33. Sonntag im Jahreskreis (A)

Predigtimpuls

Jeder mit seinen Talenten

1. Lesung: Spr 31,10-13.19-20.30-31
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: 1Thess 5,1-6
Evangelium: Mt 25, 14-30

Beim Lesen der ersten Lesung kam mir wieder eine Begebenheit ins Gedächtnis, die sich vor etlichen Jahren in einer Sakristei vor der Sonntagsmesse zugetragen hat. Ich bereitete mich auf die Messfeier vor, da kam eine Frau mittleren Alters dazu, baute sich vor mir auf und machte mir ziemlich aufgebracht und lautstark klar, dass sie die Lektorin sei und ganz sicher nicht einen solch frauenfeindlichen Text lesen würde. Zum einen war ich froh, eine so gut vorbereitete Lektorin anzutreffen; zum anderen wusste ich nicht wirklich, was ich sagen sollte. Um dem Konflikt aus dem Weg zu gehen, ließ ich sie die zweite Lesung vortragen. Aber ich konnte das so nicht auf mir sitzen lassen und drehte etwas verwegen den Spieß um. Zur Predigt erzählte ich der Gemeinde unser Treffen kurz vorher in der Sakristei, ihre Schwierigkeiten mit dem Text aus den Sprichwörtern; las ihn dann selbst und versuchte ihn auszulegen. Nach der Messe kam sie versöhnt zu mir und meinte, so könne man das natürlich auch sehen. Die Sprichwörter haben nur sehr selten einen Bezug zu Gott. Sie wollen Lebensweisheit vermitteln und reden von dem, was dem Gelingen des Alltags dient und zuträglich ist. Sie kommen aus einer Zeit, die so im Mittel 2500 Jahre her ist. Sie lassen sich nicht Wort für Wort übersetzen in unsere Zeit. Selbstverständlich hört sich unsere heutige Lesung nach einem Frauenbild an, das vollkommen überholt ist. Sie ist nicht die Dienerin ihres Mannes; sie ist ebenbürtige Partnerin. Sie definiert sich auch nicht allein durch ihr Schaffen und Wirken. Und Anmut und Schönheit sollten nicht unterschätzt oder vernachlässigt werden. Ganz sicher nicht! Es weiß auch kaum noch einer, was Flachs und Spinnrocken sind. Aber liest man den Text mit einer guten Portion Wohlwollen, dann geht es doch nur darum zu sagen: „Wer tüchtig ist – gleich ob Mann oder Frau, auch wenn es hier um die Frau geht -, wer Gutes tut, wer zupackt, wer dann auch noch einen Sinn für Menschen in Not hat, der wird Dinge tun, mit denen das Leben zu meistern ist. Und sollte dann all das noch gepaart sein mit Gottesfurcht – nicht zu verwechseln mit der Angst vor einem strengen Richter -, dann ist das Bild komplett, das einen Menschen ausmacht, der rundum für seinen Wandel gelobt werden kann.

Im Evangelium geht es heute um Ähnliches. Was mache ich mit dem, was mir gegeben ist? Wie gestalte ich mein Leben und was treibt mich an? Auch in diesem Text ist von einem strengen Herrn die Rede. Es ist nur die Frage, wie man ihm entgegen tritt: Mit Respekt oder mit Angst. Wir haben es gehört, alle haben von ihrem Herrn etwas bekommen. Nicht jeder das Gleiche, aber alle bekamen Verantwortung. Nun haben sie sich unterschiedlich verhalten. Zwei haben gewirtschaftet, haben den Zugewinn gemacht, der sich mit ihrem Kapital machen ließ. Nur der Dritte hat gar nichts getan. Das Vergraben seines Talents war fatal. Was hat er mit seiner Zeit getan? Scheinbar nichts! Wir könnten das Ganze weiter spinnen und fragen, was sein Herr denn getan hätte, wenn er das Talent, das eine, beim Wirtschaften verloren hätte. Dazu ist nichts gesagt, aber ich bin überzeugt davon, dass sein Herr jedes Bemühen, jedes Wirken gelobt hätte, auch wenn er nichts hätte erreichen können. Ich kann mir diesen kapitalistischen Gott nicht vorstellen, dem nur die Rendite wichtig wäre. Es geht viel mehr um die Haltung. Die Talente stehen ja nicht nur für Geld; sie sind Bilder für menschliche Eigenschaften – für Güte, Liebe, Respekt, Empathie, Vertrauen … Biblisch geht es so oft darum, dass wir etwas machen sollen, für andere da sein sollen, uns kümmern sollen, dass es gar keinen Zweifel daran geben kann, dass Gott unser Mitwirken an seinem Reich (und auch an unserer Welt) einfordert. Und das steht viel höher als jeglicher Gewinn. Sicher werden die erwirtschafteten Talente plakativ in den Vordergrund gestellt, aber dennoch ist es die Haltung, die wirklich zählt. Der Vorschlag, das eine Talent wenigstens auf die Bank zu bringen, spricht doch Bände: „Wenigstens das hättest du tun können! Aber gar nichts, das geht nicht.“

Gottesfurcht – richtig verstanden – hat etwas mit Tugend, mit Gutsein, mit Anpacken und Empathie zu tun. Gott ist nicht einer, der nur unser Lippenbekenntnis will; er fordert unser Mittun an seiner und unserer Welt, die ihr Ziel in seinem Reich hat. Amen.

P. Fabian Conrad SVD