diese Botschaft annimmt und danach lebt, wird die Fülle des Lichts erfahren, die anfanghaft in allen Menschen lebendig ist. 

Weihnachten erinnert uns immer wieder an diesen inneren Zusammenhang zwischen Göttlichem Wirken in allen Menschen und zu allen Zeiten und der Menschwerdung desselben Lichts in Jesus Christus. Leider aber ist es heute noch genauso wie zu allen Zeiten: „Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt hat ihn nicht erkannt. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf“ (Joh 1,10-11).

Die Juden hatten ein reines und erhabenes Verständnis von Gott, der einerseits unbedingt anwesend, aber doch nicht mit menschlichen Mitteln darzustellen oder zu begreifen ist. Diese Reinheit der Gottesidee hat den jüdischen Glauben über Jahrtausende bis heute geprägt und erhalten. Deshalb ist die Botschaft von der Menschwerdung desselben Gottes für einen Juden unvorstellbar und abwegig, ja „ein empörendes Ärgernis und für Heiden eine Torheit“ (1Kor 1,23). Nur für den Gläubigen erschließt sich Gott im Menschen Jesus Christus. 

Die Feier der Weihnacht ist das Bekenntnis zu diesem Gott, der als Kind in der Krippe liegt. Man kann niemand zur Erkenntnis des Lichtes Gottes in Christus zwingen. Es ist ein Ereignis der Gnade, dass Menschen von diesem Licht berührt und zum Glauben geführt werden. Dieser Glaube kommt vom Hören.

 

P. Martin Neuhauser SVD