6. Sonntag im Jahreskreis (A)

Besinnung

Textbetrachtung zu Sir 15,15-20

Sir 15,15-20

Der Text 

15 [Er gab ihm seine Gebote und Vorschriften.] Wenn du willst, kannst du das Gebot halten; Gottes Willen zu tun ist Treue.

16 Feuer und Wasser sind vor dich hingestellt; streck deine Hände aus nach dem, was dir gefällt. 

17 Der Mensch hat Leben und Tod vor sich; was er begehrt, wird ihm zuteil.

18 Überreich ist die Weisheit des Herrn; stark und mächtig ist er und sieht alles.

19 Die Augen Gottes schauen auf das Tun des Menschen, er kennt alle seine Taten.

20 Keinem gebietet er zu sündigen und die Betrüger unterstützt er nicht.


Textbetrachtung

Ein Enkel des Verfassers und Weisheitslehrers Jesus, Sohn Eleasars, des Sohnes Sirachs, hat das Buch 180 v. Chr. in Jerusalem ins Griechische übersetzt. Seine Lebens- und Verhaltensregeln schreibt der Autor vor allem für die Jugend.

15 Gott gab seine Gebote und Vorschriften. Und optimistisch behauptet der Verfasser: „Und wer will, kann sie auch halten.“ Gottes Wille ist ja nicht Willkür, sondern Ausdruck seiner besorgten Liebe um uns. Seine Gebote und Vorschriften sind für uns eine Lebenshilfe, wenn sie die Liebe nicht verletzen. Wer sich nach Gottes Willen ausrichtet, traut seiner Liebe zu uns das zu. Wer Gottes Willen erfüllt, hält ihm die Treue, weil er nicht anderen Lebensentwürfen folgt.

16 Die gegensätzlichen Elemente Feuer und Wasser stehen zur Wahl. Menschen können sich entscheiden, ob sie das vernichtende Feuer oder das Leben spendende Wasser wählen wollen.

17 Es ist eine Wahl auf Leben und Tod. Über das „Leben“ haben sich schon unzählige Philosophen Gedanken gemacht. Die Bibel versteht dann oft unter „Leben“ ein Leben in guten Beziehungen und unter „Tod“ einen „Beziehungstod“. Der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber formulierte das so: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“. Wer das „Wasser wählt“, begegnet Gott und entscheidet sich für ein Leben in treuer Gemeinschaft mit ihm. Wer sich für das Feuer entscheidet, wählt sich andere Götter und lebt oft nach zerstörerischen Lebensentwürfen.

18 Die Weisheit Jahwes ist überreich und für uns Menschen unergründlich. Stark und mächtig ist seine erbarmende Liebe, denn er kann sogar noch die Sünder, die ihn ablehnen, lieben. Er sieht alles aber nicht im Sinn von „Ein Auge ist, was alles kontrollierend sieht“, sondern er sieht alles im Voraus schon, was einem Jeden von uns zum Heil oder Unheil sein wird. 

19 Auch hier ist wohl nicht von einem gleichzeitigen Sehen Gottes die Rede. Aber am Ende eines jeden Menschenlebens wird er auf das Tun eines Menschen alles richtend zurückschauen und alle seine Taten erkennen.

20 Keiner von uns ist zum Sünder vorherbestimmt und im Voraus auf das Betrügen festgelegt. Wir dürfen in Freiheit wählen: das Leben mit Gott oder den Tod ohne Gott.


P. Hieronymus Horn OSB