5. Sonntag im Jahreskreis (A)

Predigtimpuls

„Ihr seid das Salz der Erde – Ihr seid das Licht der Welt“

1. Lesung: Jes 52,7-10
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: 1Kor 2,1-5
Evangelium: Mt 5,13-16

1. Die Bedeutung dieser Bilder für die Jünger  

Jesus nennt die Menschen, die ihm nachfolgen, Salz der Erde und Licht der Welt. Mit diesen Bild Worten entdeckt er ihr Wesen, ihr Sein, ihre Würde und ihre Bedeutung. Mit ihnen öffnet er ihre Augen und ihr Herz dafür, wie sie sich selbst zu sehen und zu verstehen haben. Greifen sie das auf und lassen sie es in sich leben, kommt ihnen ein Selbstwertgefühl und ein Selbstbewusstsein zu, das ihr Leben auf eine neue Basis stellt. Sie sind Salz der Erde und Licht der Welt. Was aber sagen diese Bilder?  

Salz ist eine Substanz, die reinigt, würzt und konserviert. Dabei verliert sie ihre kristalline Gestalt. Sie löst sich auf und geht in alles ein, worauf sie fallt. Sie selbst ist nicht mehr zu sehen, aber überall zu spüren. Darin macht sie erst die Nahrungsmittel zu Lebensmitteln, die genießbar sind und dem Leben dienen. Sie verliert gleichsam ihre Identität und findet sie in neuer Weise. 

Licht ist eine Wirklichkeit, die strahlt, leuchtet, erhellt, wärmt und das Leben schafft. Steigert und bereichert. Als Lichtquelle gießt sie ihren Lichtstrom aus, sie verzehrt und verstrahlt sich und weckt den Geist des Lebens, die Lebensgeister. Hier entfaltet sie ihre Kraft und schafft den Raum, in dem sich Leben entfaltet und findet. 

Die Menschen, die Jesus nachfolgen, sind so Salz und Licht für die Welt, in der sie leben. Was sie sind aber will sich entfalten, entwickeln, gestalten und leben. Oder anders gesagt: Die Menschen, die Jesus als Salz und Licht für die Welt bezeichnet, müssen es auch wirklich sein; sie müssen eben auch werden, was sie sind. Andernfalls verraten und zerbrechen sie ihr Sein, ihre Würde und ihre Bedeutung und geraten in eine existentielle Schizophrenie. Deswegen sagt Jesus: ,Wenn das Salz seinen Geschmack verliert… taugt es zu nichts mehr, es wird weggeworfen und von den Leuten zertreten‘, und: ,Man zündet auch nicht ein Licht an und stülpt ein Gefäß darüber, sondern stellt es auf einen Leuchter, dann leuchtet es allen im Haus.‘ Das alles ist einsichtig. 

Aber wie kann sich das ereignen und Wirklichkeit werden? Jesus ent-deckt die Menschen, die ihm nachfolgen, als Salz der Erde und Licht der Welt. Aus sich selbst wissen sie es nicht und sind sie es nicht. Aber dem Weg mit Jesus, in seiner Nachfolge, geht diese Art von Leben auf sie über. Im Kontakt, in der Kommunikation, in der Gemeinschaft mit ihm wächst sie heran und breitet sich in ihnen aus. Jesus selbst, der seinerseits sich als Salz für die Erde und als Licht für die Welt entwirft und damit ihnen die wahre Lebensfülle eröffnet, schenkt sie ihnen. Deswegen sind sie selbst nur Salz und Licht für die Welt, wenn sie sich von ihm immer wieder salzen und erleuchten lassen. Darum ist die Gemeinschaft, das Leben, die Existenz mit ihm und auf dem Weg der Nachfolge mit ihm unaufgebbar. Sie wird sie davor bewahren, zu schalen, salzlosen Laken und zu wabernden, rauchenden Tranfunzeln zu verkommen. 


