4. Sonntag in der Osterzeit (A)

Predigtimpuls

Jesus ist die Tür

1. Lesung: Apg. 2,14a.36-41
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: 1 Petr. 2, 20b-25
Evangelium: Joh. 10, 1-10
Zum Kantilieren des Evangeliums: www.stuerber.de

Viele Wege zu Gott 

Mehr als sieben Milliarden Menschen wohnen zurzeit auf dem Erdball. Davon sind gut zwei Milliarden Christen. „Wie viele Wege gibt es zu Gott?“ wurde einmal Papst Benedikt XVI. gefragt. „So viele wie es Menschen gibt“, antwortete er. Das zeugt von einem weiten Geist. Es ist der Geist des Konzils, das Gottes Heilswege im Kontext aller Menschen betrachtet hat. Schon der Hl. Paulus spricht von der Heilsmöglichkeit der ‚Heiden‘, wenn sie ihrem Gewissen folgen: „Die Forderungen des Gesetzes (sind ihnen) ins Herz geschrieben; ihr Gewissen legt Zeugnis davon ab“ (Röm 2,15). Dementsprechend heißt es im Konzilsdokument über die nicht-christlichen Religionen ‚Nostra Aetate‘: „(Alle Völker) haben Gott als ein und dasselbe letzte Ziel. Seine Vorsehung, die Bezeugung seiner Güte und seine Ratschlüsse des Heils erstrecken sich auf alle Menschen...“ (2.Vat. Konzil, NAE 1). Denn in allen Völkern und Religionen findet sich „nicht selten ein Strahl jener Wahrheit, die alle Menschen erleuchtet. Unablässig aber verkündet sie (die Kirche) und muss sie verkündigen den Christus, der ist ‚der Weg, die Wahrheit und das Leben‘ (Joh 14,6), in dem die Menschen die Fülle des religiösen Lebens finden, in dem Gott alles mit sich versöhnt hat“ (2.Vat. Konzil , NAE 2). Es ist wohl die entscheidende Wende, die durch das Konzil eingeschlagen wurde, dass wir unseren Glauben an Christus einbetten müssen in den weltweiten Kontext von Religionen und Völkern, um seine ganze Bedeutung zu erfassen. Dabei wird die Kirche nicht mehr von dem Grundsatz ‚Außerhalb der Kirche kein Heil‘ geleitet, sondern davon, dass Gottes Wirken in der ganzen Welt schon am Werk ist, aber doch in der christlichen Botschaft vom Heil seine Erfüllung findet. 


Das Bild von der Tür im Kontext von Konfessionen und Religionen 

Das Evangelium vom „Guten Hirten“ im 10. Kapitel bei Johannes beginnt mit dem Bildwort von der Tür, bevor es dann in das Bildwort vom Hirten übergeht. Bleiben wir heute einmal bei dem Bild der Tür stehen. Nur wer durch die Tür zu den Schafen geht, heißt es, ist der wahre Hirte. Im Kontrast dazu werden die Diebe und Räuber genannt, die von anderswo in den Schafstall einsteigen, „um zu stehlen, zu schlachten und zu vernichten.“ 

Nun lässt sich das Bildwort von der Tür nicht so einfach auf die religiöse Situation der Kirche und Welt übertragen. Wer ist Hirte, wer ist Dieb oder Räuber? Wer beansprucht, Tür zu sein? Im Grunde geht es um den legitimen Anspruch auf die Menschen, auf deren Suche nach Heil und Leben. Da gibt es unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Interessen. Nicht alle sind zum Wohl für die ‚Schafe‘. 


