Hl. Stephanus (F)

Predigtimpuls

„Der offene Himmel“

Lesung: Apg 6,8-10; 7, 54-60
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
Evangelium: Mt 10,17-22
Zum Kantilieren des Evangeliums: www.stuerber.de

In der Stunde seiner größten Not angesichts des Todes darf Stephanus eine weihnachtliche Erfahrung machen, die allerdings von Ostern her geprägt ist. „Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen.“ An Weihnachten singen wir von dem offenen Paradies, dessen Zugang nicht mehr von dem Cherub mit dem Flammenschwert versperrt ist. Christus hat uns den freien Zugang zum Vater eröffnet. In unserer Eucharistiefeier wird uns die Erfahrung des sterbenden Stephanus geschenkt: Der Himmel öffnet sich für uns, und der auferstandene Christus steht seiner Gemeinde bei vor dem Vater Das geschieht, damit auch fur uns der Himmel zur ewigen Wohnung wird: Stephanus „zog als erster der Blutzeugen ein und empfing die Krone der Herrlichkeit“ (Eröffnungsvers). Stephanus hat das Geschick eines Zeugen erlitten, er ist seinem Meister in der Hingabe des Lebens gleichförmig geworden. Er blieb bis zum Ende standhaft, darum wurde er gerettet (Evangelium). Er hat – wie Jesus – sein Geschick ganz in die Hände des Vaters gelegt. Er hat zu ihm gesagt: „Sei mir ein schützender Fels, eine feste Burg, die mich rettet – um deines Namens willen wirst du mich führen und leiten… Entreiß mich der Hand meiner Feinde und Verfolger. Lass dein Angesicht leuchten über deinem Knecht, hilf mir in deiner Güte“ (Antwortpsalm). Wir haben uns diese Haltung in den Wiederholungen des Kehrverses ins Herz gesungen: „Herr, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ Den Ps 31 legt Lukas in seinem Evangelium (23,46) dem sterbenden Jesus in den Mund. Er ist dementsprechend auch der Antwortpsalm am Karfreitag. 

Ob wir in der Nachfolge Christi oder des Stephanus zu Märtyrern werden, steht in Gottes Hand. Wir sind auf jeden Fall aufgerufen, die Bitte des Tagesgebetes in unser Leben zu übersetzen: „Gib, dass auch wir unsere Feinde lieben und so das Beispiel des heiligen Stephanus nachahmen, der sterbend für seine Verfolger gebetet hat.“ Stephanus hat nicht geklagt und gejammert, er hat seine Mörder nicht verflucht, sondern sie dem Erbarmen des Herrn anempfohlen. Er ist für sie eingetreten angesichts des Menschensohnes zur Rechten Gottes. 

Wir erinnern uns am Tag nach Weihnachten dieses Beispiels. Es mahnt uns an die Liebe Gottes, der uns geliebt hat, als wir noch Sünder waren. Wir wollen auf diese unbegreifliche Liebe Gottes antworten, indem wir „mit Freude und Hingabe den Festtag des heiligen Stephanus“ feiern und Gott bitten, dass er unsere Gaben, unseren Dienst annehme (Gabengebet). Wir danken Gott „für die Gnade dieser festlichen Tage“. In der Geburt seines Sohnes schenkt Gott uns sein Heil, in Stephanus zeigt er uns das „Beispiel eines unerschrockenen Glaubenszeugen“. „Wir bitten dich: Stärke unsere Bereitschaft, deinen Sohn, unseren Herrn Jesus Christus, standhaft zu bekennen“ (Schlussgebet). Nach einem Leben, das Zeugnis ablegt für den Glauben und die Liebe, dürfen wir vertrauensvoll mit Stephanus und wie er beten: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf (Lesung, Kommunionvers). Dann steht uns der Himmel endgültig offen. 

Aber das Ziel des Kommens Jesu war nicht, dass uns allein der Himmel offensteht. Das wird auch am Geschick unseres Heiligen deutlich. Sein Tod und die einsetzende Verfolgung der Jünger wird zum Beginn der christlichen Mission. Als erste Nicht-Juden werden Samariter zu Christen. Alle Menschen sollen ihren Platz haben dürfen in dem offenen Himmel. Wir werden nicht durch Verfolgung in der Welt herumgetrieben, wir sind von uns aus sehr mobil. Lassen wir unseren Glauben, unsere Freude über die Erlösung zu Hause zurück, sind wir nur Festtagschristen? Könnte das Weihnachtsfest und der heutige Festtag nicht Anlass für solche Fragen sein? Wir dürfen – wie Stephanus – sicher sein, dass uns der Heilige Geist die rechten Worte in den Mund legt. 


P. Dr. Winfried Glade SVD (+) - Anmerkung der Redaktion: Die von P. Glade verfasste Predigt wurde bereits veröffentlicht in: DIE ANREGUNG, Nettetal 1999; S. 404f