2. Die Bedeutung dieser Bilder für die Mt-Gemeinde 

Für die Christinnen und Christen, in deren Gemeinden das Mt-Evangelium entstanden ist, waren diese Bildworte von großer Bedeutung. In den Bildern vom Salz der Erde und Licht der Welt haben sie sich selbst begriffen und sich ihr Wesen, ihr Sein, ihre Würde und ihre Bedeutung vor Augen gestellt. Sie haben den Mut aufgebracht, sich der Herausforderung dieser Bilder zu stellen. Sie haben sich darin aufgefordert, in das, was diese Bilder aussagen, hineinzuwachsen und hineinzuleben. Damit haben sie sich den Weg in die Zukunft gewiesen und sich Zukunft eröffnen lassen. 


3. Die Bedeutung dieser Bilder für uns 

In den Bildern vom Salz der Erde und Licht der Welt dürfen wir auch unser Sein, unser Wesen und unsere Würde als Christinnen und Christen, als Gemeinden und Kirche begreifen. Wir sind wirklich Salz der Erde und Licht der Welt. Diese Einsieht führt uns zu einem eigenen Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein. Diese haben wir gerade heute in einer Zeit, in der sie von innen und außen in Frage gestellt, bezweifelt und geleugnet werden, bitter nötig. Ohne Selbstwertgefühl und das entsprechend konturierte Selbstbewusstsein kann niemand leben, auch die Christinnen und Christen, die Gemeinden und die Kirche nicht. Das hat mit Überheblichkeit, Selbstherrlichkeit, Anmaßung, Arroganz, Größenwahn und Triumphalismus überhaupt nichts zu tun. Was wir als Christinnen und Christen, als Gemeinden und Kirche sind, sind wir nicht aus uns. Es ist uns durch Jesus Christus vermittelt. Zugewachsen und geschenkt. Wir sind nur Salz der Erde und Licht der Welt, weil er es ist und es durch uns sein will, und wir es auch immer wieder zulassen. Das heißt. Wir sind nur Salz der Erde und Licht der Welt, wenn wir es auch immer wieder werden. Darum ist Leben in der Nachfolge, in der Kommunikation und in der Gemeinschaft mit Jesus Christus lebens- und überlebenswichtig. Sie führen uns in eine Schule der ständigen Revision, der Neuwerdung und des Umbaus unseres Lebens und unserer Existenz, das vor allem auch als Gemeinden und Kirche. Das wird noch deutlicher, wenn wir uns auf die innere Dynamik und Sinnrichtung der Bilder vom Salz der Erde und dem Licht der Welt einlassen. Nehmen wir sie auf, so begreifen wir, dass Christinnen und Christen, Gemeinden und Kirche, die nur für sich selbst leben, die nur ihre Schäfchen ins trockne bringen und ihre Haut retten wollen, in einer fundamentalen Schizophrenie leben. Salz und Licht dienen dem Leben, seiner Fülle, seinem Gelingen. Das Leben der Christinnen und Christen, der Gemeinden und der Kirche, das sich an dieser Wahrheit orientiert, wird zu einer impulsiven Kraft in der Welt, die mit allen Menschen guten Willens ihre künftige Gestalt sucht und sie zu einem Lebensraum macht, in dem alles Leben zu sich selbst kommt. Es wird gerade darin zu einer Kraft, die diesen Lebensraum öffnet für die Lebensimpulse, das Lebensengagement und die Lebensliebe Gottes, wie sie sich in Jesus Christus zeigen. Leben in dieser Weise ist deswegen für uns als Christinnen und Christen, als Gemeinden und Kirche eine ständige Herausforderung, der Lebensdynamik des Gottes Jesu zu folgen. Auf diesem Weg haben wir noch viel zu lernen! 

 

P. Franz-Josef Janicki SVD - [Anmerkung der Redaktion: Die von P. Janicki verfasste Predigt wurde veröffentlicht in: DIE ANREGUNG, Nettetal 1996; S. 53-55]