Im Kontext christlicher Ökumene 

Allein wenn wir die verschiedenen christlichen Konfessionen betrachten, die alle beanspruchen, im wahren Namen Christi „zu den Schafen“ zu gehen, tun wir uns schwer in der Klassifizierung. Wer kommt im Sinn des guten Hirten, wer im Sinn eines Mietlings oder sogar eines Diebes und Räubers? Anspruch und Beurteilung fallen da auseinander. Im Zeitalter des freundlichen Ökumenismus möchten wir auch heute keine klaren Abgrenzungen vornehmen, da alle Hirten von der Richtigkeit ihres Tuns ausgehen und die wahre Tür für sich beanspruchen. Wohlwollend können wir sogar anerkennen, dass die meisten im Sinn der wahren Tür Christi ihre Arbeit tun. Letztlich geht es um die Heilsbotschaft Jesu vor jeder Konfessionalisierung, die auf verschiedene Weise die Menschen erreichen kann. Im Jahr der Ökumene können wir dankbar wahrnehmen, wie auch die verschiedenen Kirchen ihren Verkündigungsauftrag ernst nehmen und den Menschen in unterschiedlichen Situationen von Gott her beistehen. Vielleicht haben wir in der Vergangenheit zu vorschnell die jeweils anderen Konfessionen und deren Diener als „Diebe und Räuber“ betrachtet, die von der Seite einsteigen. Vom Podest des ‚rechten Glaubens‘ herab haben die Konfessionen sich dann gegenseitig verurteilt und sind auch vor kriegerischen Handlungen nicht zurückgeschreckt. Viel Unrecht und Leid ist daraus entstanden. Heute haben wir Gott sei Dank feindselige Haltungen überwunden, aber wir dürfen dabei nicht stehen bleiben. Der Auftrag Jesu gilt für alle christlichen Gemeinschaften weiter, immer die innere Beziehung zu ihm zu suchen, der allein die Tür zu den Gläubigen und für die Gläubigen ist. In diesem Sinn müssen sich alle christlichen Kirchen ständig reformieren, um sich zur wahren Gestalt Christi, der einzigen Tür zu den Schafen, zu verwandeln. 


Die Tür Christi im Kontext von Religionen und Weltanschauungen 

Man kann aber das Bildwort von der Tür auch auf alle Religionen und deren Diener anwenden. Die Religionen sind für viele Menschen Tor zum Heil in dem Maße als sie dieses in ihrem Gewissen wahrnehmen. Ihre Religionsdiener haben zweifellos auch eine ‚Tür-funktion‘ unterschiedlicher Art in ihrer jeweiligen Glaubensgemeinschaft. Im Sinn des Konzils können wir annehmen, dass auch sie in irgendeiner Weise Menschen auf dem Weg zu Gott begleiten und dabei die wahre Tür zum Leben suchen. Deshalb dürfen wir sie nicht einfach als Diebe und Räuber bezeichnen, obwohl Anzeichen dafür leider in letzter Zeit öfter vorkommen. Hassprediger und Terroristen im Namen Gottes sind sicher „Diebe und Räuber“. 

Als Christen schätzen wir jedes friedliche und geistliche Bemühen der Religionen, die Wirklichkeit Gottes wahrzunehmen und die Tür zum Leben zu finden. „Diese Wahrnehmung und Anerkenntnis durchtränkt ihr Leben mit einem tiefen religiösen Sinn“, sagt das 2.Vat. Konzil (NAE 2). Dennoch sind wir Christen überzeugt, dass erst in Christus sich die Fülle der Wahrheit über Gott und Menschen auftut. Denn er ist die wahre Tür zu den Menschen und zu Gott. Deshalb beseelt uns der Wunsch, dass trotz aller Wertschätzung des subjektiven Glaubens alle Menschen ihr Heil in Christus finden, weil er die Fülle des Lebens ist. 


Zeugnis durch Dialog 

Der Weg zur wahren Tür in Christus ist der Dialog. Dieser ist für das gegenseitige Wahrnehmen der Gemeinsamkeiten und für das friedliche Miteinander von Völkern und Religionen wichtig, ja für den Weltfrieden heute unabdingbar. Er schließt ein, dass wir Christen weiterhin von der wahren Lebenstür Christi überzeugt sind und den Menschen davon verkünden. 


P. Martin Neuhauser SVD